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46/10
Erhalten-Vermerk von Nicolai:
11
1773. 19.
Jun.
/ 27
Sept
bean. /
Hamann.
12
Kgsberg den 7
Junii
73.
13
HöchstzuEhrender Herr und Freund
14
Ein starkes Flußfieber, das endlich in ein 3tägiges ausschlug –
vapeurs
15
gleich den Wolken, die nach dem Regen wiederkommen – meine
lectiones
16
cursoriae
im
Xenophon,
womit ich Gottlob! vorige Woche fertig geworden –
17
und mancherley Kleinigkeiten mehr haben mich bisher verhindert Ihnen zu
18
melden, daß ich den 2 May das angenehme Andenken Ihrer Freundschaft
19
und Aufmerksamkeit für mich nebst Dero Zuschrift vom 26
April
mit viel
20
Vergnügen erhalten habe.
21
Den M. Sebaldus habe schon 2 mal gelesen und gegenwärtig einem guten
22
Freunde geliehen, bin also
sine libro
nach dem Sprichwort – auch überhaupt
23
der alten musicalischen Regel noch treu mit dem
Ende
den
Ton
des
gantzen
24
Stücks
abzuwarten. Der poetische Erfindungsgeist des Herausgebers
25
schimmert bey der flüßigen
Simplicität
des historischen und
recitati
vischen Styls
26
mir desto stärker in die Augen. Ich zweifele nicht nur, sondern bin auch
27
Stock
- und
Damm
-ungläubig an allen den geschriebenen Urkunden, auf die
28
Sie sich mit einer so ehrlichen Mine beziehen. Als ein Mann von Einfluß
29
und Politick werden Sie längstens die Vorsicht gebraucht haben den HE von
30
Thümmel zu bestechen, um nichts von den Familiengeheimnißen der
31
Wilhelmine zu verrathen, die niemand beßer als er wißen kann. Ja, wenn sich
32
auch der Geist der verklärten Wilhelmine durch Beschwörungen und
voces
33
sacras
herauf oder herunter locken ließe: so würde doch der bloße
eiserne
34
dithyrambische ihr unerhörter Name von
Frau Magister Nothankerinn
35
ihre
elect
rische Erscheinung verscheuchen –
sed vetant leges Iouis!
36
Wie ist es in aller Welt möglich, daß
solche
und
solche
Meinungen in dem
S. 47
Herzen eines so durchtriebenen Crusianers und Bengelisten als Ihr M.
2
Sebaldus den Documenten zu folge gewesen seyn soll, haben wurzeln können.
3
Ich will aber HöchstzuEhrender Herr! aus Freundschaft
fidem implicitam
4
jedem Verdachte vorziehen, daß Sie uns irgend eine Uebersetzung von
5
Memoires pour servir à l’
histoire
année courante de l’Allemagne litteraire
6
untergeschoben haben.
7
Dem sey wie ihm wolle, so wünschte ich den
statum causae
zwischen den
8
Lords und ihrem
Mr. Amanuensis
noch tiefer in der Folge fortgesetzt und
9
entwickelt zu sehen; denn wer ist hiezu tüchtiger als mein Freund Nicolai in
10
Berlin, der in der Theorie und Practick des Handels so wol als in den
11
Geheimnißen der deutschen Autorwelt und Autorschaft ein
Rupertus expertus
12
in gradu superlatiuo
seyn muß.
13
Was denken Sie von – und was sagen Sie
zu –
dem apokryphischen
14
Versuche einer Schrift auf Subscription über die Möglichkeit, daß die Gelehrten
15
Eigenthümer ihrer Schriften werden? –
16
Aber um Vergebung, mein Herr! Sie sind mir würklich ein wunderbarer
17
Mann, aus dem man gar nicht klug werden kann. Einem ex-chinesischen
18
Betrüger thun Sie die Ehre an ihm in einem gedruckten Sendschreiben für
19
ein
Mst.
von 4 Bogen zu danken; und mir antworten Sie keine Sylbe auf
20
meine treuherzige und uneigennützige Anerbietung einer Handschrift, die ich
21
so bald ich Lust dazu bekäme in 4 kleinen Octavbändchen nach dem neuesten
22
Fuß auszumüntzen im Stande bin –
23
Sehen Sie nicht offenbar, daß ich das von andern umsonst gesuchte
24
Geheimnis ein Eigenthümer seiner gelehrten
Arbeiten und
operum
Werke,
25
selbst trotz ihrer
Cession
und Entäußerung zu seyn und zu bleiben, wirklich
26
besitze. W. Z. E.
