414
            
        108/29
Kgsberg den 4 
Octobr.
 74.
30
Mein liebster Herder! 
31
Nachricht
HKB 412
 Erstgebornen
Wilhelm Christian Gottfried Herder
  Ich habe die Nachricht von Ihrem Erstgebornen den 21 
Sept.
 erhalten und 
32
Einlage nach Morungen und Riga
 an Herders Schwester 
Catharina Dorothea Güldenhorn
 und an 
Johann Friedrich Hartknoch
, vgl. 
HKB 413 ( III 107/17 ) Einlage nach 
Morungen
 und Riga sogl. befördert. Heute komme des Abends 
33
im Schummer von meiner sauren Tages Arbeit zu Hause, mit wüstem Kopf 
S. 109
Brief …
 Hamann öffnete versehentlich den Brief von Hartknoch an Herder, 28.9.1774 
(Düntzer [Hg.], 
Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlaß
. Leipzig 1761, Bd. II, S. 65f.)
; vgl. auch 
HKB 416 ( III 112/7 ) und blindgeschriebnen Augen zu Hause und finde einen Brief und großes 
2
HE Laval
Jean Claude Laval
 Billet
 auf mich 
h
warten
. Meine Leute bestellten mir etwas vom HE 
Laval
 das 
3
ich nicht verstand auch nicht einmal hörte. Weil ich Hartknochs Hand erkannte, 
4
und Ihre Einlage begleitet hatte, so freute ich mich über eine so 
promte
5
Antwort und riß was ich konnte – denn sie wehrte sich wie ein Mädchen, und der 
6
Wiederstand hatte seinen Sinn – bis ich ihn erbrach. Das Eingeweide fiel mir 
7
gleich in die Augen. Meine Verwunderung war so merklich, daß mir meine 
8
Hausmutter
Anna Regina Schumacher
 Hausmutter wiederholentlich zurief: Der Brief wird nicht an Sie seyn – und 
9
ohne noch Unrath zu merken, kehrte ich den Brief im Fluchen um, ohne noch 
10
den Augenblick Ihren Namen darauf zu vermuthen, laß ich ihn mit 
11
aufgesperrten Augen statt des Mondscheins – denn wir haben erst morgen Neulicht. 
12
große Billet
 nicht überliefert 
Quid pro quo
 dt. Verwechslung 
Das große 
Billet
 war aber ein noch ärgeres 
Quid pro quo
 und betrifft 
13
rth
 Reichstaler, eine im ganzen dt-sprachigen Raum übliche Silbermünze, entspricht 24 Silbergroschen (Groschen: Silbermünze [ca. 24. Teil eines Talers] oder Kupfermünze [ca. 90. Teil eines Talers]; in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch). 
1000 rth die ein Mann den ich kaum von Ansehn recht kenne, wegen meiner 
14
sunt ipsissima verba
 dt. völlig die eigenen Worte 
edeln Denkungs Art
 (
sunt ipsissima verba
) von mir auf einen Wechsel 
à
15
6 
pro C
% in 12 Monathen zahlbar borgen wollte. Dieser sonderbare 
16
Umstand nöthigte mich noch stehenden Fußes nach der Stadt zu laufen, aber 
17
unverrichteter Sachen. 
18
Nachdem ich mich über die Ebentheuer des heutigen Abends ausgeärgert 
19
hatte, überfiel mich ein sanftes Lächeln, so sanft wie ein Schlummer des 
20
müden Wanderers und ungeachtet meiner 
edeln Denkungsart
 wandelte 
21
mich eine Lüsternheit an des verliebten Verlegers Briefchen an seinen Busen 
22
Autor und Freund von Anfang bis zu Ende – zum 
Dessert
 meines 
23
Herr Consistorial-Rath
 Herder 
Abendbrodts zu machen. Ich hoffe, lieber Herr Consistorial-Rath! daß Ihre 
24
Absolution so aufrichtig als meine Beichte seyn wird und daß ich einiger 
25
Gegenvertraulichkeit werth sey, da ich im 
Finanz
-Wesen nicht gantz unerfahren bin, 
26
wie Sie aus dem 
Ecce!
 des 
Sauvage du Nord
 errathen können, und daß ich 
27
loco communi
 dt. Gemeinplatz 
in diesem 
loco communi
 ein so versuchter Hoherpriester bin als der liebe 
28
Consistorial Rath zu Bückeburg, und daß – und daß – – – und daß ich, wie 
29
Berens
Georg Berens
; Hartknoch sandte mit seinem Brief an Herder (28.9.1774) einen Wechsel von Georg Berens an Herder 
ein leiblicher 
Berens
, über diesen Punct denke und gesinnt bin. Mehr hab ich 
30
nicht nöthig anzuführen, um mich wegen des unvorsetzlichen Einbruches und 
31
vorsetzlichen Antheils am Innhalte zu entschuldigen. 
32
Der 
Passus
 Ihrer Verpflanzung hat mich am meisten 
interessirt;
 und 
33
erlauben Sie mir, liebster Herder Ihnen so viel ich kann mein Herz darüber 
34
Hartm.
Gottlob David Hartmann
; vgl. 
Hartknoch an Herder, 28.9.1774 (Düntzer [Hg.], 
Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlaß
