424
129/18
Mein liebster Herder,
19
Gott seegne Sie, Ihre liebe Frau, Ihren kleinen Liebling und Ihr gantzes
20
Haus zum Neuen Jahre, und schenke Ihnen Gesundheit, Friede und Freude.
21
Amen.
22
Ich habe den 26 und 30
Nov.
Briefe von Ihnen erhalten. Einlage des
23
letztern sogl. bestellt, aber noch keine Antwort aus Riga erhalten, die ich
24
willens war abzuwarten.
25
Vom
Couvert
Ihrer Briefe anzufangen: so stand auf selbigen von Ihrer
26
eigenen Hand frey; das Post Amt hatte aber: bis
Halberstadt
dazu
27
geschrieben, und ich habe das
Porto
von daher bezahlen müßen. Es wäre doch
28
unrecht, wenn wir beyde bezahlen sollten, und vielleicht ist es gut Ihnen von
29
diesem
Abus
Nachricht zu geben, um sich darnach richten zu können.
30
Sie haben also
XXIV Dom p T.
die
Prolegomena
Ihres Freundes
31
erhalten und ich 9 Tage später, den 21
Nov.
Der Titul bezieht sich auf eine alte
32
Kirchenreliquie, die den Titel führt:
Consultationum Zacchaei Christiani
S. 130
Consultationes
cum
et Apolloni
o
i
φφ
los.
Lib
III.
Sie ist das
2
älteste
und
erste
Stück in
d’Achery
nach der
neuesten Ausgabe
in fol.
v.
723
3
die auf der hiesigen Schloß
Bibliotheque
ist wo ich selbst das Stück angesehen
4
aber nichts daraus habe machen können.
Tillemont
soll den
Euagrium
der
5
400 gelebt für den Verf. gehalten haben. S.
Tessini
gelehrte Geschichte der
6
Congreg. von St. Maur. 1 Band
p.
155
.
/
Eben daselbst finden Sie
p.
246.
7
daß
Dom Paul de Gallois
hat
eine Innschrift auf eine Reliquie U. L. Fr.
8
von
Bonne nouvelle
zu
Rouen
hat drucken laßen unter dem Titel:
Velum
9
veli DEI.
Jemand
sagte hier, daß auf Ihrem Titel
verhüllte
anstatt
10
enthüllte
stehen sollte.
11
Unser alte Freund Kanter ist Buchdrucker in
Marienwerder
geworden und
12
seit kurzen
Papiermüller zu
Trutenau
Seinem kritischen Urtheile zufolge
13
sind wir beyde ein paar Schriftsteller, an denen ein ehrl. Verleger zum Schelm
14
werden müste, weil wir keine
currente
Waare zu liefern im Stande
wären,
15
Aether
schrieben und außer der
Sphaere
des Publici, von dem man doch leben
16
müste, und das von keinem
aether
selbst leben könnte, uns eine Laufbahn
17
hätten erkünsteln wollen.
18
Mamamuschi
bezieht sich auf den
Gentilhomme bourgeois
des
Moliere
19
und kommt bereits in der Apologie des H vor, wo die 3 Schlafmützen
20
3 Kammern bedeuten zu Kgsberg.
Gumb.
und
Marienw.
Sie wißen liebster
21
Freund, daß
Heinr
.
Schröder
Unser alte Landsmann auch einmal als
22
Ritter von Rosenkreutz
geschrieben. Da er kein
Baßa
weder von 3 Roßschweifen
23
noch 3 Schlafmützen hat werden können: so wird dem Papiermüller in
24
Trutenau der Schwank angedichtet, daß er seinen alten Zeitungsschreiber zum
25
Mamamuschi
von 3 Schreibfedern macht, die sich
gegenwärtig
nunmehro
26
mit einer
Trappenfeder
vermehrt; wovon gegenwärtige Period ein
27
echantillon
ist.