27
Doch bin ich Ihnen nicht gut dafür, daß Sie nicht
nolens volens
28
Eigenthümer des
opusculi en question
zu seiner Zeit werden und
ich
daß nicht
29
noch mein Name die Ehre haben sollte auf der Rolle Ihrer Fabricanten
30
einmal
immatricul
irt zu werden. V. R. W.
31
Damit ich nicht andern predige und selbst verwerflich werde, eile ich zur
32
Beantwortung Ihrer werthen Zuschrift vom 26
April.
33
Was meynen Sie mit Ihrer Fabel vom Storch und Fuchs? Ohngeachtet
34
ich meine Zeit weiß; so hab ich es mir noch niemals gelüsten laßen Füchse zu
35
fangen. Ich dächte, Sie hätten
Wind
gnug von den philosophischen Einfällen
36
und Zweifeln gehört, daß ich nicht nöthig hatte die
Historiam
dieser
37
animalium
noch
gemeiner
zu machen, als sie leider! geworden ist. Wenige Lords
S. 48
sind so glückseelig als mein Gönner, Herr Nicolai, der keinen
amanuensem
2
braucht, sondern beyde Naturen des Herrn und Dieners in einer Person führt,
3
ein wahrer
autocrator
gleich dem Rußischen Adler – Nur Schade, daß er
4
seines Glaubens ein
Herodianer
– und oben ein
ein
der bitterste Verfolger
5
der
armer
Crusianer
und
Bengelisten
ist.
6
Um Sie HöchstzuEhrender Herr zu überführen, daß Sie mit einem
7
plaindealer
in Geschäften zu thun haben: so war freylich das gantze Ideal eine
8
Elegie
im höheren Chor über 5 rth, die mir die leidige
Arithmetique politique
9
von einem kümmerlichen monathl. Gehalt entzogen, dafür ich 6 Jahr wie ein
10
Galeeren Sclave, ja ärger als Lucians Charon geplagt worden bin –
Quel
11
bruit pour une omelette!
werden Sie vielleicht mit jenem starken Geist sagen.
12
Ich muß Ihnen freylich
die Ehre haben zu
erwiedern, daß ich gegenwärtig
13
dafür desto mehr Ruhe und Muße, wiewol nicht die
edelste
, zu genießen habe,
14
und so empfindlich mir auch ein so kleiner Verlust unter gewißen Umständen
15
gewesen ist und noch seyn muß, versprech ich Ihnen doch denselben
16
geschwinder zu vergeßen als Ihro HochwolEhrwürden jene gottliche Rechenkunst eines
17
Dorfpredigers, der kein M. Sebaldus Nothanker gewesen seyn muß. –
18
Das
Worte
Zweiß
scheint mir mit dem Wort Zwist nahe verwandt zu seyn;
19
ich hatte es mit dem
diuerbium
der Römer schon verglichen, ohne aber meiner
20
Sachen gewiß zu seyn.
21
Bey dem Kernwort
winzig
, das nicht recht nach meinem Gaumen ist, fällt
22
mir eine kleine
Anecdote
ein. Ein guter Freund von uns beyden bekam
23
einmal den Auftrag Leipziger Lerchen für einen hiesigen
Club
zu besorgen. Er
24
schickte welche, die von einigen Spaßvögeln für Leipziger Sperlinge erklärt
25
wurden.
Weil
Wiewol
ich kein Gast irgend einiger
Club
bin, und es daher auch
26
damals nicht gewesen: so zweifele ich doch, daß ein Freund von uns beyden
27
eines solchen
Autor-
und Verlegerstreiches fähig seyn sollte und bin daher
28
geneigter zu vermuthen, daß es
winzige Leipziger Lerchen
gewesen.
29
Unser HE
Lotterie Director Kanter
ist noch nicht hier. Ich weiß also nicht,
30
ob ich durch Ihre gütige Vorsorge
Dictionnaire des Finances
erhalten werde,
31
welches mir um so viel lieber jetzt wäre, da ich in der letzten Ziehung der
32
letzten Hannoverschen Lotterie 100 rth in Golde gewonnen und also mit viel
33
Gemächlichkeit meine Jahres Rechnung im Kanterschen Buchladen, auf die
34
ich schon 4 Wochen u länger warte sogleich abzutragen willens bin, als die
35
einzige
und
letzte
Schuld, die mir noch auf dem Herzen liegt. Sonst weiß
36
ich Gott Lob! keinen einzigen, dem ich noch was schuldig wäre oder bishero
37
geblieben
wäre
–
seyn sollte als
S. 49
ich weis aber nicht wieviel für ein grobes Brief
porto
einem Freunde, der
2
mir
heu! heu!
