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115/8
Kgsberg den 24
Oct.
74.
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Mein lieber bester Hartknoch,
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Ich habe gestern den halben Tag in Gedanken an Sie geschrieben, weil hier
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Nachricht über Helmstädt
Der Ursprung des Gerüchts ist unklar, es stellte sich als unwahr heraus, vgl.
HKB 420 ( III 123/4 ).
Herder
Johann Gottfried Herder
die Nachricht über Helmstädt angekommen, daß unser Freund Herder sich mit
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LandesHErrn
Graf Wilhelm Friedrich Ernst zu Schaumburg-Lippe
seinem LandesHErrn überworfen hätte und gegenwärtig
brodtlos
und
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verlaßen
säße, sich angeboten hätte aber vergeblich, in seinem Wandel und
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Soloecismen
Solözismus, grober sprachlicher Fehler
Kleidung sich durch so viel
Soloecismen
auszeichnete als in seinem Styl – Diese
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Nachricht von der mir die Hälfte nicht ganz unwahrscheinlich vorkam, machte
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mich so unruhig, daß ich zu Ihnen mein Zuflucht nehmen wollte um über sein
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Schicksal einige Auskunfft durch Sie zu erhalten. Heute zu Mittag hat mir
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Laval
Jean Claude Laval
Ihr lieber Schwager
Laval,
dem ich recht sehr gut wieder zu werden anfange,
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billet doux
dt. süßer Brief, gemeint ist ein kurzes Schriftstück
Corporibus delicti
vgl.
HKB 416 ( III 114/4 ), wohl
Herder,
An Prediger
und
Herder,
Auch eine Philosophie der Geschichte
mit einem kleinen
billet doux
und den so sehnlich gewünschten
Corporibus
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delicti
erfreut, mit denen ich ungeachtet eines sauren Posttages auf dem
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Bureau
diesen Augenblick beym
Zapfenstreich
zu Ende gekommen bin.
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Verf. der Provinzialblätter
Herder,
An Prediger
Ich sehe daß der Verf. der Provinzialblätter ein Prediger ist, der das
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Mäntelchen auf beyden Schultern zu tragen, und Luther mit Spalding –. Ich will
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Belial
2 Kor 6,15
aber nicht sagen: wie reimt sich Christus und Belial? Aber wenn dies Politick
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seyn soll, ist sie nicht ein wenig zu
grob
und zu
unehrlich
– oder zu
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auffallend
mich eines Modeworts zu bedienen.
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Um das Gold seiner Autorschaft von den Schlacken zu reinigen, dürfte
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freylich eine kleine Feuerprobe unumgänglich seyn. Ich hoffe und wünsche,
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daß sie kurz und leicht und wohlthätig für ihn seyn wird. Der gewaltige Rauch
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scheint doch immer ein wirkliches Feuer zu verrathen, das in seinem Busen
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brennt und ein solcher
lebendige Funke
kann es mit dem grösten Walde
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aufnehmen. Gute Nacht! mein lieber Hartknoch. Wir haben beyde uns heute
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so müde gearbeitet, und Sie haben einen Grund mehr schlafen zu gehen.
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Morgen mehr. Wer weiß, was uns träumen wird?
S. 116
Den 25
Oct.
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Ich bin diesen Morgen nach der Stadt gelaufen, um die Nachricht von
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Herder selbst zu lesen. Der Brief ist nicht aus Helmstädt, sondern
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Brief
nicht ermittelt
Brandenburg
; und der ganze
passus
in meinen Augen von keiner
Authenticität
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sondern bloß Geschwätz. Was unsern Freund bewogen an Spalding zu schreiben,
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möchte ich eben so gern wißen als lesen, was er geschrieben.
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In einigen Provinzialblättern scheint der Verf. seinen Styl ziemlich
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vortheilhafft verleugnet zu haben; aber gegen das Ende wird er gar zu kenntlich.
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Die Wahrheit zu sagen, halt ich es
mit
ihm gegen seine Gegner, aber
wider
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ihn mit seinen Freunden. Der ganze Knoten beruht darauf, beyde Parteyen
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unterscheiden zu wißen.
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Ich komme von meinem
Bureau
erschöpft mehr vor langer Weile als Arbeit
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Meß-Catalog
Messkatalog für Michaelis 1774
zu Hause und finde den Meß-
Catalog
vor mir, den ich durchgelaufen – aber
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wenig für meine künftige Neugierde gefunden. Durch meine veränderte äußerl.