28
Auch hat sich mein Haus mit einer jungen Tochter vermehrt, die mir Gott
29
aus Gnaden den 2
Xbre
gleich nach Mitternacht geschenkt und noch denselben
30
2
Xbre
oder
hujus
von
D.
und Hofpr.
Lindner
in meinem kleinen Hause
31
getauft worden. Sie heist
Magdalena Catharina
. Gegenwärtige Pathen
32
waren Vater und Mutter, ihre Schwester und Schwester Tochter, die bey mir
33
dient.
Abwesende Pathen
unser lieber
Confusions
Rath
Claudius
zu
34
Vlubris,
den ich seiner Sünden wegen und ihn dafür züchtigen zu können, zu
35
meinem
Gevatter
gemacht.
36
So viel mit meiner
Trappenfeder
statt der
Rabenfeder
, die sich
37
unsichtbar
gemacht –
S. 131
Ich bin mit einem kleinen
Versuch über die Ehe
, im Namen einer Sibylle
2
zu Fall gekommen
. Hartkn. Hochzeit hat mir dazu Anlaß gegeben und er
3
soll sie verlegen wo ers
kann
und will. Leyder! ist es nicht stärker als einen
4
Bogen in
Duodezoctav
gerathen und ein kleiner
Commentar
über einige
5
Stellen des 2ten Cap.
Genes.
Sie sehen, daß ich nicht nur Ihr
Pro-
sondern
6
auch Ihr
Meta
und
Hysterolegomen
ist werden will. Weil Sie von
7
Würkungen der Blätter ins Publicum reden: so könnte dies wol
No
45 seyn und
8
mein Lebensjahr
ein wenig zeichnen.
9
Mit Ihrem
egarement du coeur
sich dem Antiluther zu Böhmisch-Breda
10
zu verrathen bin recht übel zufrieden. Wenn Sie mir die Abschrift dieses
11
ebentheuerl. Briefwechsels in
copia vidimata
mittheilen wollen: so verspreche ich
12
Ihnen auch die
Consultationes Apollonii
φφ
i
Eine Vertraulichkeit wird der
13
andern werth seyn und die Bedingung für uns Beyde gleich
heilig
keinen
14
einzigen Gebrauch davon zu machen, weder
directe
noch
indirecte.
15
Ihre Beobachtung über Klopstock und sein lyrisches Talent steht schon in
16
den Kreutzzügen
p.
217 in einer langen
Note
17
Ihr Verleger ist so aufmerksam (wie mein Bode) gewesen, mir Ihre
18
Philosophie
und
Provintzialblätter
so bald er selbige nur selbst erhalten, sogl. zu
19
übermachen. Ich habe beyde 2 mal durchgelaufen, weil ich Ihre Bücher nicht
20
langsam zu lesen im stande bin, auch einen Versuch gemacht, daß ich den
21
Nutzen nicht davon habe – Ihre
Volkslieder
fehlen mir noch, die ich auch
22
bald ungedultig seyn werde zu
haben
23
Hartknoch hat freylich eine kleine Verrätherey begangen, um sich vielleicht
24
an der meinigen zu rächen. Weil er aber so ehrlich gewesen ist mir die
25
Abschickung des Steckbriefes zu überlaßen und ich immer mich so gewöhnt zu
26
schreiben, daß ich an die Verantwortung meiner Gedanken zugl. mit denke:
27
so habe ich keinen Grund mich eigentl. über ihn zu beschweren sondern freue
28
mich vielmehr über den Beweis Ihrer Freundschaft, den der gantze Streich
29
mir von Ihrer Seite zugezogen; daß Sie das meiste in demjenigen Lichte
30
gesehen, worinn es gesehen werden muß.
31
So bald ich den Brief aus Br. selbst las, lachte ich über die gantze Mähre, weil
32
der gantze Ton einen elenden und kriechenden Schwätzer verrieth und
33
Familienzüge
.