in der Blüthe
abgestorben
. Der Himmel, mit dem er in seinem
3
Leben sehr freygebig gewesen, erfreue ihn dafür in jener seel. Ewigkeit, die
4
nicht endlich seyn wird, gleich dem Feuer und Weinen der Verfluchten –
5
noch, ich weis aber auch nicht
wie
viel für
agio
an Golde unserm Israeliten
6
Mendelssohn. Wie sehr wünschte ich sein
Aesculap
zu seyn – Kinder machen,
7
Kinder machen, sagte mir ein großer
Financier
in
Pekim,
(und zwar dies
8
Wort war für mich gnug, wie oft Sie es unserm Patienten wiederholen
9
müßen, werden Sie beßer als ich wißen) „Kindermachen erschöpft die
10
animal
ische Haushaltung mehr als Predigen und Bücherschreiben“ – Wozu
11
bedient er sich nicht des mosaischen
beneficii
der Ribbe seines Leibes
einen
12
Scheidebrief zu geben – Statt eines
Hahnes
bleibt
E
er mir den Phädon
13
und den 3ten Theil der philosophischen Schriften schuldig. Grüßen Sie Ihn
14
statt des
Agio
in meinem Namen so oft Sie ihn sehen und sprechen, Morgens,
15
Mittags und Abends –
16
Das erste Meßbuch, wornach ich greifen werde, wird wol der systematische
17
und beredte
Abbé
aus Westphalen seyn. Gott gebe, daß er alle Landsleute des
18
Mien Man Hoam am Pranger stellen möge. Sie haben mit ihrem heil.
19
Confucius manchen
ehrl.
weisen Europäer geäfft und ihm eine Nase gedreht.
20
Die
Recherches
über die Amerikaner haben mich
s
mehr
gereizet
geküzelt
als
21
mich die Vorlesungen jenes
B
blinden Engl. über die
O
b
ptick
würden in
22
Erstaunen gesetzt haben.
23
Nun HochzuEhrender Herr! Dieser geschwätzige Brief ist gewiß ein
24
Vorbote meines herannahenden Alters. Die grauen Haare finden sich auch schon
25
an meinen Augenbrauen. An statt eines
fonte
nelleschen:
O Sparte! Sparte!
26
werd ich ehstens epigrammatisiren: O Athen! O Athen! – kein Goldwaßer!
27
keine Magentinctur! kein sokratischer Kelch des Heils! Wie übel, und weh
28
und See-siech!
29
O Nauis! referent in mare te noui
30
Fluctus? O! quid agis?
31
Sie werden keine Zeile mehr von mir sehen biß
beym
nach Empfang
32
Ihres zweyten Theils des M. S. Ich empfehle mich Ihrem Andenken als
33
Ihr aufrichtig ergebenster Freund und Diener
34
Hamann.
Ein Entwurf. Provenienz: Original verschollen. Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 64; gedruckt auch bei Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 54–58:
403/21
Kgsberg den 7 Junii 773.
22
H. H. und Freund,
23
Ein starkes Flußfieber, das endl. in ein 3tägiges ausschlug –
24
vapeurs,
gl. den Wolken, die nach dem Regen wiederkommen, – meine
25
lectiones cursoriae
im
Xenophon
, womit ich Gottlob! vorige Woche
26
fertig geworden bin – und mancherley Kleinigkeiten mehr haben mich
27
bisher verhindert Ihnen zu melden, daß ich den 2 May das
28
angenehme Andenken Ihrer Freundschaft und Aufmerksamkeit für mich
29
nebst Dero Zuschrift vom 26 April mit viel Vergnügen erhalten habe.
30
Den M. Seb. habe schon 2 mal gelesen und gegenwärtig einem
31
guten Freunde geliehen, bin also
sine libro
nach dem Sprichwort –
32
auch überhaupt der alten musicalischen Regel noch treu mit dem Ende
33
den Ton des gantzen Stücks abzuwarten. Der poetische
34
Erfindungsgeist des Herausgebers schimmert bey der flüßigen Simplicität des
35
historischen und
recitati
vischen Styls nur desto stärker in die Augen.
S. 404
Ich zweifele nicht nur, sondern bin auch Stock- und Damm-
2
ungläubig an allen den geschriebenen Urkunden, auf die Sie sich mit einer so
3
ehrlichen Miene beziehen. Als ein Mann von Einfluß und Politik
4
werden Sie längstens die Vorsicht gebraucht haben den Hf. v
5
Thümmel zu bestechen um nichts von den Familiengeheimnißen der Wilh.
6
zu verrathen, die niemand beßer als er wißen kann. Ja wenn sich
7
auch der Geist der verklärten Wilhelmine durch Beschwörungen und
8
voces sacras
herauf oder herunter locken ließe: so würde doch der bloße
9
eiserne dithyrambische Name von Frau Magister Nothankerin ihre
10
electrische Erscheinung verscheuchen –
sed vetant leges Iovis.
