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56/25
Kgsberg den 21
Aug.
773.

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Liebster Consistorialrath, und Freund Herder.

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HE.
Dir. Kanter
überbrachte mir Ihren letzten Brief
sine die et consule,

28
da ich eben an einer hypochondrisch politischen Plage bettlägericht war. Er

29
hat mir heilig versprochen Ihre Einlagen gehörig zu besorgen und heute

30
versichert, daß es geschehen.

31
Ich habe Ihnen bereits den 19
huj.
geantwortet, dies Geschmier aber

32
zurückgenommen, weil es nicht abgegangen. Gegenwärtiges wird nicht beßer

33
gerathen, weil mir der Kopf, wie man hier zu Lande sagt, gewaltig mit Grundeise

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geht. Auf allen Fall bleib ich Ihnen 2 Antworten schuldig auf jene Knittelverse

35
à la
Hans Sachsen und Ihr letztes einseitiges
Qvartblättchen

S. 57
Sie können leicht denken, daß ich auf Ihre gewesene
Mlle
Flachsland eben

2
nicht sonderlich zu sprechen bin, und daß ich die Parthie aller der reichen,

3
witzigen und galanten Mädchen nehme, die durch
Ihre
der ersteren Wahl

4
zur Consistorialräthin Herdern nunmehro ausgeschloßen worden. Dieser

5
Qverstrich durch mein Testament ist eine Sache, die ich nicht so leicht werde

6
verschmertzen können. Doch hievon mündlich mehr,
si Diis placet.

7
Mein alter Verleger u Gevatter hat mich inständigst ersucht Sie zu

8
Beyträgen oder Beylagen seiner Zeitung aufzumuntern, auch wo es mögl. wäre

9
zu einem Wochenblatt. Er mag hierüber selbst reden und seine Bedingungen

10
machen. Wenn Sie sich hiezu entschließen könnten, würde mir ein großer

11
Gefallen geschehn, aus bloßer Rücksicht für unser gemeinschaftlich

12
Vaterland. Ich kann auch dem Mann das Zeugnis geben, daß ich ihm unter dreyen

13
oder 4 seines Handwerks das Beste gönne und daß er
gülden
ist, wenn ich

14
alle übrigen für ärger als
Bley
kennen gelernt habe. Bey meiner

15
gegenwärtigen Lage kann
ich ihn gar nicht brauchen und er mich eben so wenig.

16
Antworten Sie uns doch bald etwas
catego
risches auf diesen Punct. – Die

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fliegenden Blätter von
deutscher Art und Kunst
haben mir in eine Nacht

18
Eingriff gethan, wieder alle meine gegenwärtige Gewohnheit. Ist nicht das

19
Meiste von Ihnen? selbst das Stück von
deutscher Bauart
? Bezeichnen Sie

20
mir doch was Ihnen, und
wem
das
übrige gehört.

21
Der Uebersetzer des Klinkers ist mir ein sehr schätzbarer Mann. Ich werde

22
seinen Shandy etwas mehr als lesen; aber habe keinen Einfluß mehr in die

23
Stimme des hiesigen
Publici

24
Der Titel zu Klopstocks
Subscription
s Versuch hat all mein Blut in

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Wallung gebracht noch eh ich das
Compliment
an mich in seinem Briefe an den

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Hofprediger
Lindner
gelesen habe. Ich bin der erste gewesen, der

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unterschrieben, ein Büchlein dazu gekauft und auf Werbung ausgegangen bin. Diese

28
Idee ist eines Klopst. würdig, sie mag von ihm behandelt werden, wie sie

29
wolle.

30
Den
Wood
hatte nach Durchlaufung der Vorrede zurückgelegt um ihn zu

31
behalten und ihn bey Gelegenheit zu lesen, wenn ich etwas finden würde,

32
um
ihm einen Band zu geben. Ihr Wink hat mich neugierig gemacht ihn

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bis auf die Hälfte durchzugehen. Ich habe aber mehr Aufschluß über das

34
Originalgenie in ihm gefunden als im gantzen
Duff.

35
Oesfeld
und
Leßing
sind ein paar gute Gewährmänner für des Geistl. in

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Schwaben Urtheil. Unter den häufigen Druckfehlern werden Sie das
Schleich

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Saltz
(ein bey den jetzigen Zeiten hier sehr bedeutendes Wort) des
Plautus

S. 58
von selbst verstanden haben. Man hat hier einen
Schleichsatz
des
Paulus

2
daraus gemacht. Ohne anderer Kleinigkeiten zu gedenken soll es
p.
23.