34
Daß Sie großen
egaremens du coeur et de l’esprit
in
Prose
und Versen
35
fähig sind, wißen Sie beßer als ich. Was haben Sie nicht in
Warner’s
36
Vorrede über die Gicht
gesehen, und Sie müßen sich darauf gefaßt machen, daß
37
andere Leute in ihren
Illusionen,
die Sie weiter als ich treiben, noch mehr
S. 132
sehen. Wie viel Misverständniße errathe ich
au
s
s
Ihrer Antwort auf mein
2
Abendschreiben vom 4
Oct.
Sie wißen meine
alte
Verbindungen mit dem
3
Hause in Riga. Ich sollte Ihnen auf irgend eine Art verargen, was Ihnen
4
der
Bruder
meiner
Catin – Aspasia
zu Gefallen thun kann und muß.
5
Verdenken würd ich es Ihnen, wenn Sie irgend einen andern
Canal
gesucht
6
hätten, als der meinem eignen Herzen so nahe ist und bleiben wird. Ihre
7
Klugheit sich in solchem Nothfalle einem ehrl. Nothhelfer vertraut zu haben, ist
8
recht sehr nach meinem Geschmack und hat meinen gantzen Beyfall.
9
2.) Ich kenne selbst diese Verlegenheiten, mehr aus Furcht Gottlob und
10
anticipation
als bisher aus wirklicher Erfahrung. Ich habe Gottlob! mein
11
Haus von Schulden frey gemacht und die 666⅔ sind gelöscht bis auf 500 fl.
12
ungefähr, die Schuld sind und es nicht sind, weil ein
reines Häuschen
mehr
13
sagen will als diese Kleinigkeit. Aber auch die liegt mir auf dem Hertzen. Ich
14
lebe Gottlob! noch in keiner Noth, aber
bekümmert
und
ängstlich
und
15
besorgt
besonders für die Zukunft, wo ich keinen andern Ausweg sehe als den
16
einzigen und rechten, ein Vertrauen auf die Vorsehung, und eine etwas
17
strenge
Diaet
in meinen Ausgaben, die freylich nicht nach meinem Gaumen
18
oder Magen ist. Auf der Landstraße, den Galgen vorbey liegt mein Glück
19
nicht, sondern auf einem engen schmalen Pfad – Ich hab es eben so gemacht
20
wie Sie, und nahm zum
Layenbruder
meine Zuflucht, den ich als meinen
21
Vater liebe und ehre, und immer desto mehr, weil er eben
so klug
als
22
treuherzig
ist. Denn mit Leuten, die es nur halb sind, hab ich nichts zu theilen;
23
ich habe die Zufriedenheit gehabt an Ihm einen
gantzen
Mann zu finden,
24
ohngeachtet ich mich auf eine Zeitlang mit ihm geschieden, damit er es nicht
25
nöthig finden möchte zu thun.
Est modus in rebus –
ist meine güldene Regel
26
oder wie St. Paulus noch politischer sagt:
ειτε γαρ εξεστημεν, θεω· ειτε
27
σοφρονουμεν
, υμιν.
28
Da Sie mein liebster Herder! nicht
muthlos gemacht
seyn wollen: so
29
bitte ich Sie in Ansehung des Antiluthers zu B Breda gantz ruhig zu seyn,
30
und nicht das Spiel durch unzeitige Apologien, überflüßige
Ehrenrettungen
31
pp
und Klotzianisch-Schlötzersche
Imitat
t
ionen
zu verderben. Alles warum ich
32
Sie ersuche, besteht darinn, welches ich auch dem Hartknoch aufgetragen, den
33
Vorrath des 2ten Bandes so ruhig und kalt und eilfertig und nachläßig, als
34
Sie nur können,
ins reine zu bringen
, und sich aller Lügen,
Solöcismen
,
35
Personalien
und Verfolgungsnachrichten, die Sie Ihren Feinden
36
aufbürden, im Verfolg Ihrer Arbeit so streng als möglich zu enthalten.
