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Vermerk von Hamann:
Erhalten den 30. Novbr. 774.


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meines Briefes
HKB 419
m. l. H.
mein lieber Hamann
Unmittelbar nach Abgang meines Briefes
bekomme
ich, m. l. H. von

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ihres Briefes
HKB 417
Hartkn.
einen so befremdenden Auszug Ihres Briefes, daß ich sogleich,

S. 123
nachdem er mir einen
bangen
widrigen Abend, Nacht u. Morgen gemacht, das

2
Postgeld dran wenden muß, Sie aus den sonderbaren Irrgängen Ihrer

3
Phantasie u. der Lügenpropheten vor Ihnen her zu befreien.

4
1. Ists nicht wahr, daß ich hier außer Dienst, Brodlos, in Ungnade u.

5
verlaßen sei: ich bin in aller der Gnade, die ich hier brauche, d. i. Politische

6
Höflichkeit, Entfernung u.
in
meinem Amte. Ich muß das so eigentl. sagen, damit

7
Sie auch meine Worte des letzten Briefes von der Asche nicht in den Sinn

8
ziehen. Also ist das Gottlob! Lüge u. soll, wills Gott! Lüge bleiben.

9
Nieren
Ps 73,21
der gute Name
nach
Pr 7,1
2. So sehr mich das andre in meinen Nieren sticht: denn der gute Name ist

10
edle Salbe, so muß ich doch zu Ihnen sagen –

11
non sine vano …
dt. nicht ohne grundlos Windhauch und Wälder zu fürchten (
Hor.
carm.
, 1,23,3–4)
non sine vano

12
aurarum et siluae metu –

13
Das Loos ist geworfen, u. man muß hinüber. Was hilfts Muthlos machen,

14
Apostaten
Abtrünnige, vgl.
HKB 419 ( III 120/18 )
wenn nur die That vorsichtig machen kann. Daß die Apostaten wüten, ist

15
natürlich, u. ich glaube, daß sies noch mehr thun müssen. Es wird u. kann

16
eine Zeit kommen, daß mich auch meine Freunde verkennen, selbst Ham.

17
verkennt; ich weiß aber auch, daß Gott mir durch das Alles durchhelfen u. mich

18
durch Feuer
läutern
u. beßern wird. Die bösen Geister würden
wohl
nicht
zu den

19
Solöcismen
dt. grobe sprachliche Fehler
Lügen, Solöcismen, Personalien, u. Verfolgungsnachrichten (da sie nicht

20
selbst verfolgen können) Zuflucht nehmen, wenn die Sache sie nicht biße. Daß

21
aber das Salz voll Erde, Schlacken u. Koth sei, fühlt niemand tiefer,

22
als ich.

23
3. Spalding u. Luther hab’ ich mit keiner Idee zusammen, sondern

24
einander entgegen gesetzt, wies alle fühlen. Sie schreien alle, ich mache den

25
grossen
Sp. zum Ketzer, Heiden, Unchristen u.
Sie
sagen – ich wolle Christus

26
mit Belial gatten: daß die ganze Einkleidung
so
link, verzerrt u. abscheul. sei,

27
weiß ich jetzt – leider! konnt ich damals nicht anders schreiben. So lang

28
Othem Gottes in meiner Nase wehet, will u. werde ich streben, daß aus Rauch

29
aus hinfälliger Blüte Frucht
vgl.
HKB 417 ( III 116/27 )
Feuer aus hinfälliger Blüte Frucht werde: ich fühls jeden Tag mit halber

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Heerling
Weintraube, die wegen später Blüte nicht gereift ist
Verzweiflung, daß ich unreif, wie ein Heerling bin – nur aber kein todter

31
Dornbusch
2 Mo 3,2
Dornbusch.

32
Briefe an Spald. sind ein egarement du coeur
dt. Wandern des Herzens; zu Herders Briefen an
Spalding
vgl.
HBGA
, Bd. 3, S. 97f., S. 104–106, 118–120 und 131
4. Meine Briefe an Spald. sind ein
e
egarement
du coeur,
das dem

33
persönlich
Herder schickte seine
Provinzialblätter
am 15. Juni 1774 mit einem rechtfertigenden Brief an
Spalding
,
HBGA
, Bd. 3, S. 97f.
Publikum Zeit gnug Augenweide verschaffen wird. Ich schickte an Ihn das Buch