3
anstatt Meßruthe Meß
tischel
heißen pp

4
Vergeben Sie mir, liebster Freund, daß ich abbrechen und heute noch kürzer

5
seyn muß, als ich vorgestern geschrieben habe. Ich weiß nicht, was mir fehlt:

6
so ist mir zu Muthe. – –

7
Neben meiner
No
758 am alten Graben hat seit 8 Tagen die Kgl.
octroyi
rte

8
Saltz- und See Handlungs
Compagnie
ihren Sitz genommen. Das Schild

9
hängt schon aus und eine Schildwache wird nächste Woche auch erscheinen.

10
O Tempora!
– – Mein Häuschen wird wol ein
Appartimentum
des

11
Leviathans werden. Diesen Augenblick ging die Bande oder Rotte mein Fenster

12
vorbey! – –

13
O Apoll! nur so viel Licht, daß ich Luft schöpfen kann – Unter diesen

14
Dithyramben oder Hieroglyphen ist es Zeit Sie zu umarmen und mich Ihrer

15
und Carolinchens Freundschaft, so gut ich kann, zu empfehlen. Leben Sie

16
glücklich und zufrieden bis aufs Widersehen.

17
Hamann.


18
Einem Briefe von
D. Büsching
zu folge und einem zweiten aus Berl. an

19
ein
hiesiges
berlinsches
Frauenzimmer, das hier
accouchi
ren
so
will,

20
soll der neue Apologist den Verlust der herrlichsten Pfründe in

21
Charlottenburg durch das
Pasquil
des schwäbischen Nachrichters
Fra Plato
verloren

22
haben.
Credat Iudaeus Apella.
Haben Sie denn den M. Sebaldus Nothanker

23
nicht gelesen, daß Sie mir nicht ein Wort von ihm schreiben. Wie lächerlich ist

24
unsere Erwartung gewesen. Im geographisch-historischen Wochenblättchen u

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dem deutschen Mercur ist er angenehm gestriegelt worden, wie natürlich;

26
mulus mulum
– für meines
Hänschen
Kram ist dies Buch nicht gewesen.

27
Lieschen
hat sich ein Kurzweil damit gemacht. Der Einfall ist so drollicht,

28
daß die Ausführung nicht beßer wie sie ist hat gerathen können. Eine

29
Antwort
pro M. Coelio,
der sich selbst
wiederlegt
und
abstrafen
muß. Stellen

30
Sie sich einmal vor, durch was
Künsteleyen
und
Schnörkel
drey so

31
entgegengesetzte und schwere Plane sich in einem flüchtigen Bogen durcharbeiten

32
und durchkreutzen müßen bis zur infamsten
Persiflage.
Wenn der
Hexe
zu

33
Kadmonbor
kein
Proceß
gemacht werden wird: so giebt es in unserm

34
Jahrhundert kein höllisches Feuer mehr – Aber kein
Amanuensis
in gantz Norden,

35
der dies glühende Eisen anfaßen will. Ich habe nach Ihren Gegenden

36
geschrieben u heute den 21sten Tag umsonst eine Antwort erwartet.
Nous

37
verrons
– –

S. 59
Die
Lettre perdue d’un Sauvage du Nord à un Financier de Pekim
ist

2
anstatt zur Ostermeße erst mit diesem Monath jung geworden und hält die

3
Quarantaine
bis auf näheren Bescheid, ob sie Erlaubnis haben soll zu

4
erscheinen. Kurz ich komme mit meinen Handlangern nicht vom Fleck. Was aus

5
Henrich
Schröders, des berühmten Schullehrers mit einem Auge in der

6
Weißgerbergaße, außerordentl. Betrachtungen über die Orthographie endlich

7
werden wird, bin ich gar nicht im Stande abzusehen. Soll man bey solchem

8
Hauskreutz
nicht hypochondrisch und melancholisch werden – ohne ein

9
Carolinchen zu haben, die einem den Schweiß der Nase mit einem baumwollnen

10
oder seidnen Tuch abwischt, ja warum nicht gar abküßt!


11
Wer schreibt die Frankfurter Zeitung? Haben Sie auch sonst einigen

12
Antheil daran gehabt? Die Lemgosche Bibliothek hat mich mit ihr bekannt

13
gemacht.