37
Ihre Weißagung von Ihren Freunden, und selbst dem bösen Agagiter
S. 133
verkannt zu werden, wird schwerlich eintreffen. Unsere Freundschaft soll kein
2
Torso
seyn sondern ein
Exegi monumentum
– wenigstens
integrum, quod
3
non imber edax, non Aquilo impotens possit diruere, aut innumerabilis
4
Annorum series et fuga temporum.
5
Unser gegenwärtiger
Provincial-Accise-
und Zoll
-Director
ist HE
6
Stockmar,
ein geborner Darmstädter, wo
S
sein Vater Hofmaler gewesen seyn
7
soll (wenn Sie mir etwas von
S
seiner
Familie
zu vertrauen wißen, wird
8
es mir lieb seyn) ein ehr- und liebenswürdiger Mann für mich, unter dem ich
9
noch aufzuleben
und –
ex humili potens
zu werden hoffe. Ich schreibe mit
10
Ihrem Horatz in der Hand, den Sie mir zu
Riga
den 19/30
Januar.
1766
11
verehrt haben, der am letzten Jahrstage 772 verschwunden war und nachdem ich
12
das gantze Haus wie das Weib im Evangelio um ihren verlornen Groschen
13
umgekehrt hatte fand ich selbigen zur Freude aller 9 Musen den 15
April
73.
14
wieder.
15
Wie oft soll ich fragen: ob Sie die neue mit 2 Briefen vermehrte Auflage
16
der
Lettre perdue
erhalten haben? damit ich dafür sorgen kann. Haben Sie
17
nicht das
Mancherley
und
Etwas
vom Bode erhalten?
18
Eben jetzt bringt mir ein guter Freund des
Mutii Pansae Osculum,
wornach
19
mich des Wandsbeckers
Recension
neugierig gemacht, ohne es hier auftreiben
20
zu können.
21
Unser
D.
Stark hat einen
Hephästion
unter der Preße, abermal über eine
22
ähnliche Materie – – Ich weiß vor langer Weile und Mangel der Muße nicht
23
aus noch ein. Diese Woche habe die
Loisirs d’Eon de Beaumont
durchgelaufen
24
und
Goldsmith’s
römische Geschichte angefangen, nebst Molters Toscanischer
25
Sprachlehre, weil ich meine welschen Autoren vielleicht wieder hervorsuchen
26
will – Der frühzeitige Winter hat die gantze Michaelismeße und Bücher Erndte
27
vereitelt; und die ganze Ladung ist in Lübeck eingefroren.
28
Nun leben Sie wohl, lieber Freund Herder. Wenn es ein
George Martin
29
gewesen wäre; so hätten Sie Gevatter seyn sollen. Mein
Käthchen
wird aber
30
des Claudius
nugas
lieber lesen als ihre musicalische
Dramata,
die ihr zu
31
gelehrt sind. Haben Sie doch auch mich nicht zu Gevatter gebeten.
32
Leben Sie vergnügt und laßen Sie sich die Grille vergehen das heil Grab
33
der schönen Künste zu besuchen. Denken Sie öfterer nach Norden und an Ihre
34
dasige Freunde. Umarmen Sie Ihre liebe Frau und Hausmutter mit dem
35
schwartzlockichten
Babe
auf dem Schooß.
Hänschen Michel
stammert auch
36
schon.
Lisette Reinette
ist ein rundes dickes drollichtes Mädchen. Wenn
37
Lehnchen Käthe
nicht Grimmen hat: so weiß ich nicht daß ich in einer
S. 134
Wochen- und Kinderstube arbeite.