34
u. glaubte nun
persönlich
reden zu müssen, wie sich honette Leute begegnen;

35
Posauner
Romanus Teller
hatte
Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem
in Braunschweig Mitteilung gemacht,
Johann Georg Sulzer
und
Friedrich Nicolai
verbreiteten Gerüchte weiter.
der verlarvte
S
sittliche Mann zeigt den Brief u. Teller wird Posauner der

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an mich u. ich schreibe
Während seiner Kur in Pyrmont schrieb Herder ein weiteres Mal an
Johann Joachim Spalding
(2. Hälfte Juli).
Dißonanz in alle Welt. Die Sache kommt an mich u. ich schreibe 2. Briefe an

37
3. Br. zurückfodre
am 17. November in einem Billet
ihn, bis ich jetzt alle 3. Br. zurückfodre, u.
S.
sie, wenns die HErn wollen,

S. 124
sämmtlich u. das ohne Anmerk. u. Sp. Antworten zu dörfen, dem ehrsamen

2
Publikum mittheilen kann. Das ist der ganze Brei, der den Diabolen so wohl

3
tacite
dt. stillschweigend
Luft herrschend
Eph 2,2
schmeckt u. den sie
tacite
sich, in der finstern Luft herrschend, ins Ohr sausen.

4
Ich möcht ihn ans Licht nehmen u. die Zauberei ist zerstört. Es gibt nun ein

5
ViertheilJahr keine Ärgerniße u. alles ist hinüber. Ihr Wahlspruch, lieber H.,

6
es
mit mir gegen meine Feinde u. gegen mich mit meinen
Feinden
Freunden
zu

7
halten
, ist mein Wahlspruch selbst. Ich zerstücke den Knoten, so bald ich ihn

8
Klotz gnug belehrt
Herder war im Umfeld der
Fragmente
zunächst um ein gutes Verhältnis zu
Christian Adolph Klotz
bemüht, ließ sich nach kränkenden Rezensionen aber auf polemische Streitereien ein.
kann, von Klotz gnug belehrt, u. siehe hier ist mehr als Klotz! siebenfach

9
ärger! Ich entfliehe allem Streit u. werfe eine Reihe Bogen in Makulatur,

10
um ihm zu entfliehn. Gott wird mir helfen! Ihr Leute seht dort

11
Berlin-Babel in Ehre u. Unehre an, wie wirs in Deutschl. nicht ansehen, u. Deine

12
Feuerroße
2 Kön 2,11
Feuerroße – lieber Elias!

13
Kurz, lieber Mann Gottes, höre nicht auf, mich zu warnen, aber auch zu

14
hoffen!!! u. lieber zu stärken: denn ich fühls gewiß voraus, daß mir das

15
ecclesia pressa
dt. verfolgte Gemeinde
letzte Noth seyn wird. Laß meine Sachen in
ecclesia pressa
würken, würken

16
sie nur u. rettet Gott mir nur Weib und Kind u. guthen Muth. Nur freilich

17
Hartmanns mit den Sulzers
Gottlob David Hartmann
.
Johann Georg Sulzer
war als Berater des Herzogs von Kurland für Berufungen stimmberechtigt und hatte sich gegen Herder ausgesprochen, vgl.
HKB 414 ( III 109/34 )
.
Loos werfen
u.a.
Mt 27,35
die Hartmanns mit den Sulzers müssen nicht über mich Loos werfen: was

18
kann ich aber dafür? Gott errette u. führe mich – Brutus schläft itzt oder wird

19
bald schlafen. Heil Ihnen von meinem Weib u. Kinde, zugelallet u. zugeflüstert.

20
Virtus repulsae nescia sordidae
dt. Mannesmut, fremd der Zurücksetzung voll Schmach (
Hor.
carm.
, 3,2,17)
Amen.
Virtus repulsae nescia sordidae – –
Amen. Ihr geplagter,

21
verläumdeter, lebendiger

22
Solöcismus  
H.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 113.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 107–110.

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 91 f.

ZH III 122–124, Nr. 420.

Zusätze fremder Hand

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Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
122/32
bekomme
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
bekomm
122/33
Hartkn.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Hartknoch
123/18
wohl
nicht
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
nicht
123/25
Sie
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sie
123/25
grossen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
großen
123/32
e
egarement
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
egarement
124/6
Feinden
Freunden
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Freunden