. Leipzig 1761, Bd. II, S. 65f.):
 „Du hast an Sulzer keinen Freund, wie ich aus seinem Briefe an Hartmann sehe, und das durch die Provincialblätter. Er schließt auf deinen Charakter durch Deine unverständlichen Briefe an Spalding und diese Schrift, und schließ damit, daß, wenn dieser auch unentschieden bliebe, doch der Academie mit so einem Manne, wie Du, wenig gedient wäre, den der Gelehrte selbst kaum oder gar nicht verstünde; Du hättest eine wilde Phantasie. Sulzer gilt alles beim Herzoge, und also wird das schwer gehn. Hartmann wird indeß alles thun; wenn er nur mehr gölte, und in seiner Enthusiasterei und Unbesonnenheit nicht manchen Streich schon hätte auslaufen lassen! Laß dir von diesem allem indeß nichts merken. Hartmann wies mir diesen Brief im höchsten Vertrauen.“ 
auszuschütten. Durch Hartm. ist wol nichts abzusehen, und ich möchte Sie 
35
gegenwärtig mehr ab- als zurathen, sich in einige Unterhandlungen 
36
einzulaßen; so sehr ich Sie auch wünschte näher hier zu sehen und in einer beßern 
37
Lage für Ihren Geschmack. 
S. 110
Ich war willens zu schließen, hab mich aber anders bedacht und will wieder 
2
lucubriren
 nächtliches Studium 
meine Gewohnheit fortfahren an Sie zu 
lucu
briren und bey Licht fortfahren 
3
zu schreiben; da ich ohnehin bey Tage leider! keine Zeit mehr übrig habe. Wir 
4
Stockmar
Carl Christoph Stockmar
   haben einen deutschen 
Director,
 Namens 
Stockmar
,
 einen gebornen 
5
Vater Hofmaler
 Johann Georg Stockmar (gest. 1759), Hofmaler in Darmstadt 
Darmstädter, deßen Vater 
Hofmaler
 seyn soll 
dort
. (Wenn Sie mir etwas von 
6
ihm melden können, wird es mir lieb seyn.) An statt zu übersetzen, muß ich 
7
jetzt ein 
expedi
render
Copist
 seyn; und Sie können leicht denken, wie mir 
8
bey einer solchen Arbeit zu Muthe ist. Dies sey zu Ihrem Troste geschrieben. 
9
Unerachtet ich also in meinen gantzen litterarischen Entwürfen unterbrochen 
10
Versuch über die Ehe
Hamann, 
 Versuch einer Sibylle über die Ehe
bin, arbeite ich doch in verlornen Augenblicken an einem 
Versuch über die 
11
Ehe
, den Hartknoch als ein Denkmal auf seine Hochzeit verlegen soll. Wenn 
12
Sterling
 gediegen 
er auch nur einen Bogen beträgt: so soll er 
Sterling
 seyn, wie ich hoffe und 
13
wünsche, und trachte. 
14
Da Ihre 
Autorschaft
 einen wirklichen Einfluß in Ihr 
Schicksal
 zu haben 
15
scheint, liebster Herder! so machen Sie Ihre Ueberlegungen. Meine Ungedult 
16
die beyde 
Corpora delicti
 zu sehen wird dadurch erhöht, und ihr eigen 
17
Gewißen macht Ihnen Vorwürfe, die ganz gerecht sind, und die ich nicht nöthig 
18
habe – als zu seiner Zeit, zu rügen. Ich 
wünsche
 z. E. eben so sehr wie Sie, 
19
Michaelis aus der Urkunde
 die ausführliche Kritik an 
Johann David Michaelis
 in 
Herder, 
Aelteste Urkunde
, vgl. 
HKB 412 ( III 106/16 ) daß der gantze Michaelis aus der Urkunde ausgestrichen wäre u. s. w. Aber 
20
Palingenesie
 Wiedergeburt, auch Seelenwanderung  
daß durch neue Ausgaben keine Palingenesie möglich ist, haben Sie schon 
21
Fragmenten
Herder, 
Fragmente über die neuere Deutsche Literatur
, deren überarbeitete Fortsetzung Herder wegen der negativen Kritiken aufgegeben hatte 
Et ab hoste consilium
Ov. 
met.
 4,428: „Fas est et ab hoste doceri“, dt. „auch vom Feinde Rat annehmen“. 
Sulzers Wink
Johann Georg Sulzer
; vgl. 
Hartknoch an Herder, 28.9.1774 (Düntzer [Hg.], 
Ungedruckte Briefe aus Herders Nachlaß
. Leipzig 1761, Bd. II, S. 66):
 referiert Sulzers Urteil über Herder: „Du hättest eine wilde Phantasie.“ 
selbst an den Fragmenten erlebt. 
Et ab hoste consilium
 – Also Sulzers Wink 
22
gegen die Phantasie auf Ihrer Hut zu seyn ist aller Ehren werth. Ich kenne 
23
Scyllam und Charybdin
 zwischen Skylla und Charybdis: ausweglose Wahl zwischen zwei Übeln 
leider! jene 
Scyllam
 und 
Charybdin
 an denen Sie Gefahr laufen zu 
24
scheitern. 
25
Prolegomenis des Zacchaei
Hamann, 
Prolegomena
; Hamann kündigte sie Herder gegenüber bereits an (vgl. 