Wenn
Besucht
Claudius
mich mit Weib und
2
Kind diesen Sommer
besucht
: so begleit ich ihn mit Haus und Hoff über
3
Bückeburg nach Wandsbeck; denn sehen müßen wir uns einander
4
schlechterdings noch, wenn es Gottes Wille ist. Und hiemit Ihm befohlen zum Beschluß
5
eines Neujahrsbriefs – der
gleich
trotz unserm Leben – ein Geschwätz ist,
6
und
so wie ich, Ihr
Christianus Zacchaeus Telonarcha, olim Mien-Man-
7
Hoam.
8
Den 20
Xbre
zwischen 4 u 5 Uhr des Abends
9
Eben da ich mit Ihrem Briefe fertig war und zumachen wollte, lieber heute
10
als morgen – kommt mir ein Bote und bringt mir Einlage vom
Commerce
11
Rath
Toussaint,
der sie auch wol eher hätte bestellen können, weil die Post
12
schon gestern angekommen seyn
muß.
13
Es freut mich, daß Sie die Fortsetzung der Urkunde bald liefern wollen.
14
Heraus mit, daß der Kopf einmal rein und das Herz leichter werde. Unter
15
uns gesagt, warum ich Ihre Autorschaft nicht recht verdammen kann, weil
16
sie
Waßer auf meine Mühle ist
, mit dem künftigen Erbherrn von T
rutenau
17
zu reden.
18
Bestellen Sie mir ja ein
Exemplar
von Ihrem Hemsterhuis bey
Dietrich
.
19
An meinem Bestellen liegt es wahrlich nicht, wenn Sie meine Kleinigkeiten
20
nicht bisher warm und feucht erhalten haben.
21
Ja liebster Herder – Waßer auf meine Mühle. Der Plan des Mien-Man
22
Hoam war gar zu übertrieben; unter deßen hat die Hexe von Kadm. doch das
23
ihrige gethan. Der Zachäus scheint mir ein größerer Schleicher zu seyn, und
24
kann vielleicht eher zu seinem Zweck kommen. Aber
Zeit
und Glück gehörte
25
freylich dazu, und am ersten fehlt es zum Theil am meisten – Doch bey aller
26
mögl. Muße läßt sich auch das letzte nicht ererben und erwerben.
27
Gesetzt den Fall, daß ich diesen Augenblick aller Geschäfte entledigt würde:
28
so wüste ich doch wahrlich nicht, womit ich den Anfang bey meinem Misthaufen
29
machen sollte. Die Erziehung meines Sohns wird mir von Tag zu Tag
30
angelegentlicher – und es würden sich so viele Trugaussichten zeigen, daß ich
31
durch meine vermeintl. Freyheit leicht mehr gefeßelt seyn würde als durch meine
32
gegenwärtige Berufsgeschäfte. Und bisweilen komm ich mir unter meinem
33
Druck als ein Palmbaum vor. Also mit dem Loose auf des Zeus Schooße
34
zufrieden zu seyn, ist das wahre Geheimnis des
Optimism.
35
Also vom Laufe der Umstände gegängelt, mit den Mutterhänden der
36
Vorsehung geleitet hin und her, und unter dem Vaterauge des Alten der Tage,
S. 135
wollen wir ein jeder seinem Ziel entgegen sehen – wieder aufrichten die
2
läßigen Hände und die müden Knie – und aufsehn auf den
αρχηγον και
3
τελειωτην – αισχυνης καταφρονησαντα –
4
Wie mir Hartkn. schreibt, wird Gevatter
Claudius
seine
Opera
auf
5
Subscription
drucken laßen. Ich will ihm auch zum Neuen Jahr wünschen.
6
Vergeßen Sie nicht die Abschrift Ihrer Sp.
Correspondentz.
Wenn ich auch
7
nur seine Antworten vor der Hand erhalte. Sie wißen daß ich ein anderer
8
Lavater
in der Physiognomia des Styls bin; und wenn Sie nicht in den
9
Schooß Ihrer Mutter Sprache zurückkehren; so sind Sie eben so wenig vor
10
einem
bello grammatico
sicher, als der neue Reformator zu Böhmisch Breda
11
vor einem
bello orthographico.