14
Den 24
Augst.

15
Vergeßen Sie nicht mit den Reliquien Ihres Geburtstages den meinigen

16
zu feyren.

17
Weil mein Brief schwerl. weggegangen seyn wird: so werd ich zufällig

18
veranlaßt noch eine kleine Nachschrift zu machen. Ich bin mit
Wood
heut zu

19
Ende gekommen. Es hat mir nicht gereut ihn zum Behalten ausgesucht und

20
ihn früher, als ich willens war, gelesen zu haben. Im gantzen betrachtet

21
unterschreib ich Ihr Urtheil, daß er ein
feiner
Herr
ist.

22
Was mich aber zu diesem Anhang treibt ist eine andere Schrift. Sie wißen

23
das Testament des Akens über die Theorie der Opfer. Ich hab in Curland

24
2mal angesetzt ihn zu lesen ohne den Mann verstehen zu können. Ihr Urtheil

25
fiel darauf hinaus, daß dies seine
Eclipse
wäre. Ich bin meinem
επεχειν

26
treu geblieben u habe dies Büchlein niemals aus meinem Sinn verloren.

27
So viel ich mich besinnen kann, gab dieser Bischoff 2 Schriften über diese

28
Materie heraus. Dies ist mir so lebhaft im Gemüthe, daß ich mich nicht

29
überreden kann hierinnen mich zu irren. Ich habe Hintz die
Commission
gegeben

30
mir diese beyde sich auf einander beziehende Schriften
mir
zu besorgen. Er

31
hat mir nichts als eine auftreiben können die den Titel führt: Christliche

32
Briefe, über die Theorie der Opfer Stralsund bey Gottl. August Lange 767.

33
Ich habe heute sehr zufällig den Anfang gemacht sie zu lesen und 4 Briefe

34
absolvi
rt. In der Voraussetzung daß noch
etwas
dazu gehört, hat sie bisher

35
unter meinen ungebundenen Sachen gelegen. Können Sie mir nicht darüber,

36
liebster Herder, eine zuverläßige und
positi
ve Erklärung verschaffen, ob nicht

37
zu diesen Briefen noch ein ander Buch gehört und wenn Sie selbiges haben,

S. 60
bitte mir den Titel davon
in extenso
herzusetzen. Ungeachtet der Dunkelheit,

2
die ich noch immer in der Meistersprache dieses Autors
sehe
hab ich eine

3
unauslöschl. Begierde diese Ideen tiefer einzusehen, die mich an meine
Origines

4
wieder erinnern. Der Mann hat sich gewiß verstanden und in seiner

5
Schreibart ist nichts
affectir
tes – und es schmeckt mehr nach der Reise als nach der

6
Schwäche des Alters. Ich bin immer davon
implicite
überzeugt gewesen –

7
Melden Sie mir doch, oder wißen Sie mir ein Buch anzuweisen, wo ich das

8
Leben dieses Autors finden kann. Für Hamberger ist er zu alt. Beruhigen Sie

9
mich doch sobald Sie können über diese Kleinigkeit, die mir recht sehr am

10
Herzen liegt. Der vor mir liegenden Schrift ist es nicht einmal für mich

11
bisher recht anzusehen, ob es die erste oder zweite ist. Sollte ich mich irren in

12
einem
facto,
das mir so deutl. vorzuschweben scheint; und sollte der Irrthum

13
daher entstanden seyn daß ich daßelbe Buch 2mal zu lesen den Ansatz gemacht

14
ohne damit fertig werden zu können. Beruhigen Sie mich doch über meine

15
doppelte Scrupel – Leben Sie wohl.

16
Der Layenbruder ist den 17
h.
durchgegangen nach S. Petersburg – hat

17
sich im Gasthause doch nach mir erkundigt. Ich habe an ihn geschrieben den

18
22 – Vielleicht ist er ein
Mittler
uns zu nähern einander.

19
Gute Nacht, Frau Consistorialräthin! und hiemit Gott empfohlen.


20
Auf der Adressseite Vermerk von Hamann:

21
Der Layenbruder ist diese Woche nach Petersburg hier durchgegangen ohne sich um sein Gemächte,

22
den
Magum
von Norden bekümmert zu haben.

23
Wißen Sie nicht wer
Mr.
G. ist im Deutschen Mercurio?


24
Adresse:

25
An / meinen Freund, / Herrn Consistorial Rath / Herder / zu /
Bückeburg.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 93–95.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 42–44.

ZH III 56–60, Nr. 393.