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Lage scheint mein Beruf zur Autorschaft, der ohnehin wenig immer zu
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bedeuten gehabt, fast gänzlich erstickt zu werden. Wie ich eben so voll Planen
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als Herder war, wurde ich auf einmal in meiner tollen Laufbahn
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unterbrochen. Er hat mich wieder aus meinem Schlummer halb ermuntert. Sie
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Preisschrifft
Herder,
Abhandlung über den Ursprung der Sprache
wißen, was ich für rasende Sprünge über se. Preisschrifft gemacht. Bey seiner
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Urkunde
Herder,
Aelteste Urkunde
ältesten Urkunde war den Augenblick fertig – zu gutem Glück schläft alles,
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und ich habe nicht Lust die kleine Maschiene mit einem Finger anzurühren,
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weil mich die Zeit abgekühlt hat und der Augenblick scheint verfloßen zu seyn.
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Was soll ich im deutschen und französischen ankündigen, da ich gar keine
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Möglichkeit absehen kann mein Wort gutzumachen. – Es ist wahr, einige
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meiner
Saamenkörner
scheinen sich durch des Herders Fleiß und Feder in
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Blumen
und
Blüthen
verwandelt zu haben; ich wünschte aber lieber
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Zeit und Glück
Pr 9,11
Früchte
und
reife
. Und zu allen diesen Wünschen gehört
Zeit
und
Glück
,
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wie Salomon sagt, und beydes hängt nicht von uns ab.
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Bey meiner gegenwärtigen Schwermuth und Erwartung der Dinge hab
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ich keinen Muth und Anlaß an Herder zu schreiben. Bitte mir aber dafür aus
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mir so bald Sie Nachricht von ihm erhalten,
mir
daran Theil nehmen zu
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laßen. Mein Briefwechsel soll Ihnen selbst keinen Zwang auflegen, als bloß
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in Ansehung dieses
einzigen Punctes
, der mir am Herzen liegt. Ihr
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gegenwärtiges Frey Jahr und Ihre Genauigkeit in Geschäften sind mir zu
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Hintz
Jakob Friedrich Hinz
ehrwürdig und bekannt, als daß ich Sie nach dem Maasstabe, womit ich Hintz
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Mitausche Aussichten
Herders mögliche Berufung ans akademische Gymnasium in
Mitau
, vgl.
HKB 415 ( III 111/11 ) meße
Sie
beurtheilen sollte. An die Mitausche Aussichten lohnt es nicht zu
S. 117
denken. Wenn dieses Project hätte durchgetrieben werden können; so möchte
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fast darüber wetten, daß die Denkungsart sr. jetzigen Gegner sich eben so sehr
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Sachwalters
Gottlob David Hartmann
geändert haben würde, als des zeitigen Sachwalters seine, und daß sich letzterer
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am meisten geirrt haben würde. Es ist für kein menschl. Auge mögl. den Haß
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der Freunde und die Liebe der Feinde zu erkennen – und dies sind doch
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gleichwol die stärksten Elemente unsers Schicksals –
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Nun mein lieber Hartknoch! ich glaube nunmehr mehr geschrieben zu haben
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als Sie im Stande seyn werden zu lesen und zu verstehen; weil ich nur die
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äußersten Ende
n
meiner innigsten Gedanken und Gesinnungen, die mich wie
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ein dicker Nebel unterdrücken habe berühren können – und mich selbst ein
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wenig zu erleichtern gesucht habe. Ich umarme Sie auf das herzlichste für
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schleunige Befriedigung meiner Wünsche, da ich es am wenigsten vermuthen
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besten Hälfte
Albertine Hartknoch
war und es am nöthigsten hatte. Empfehlen Sie mich Ihrer besten Hälfte,
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und wirthschafften
s
Sie gut mit Ihrer Liebe und Zärtlichkeit, damit etwas
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übrig bleibt, wenn die Jahre kommen, wo man weder sich noch andern mehr
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gefällt. Meine Gänse- Schwan- und Rabenfedern sind alle stumpf und ich
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habe gegenwärtiges mit meiner Trappen-Feder geschrieben – der erste Versuch
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den ich in meinem Leben gemacht habe. Vielleicht kann auch dieser äußere
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Umstand etwas zur Entschuldigung des Innhalts beytragen. Leben Sie wohl
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und glücklich – biß wie lange? Ohne neuen Anlaß werde im alten Jahr kaum
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mehr schreiben können. Mein Paarchen schläft schon; ich danke im Namen der
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Mutter und warte nächstens der guten Dinge das Dritte. Amen!
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Adresse mit Mundlackrest:
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An / meinen Freund Hartknoch /
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 99–103.
ZH III 115–117, Nr. 417.