Die Gräuel der Verwüstung in Ansehung
12
der deutschen Sprache, die alcibiadischen Verhuntzungen des Articuls, die
13
monströse Wortkupplereyen, der dityrambische
Syntax
und alle übrige
14
licentiae
verdienen eine öffentliche Ahndung, und verrathen eine so
spasmodi
sche
15
Denkungsart, daß dem Unfuge auf eine oder andere Art gesteuert werden
16
muß. Dieser Misbrauch ist Ihnen so natürlich geworden, daß man ihn für
17
ein Gesetz Ihres Styls ansehen muß, deßen Befugniß mir aber gantz
18
unbegreiflich
ist
und unerklärlich ist. Liegt hier auch eine Satyre auf den
19
Libertinismum
unsers Jahrhunderts zum Grunde? Bey Ihrer weiten und
20
gründl. Kenntnis Ihrer Mutter Sprache, hat man Mühe hie und da einen
21
reinen Deutschen Period zu finden, der ein so
rara auis
ist, daß der Leser sich
22
wie eine blinde Henne über ein gefundenes Korn freut.
23
Ich bin in diesem Stück kein Parteygänger noch
Mückensei
h
ger
gebe aber dem
24
Verf. der Maccabäer
R
recht
; welcher sagt:
Allzeit Wein oder Waßer
25
trinken ist nicht lustig
,
sondern
zuweil
.
Wein und zuweilen Waßer
26
trinken, das ist lustig
für den Leser. Wenn Luthers Sprache auch bisweilen nach
27
dem Kännlein riecht: so schreibt er doch nicht immer die Sprache eines
28
Trunkenbolds – weder im Wein oder starken Getränk – noch in seinen Ideen und
29
Empfindungen und ihrem gährenden Most.
30
Die Frau Consistorialräthin sollte
,
mein lieber Herder, die Stelle des Apolls
31
oder des Magus in Norden vertreten und Ihr eingeschlafenes Ohr zu erwecken
32
suchen. Können Sie sich über diesen Punkt gegen mich rechtfertigen, so thun
33
Sie es. Ich erwarte darüber Ihre Verantwortung. Wo aber nicht; so thun
34
Sie alles was Sie können Ihren 2ten Band durch eine Palingenesin des
35
Styls zu unterscheiden, Ihrem Verleger zum Trotz, der sich einbildt, daß
dies
36
Ihnen weder möglich noch recht nöthig
wäre, worinn ich aber gar nicht
37
seiner Meynung bin, wie in den meisten andern Stücken.
DEVS vobiscum!
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 114–116.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 113–122.
ZH III 129–135, Nr. 424.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
130/1 |
φφ los. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: philosophi |
130/1 |
Lib ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Lib. |
130/2 |
in fol. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: in fol. |
130/2 |
v. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: von |
130/2 |
älteste ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: älteste |
130/6 |
/ ]
|
Geändert nach Handschrift: Absatzwechsel. |
130/6 |
155 . ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 155. |
130/12 |
Trutenau |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Trutenau . |
130/14 |
wären, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: wären |
130/22 |
Baßa |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Baßa |
130/26 |
Trappenfeder |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Trappenfeder |
130/37 |
gemacht – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gemacht. |
131/12 |
φφ i |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ppi. |
131/16 |
Note |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Note. |
131/22 |
haben ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: haben. |
131/34 |
Prose ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Prosa |
132/1 |
au s s ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: aus |
132/21 |
als ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: als |
132/27 |
σοφρονουμεν ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: σωφρονουμεν |
132/31 |
Imitat t ionen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Imitationen |
133/9 |
und – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
134/12 |
muß. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: muß! |
134/24 |
Zeit |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Zeit |
135/23 |
Mückensei h ger ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mückenseiger |
135/24 |
R recht ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: recht |
135/25 |
sondern ]
|
Druckfehler; ZH: sondexn Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1957): lies sondern |