HKB 408 ( III 97/14 )), ihr Druck bei Bode verzögerte sich aber (vgl. 
HKB 418 ( III 117/26 )) 
Daher war ich so vorläufig mit den 
Prolegomenis
 des 
Zacchaei
 und wollte 
26
allen Zeitungsschreibern zuvorkommen. Wenn sie ja noch erscheinen werden; 
27
so weiß ich gar nicht mehr, was ich 
selbst
 oder das Publicum dazu sagen 
28
werden, und einer der besten und grösten Autorplane ist verhudelt. Dem allen 
29
Tant mieux!
 dt. So viel besser! 
ohngeachtet denk ich in 
petto: Tant mieux!
 Denn wo soll ich jetzt die Zeit 
30
hernehmen Ideen zu hegen und auszubrüten. 
31
Ist jemand der die 
Vaterfreuden
 lebhafter kennt; so ist es Ihr Freund. 
32
Aber mit welcher Furcht und Zittern ich selbige genüße, weiß niemand beßer 
33
als Er! Wie unmöglich ist bey diesem süßen Wein mäßig zu seyn; und welch 
34
köpfender Rausch! 
35
Wilhelm Christian Gottfried
Wilhelm Christian Gottfried Herder
  Ungeachtet Sie mich nicht zu Ihrem 
Wilhelm Christian Gottfried
 zu 
36
Gevatter und zum Kindelbier gebeten haben: so wünsch ich ihn doch, daß er 
37
in seines 
Oncle,
Christian
Zacchaeus Telonarcha
 Fußstapfen treten 
möge
S. 111
Festina lente
 dt. Eile mit Weile 
Mst
 Manuskript 
und sein 
Festina lente
 übertreffen 
möge;
 der flugs im 
Mst
 fertig war und 
2
nunmehr seit einem halben Jahr unter der Preße zaudert. Mein nächster soll 
3
ein Gevatterbrief seyn an den 
Vater
 oder die 
Mutter
 in Bückeburg. Gott 
4
erfülle unsere besten Wünsche, und diese mögen nichts anders seyn als 
s
5
Sein guter gnädiger Wille. Meine beyden Kinder sind am Flußfieber krank! 
6
So bebt ein Geitzhals oder der Dieb eines Schatzes im Topf und empfiehlt 
7
Fidei
 röm. Personifikation des Vertrauens 
ihn der Göttin 
Fidei!
 Gute Nacht Der Wächter schnarrt eilf!
Provenienz
 Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 110. 
Bisherige Drucke
 Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 93–97.
 ZH III 108–111, Nr. 414. 
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
                geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
                vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
                vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
                Quellen verifiziert werden konnten.
            | 
                                 109/2                              | 
                            
                                
                                     h warten ]
                                
                             | 
                            
                                   Geändert nach der Handschrift; ZH:  warten  | 
                        
| 
                                 110/5                              | 
                            
                                
                                     dort  | 
                            
                                   Geändert nach der Handschrift; ZH:  dort  | 
                        
| 
                                 110/18                              | 
                            
                                
                                     wünsche  | 
                            
                                   Geändert nach der Handschrift; ZH:  wünsche  | 
                        
| 
                                 110/27                              | 
                            
                                
                                     selbst ]
                                
                             | 
                            
                                   Geändert nach der Handschrift; ZH:  selbst  | 
                        
| 
                                 111/1                              | 
                            
                                
                                     möge; ]
                                
                             | 
                            
                                   Geändert nach der Handschrift; ZH:  möge,  |