11
Wie ist es in aller Welt mögl. daß solche und solche Meinungen in
12
dem Herzen eines so durchtriebenen Crusianers und Bengelisten als
13
Ihr M. Seb. den Documenten zufolge gewesen seyn soll, haben
14
wurzeln können.
15
Ich will aber HochstzuEhrender Herr aus Freundschaft
fidem
16
explicatam
jedem Verdachte vorziehen daß Sie uns irgend eine
17
Übersetzung von
Memoires pour servir à l’histoire courante de l’Allemagne
18
litteraire
untergeschoben haben.
19
Dem sey wie ihm wolle so wünschte ich den
statum causae
zwischen
20
den Lords und ihrem
Mr. Amanuensis
noch tiefer in der Folge
21
fortgesetzt und entwickelt zu sehen; denn wer ist hiezu tüchtiger als mein
22
Freund Nicolai in Berlin, der in der Theorie und Practik des
23
Handels sowol als in den Geheimnißen der deutschen Autorwelt und
24
Autorschaft ein
Rupertus expertus in gradu superlatiuo
seyn muß.
25
Was denken Sie von – und was sagen Sie zu dem apokryphischen
26
Versuche eine Schrift auf Subscription über die Möglichkeit, daß die
27
Gelehrten Eigenthümer ihrer Schriften werden?
28
Aber um Vergebung, M. H. Sie sind mir wirklich ein wunderbarer
29
Mann, aus dem man gar nicht klug werden kann. Einem
30
ex-chinesischen Betrüger thun Sie die Ehre an ihm in einem
31
gedruckten Sendschreiben für ein
Mst
von 4 Bogen zu danken und mir
32
antworten Sie keine Sylbe auf meine treuherzige und uneigennützige
33
Anerbietung einer Handelsschrift, die ich sobald ich Lust dazu bekame
34
in 4 kleinen Octavbänden nach dem neuesten Fuß auszumüntzen im
35
stande bin. –
36
Sehen Sie nicht offenbar, daß ich das von andern umsonst gesuchte
S. 405
Geheimnis ein Eigenthümer seiner gelehrten
Arbeiten und
operum
2
Werke
selbst
trotz ihrer
Cession
und Entäußerung zu seyn u
3
zu bleiben, wirkl. besitze. W. Z. E.
4
Doch bin ich Ihnen nicht gut dafür daß Sie nicht
nolens volens
5
Eigenthümer des
Opusculi en question
zu seiner Zeit werden und
6
daß nicht auch mein Name die Ehre haben sollte auf der Rolle ihrer
7
Fabricanten
einmal
immatriculi
rt zu werden: V. R. W.
8
Damit ich nicht andern predige und selbst verwerfl. werde, eile ich
9
zur Beantwortung Ihrer werthen Zuschrift vom 26 April.
10
Was meynen Sie mit Ihrer Fabel vom Storch und Fuchs?
11
Ohngeachtet ich meine Zeit weiß: so hab ich es mir noch niemals gelüsten
12
laßen Füchse zu fangen. Ich dächte, Sie hatten Wind genug von den
13
philologischen Einfällen u Zweifeln gehört, daß ich nicht nöthig hätte
14
die
historiam
dieser
animalium
noch gemeiner zu machen, als sie
15
leider! geworden ist. Wenige Lords sind so glückseelig als mein
16
Gönner, HE Nicolai, der keinen
amanuensem
braucht sondern beyde
17
Naturen des HE u Dieners in einer Person führt, ein wahrer
18
Autocrator
gl. dem Rußischen Adler – Nur Schade, daß er seines
19
Glaubens ein Herodianer und oben ein der ärgste Verfolger armer
20
Crusianer und Bengelisten ist.
21
Um Sie H. H. zu überführen daß sie mit
plain-dealer
in
22
Geschäften zu thun haben so war freylich das gantze Ideal einer
Elegie
23
im höheren Chor über 5rth die mir die leidige
arithmetique politique
24
von meinem kümmerl. Monatl. Gehalt entzogen, dafür ich 6 Jahr
25
wie ein Galeeren Sclave je ärger als
Lucians
Charon geplagt
26
worden bin.
Quel bruit pour une omelette
: werden Sie mit jenem starken
27
Geist sagen. Ich muß Ihnen freyl erwiedern, daß ich gegenwärtig
28
dafür desto mehr Ruhe und Muße wiewol nicht die
edelste
zu
29
genießen habe, und so empfindlich mir auch ein so kleiner Verlust
30
unter gewißen Umständen gewesen ist und noch seyn muß, versprech
31
ich
doch
Ihnen doch denselben geschwinder zu vergeßen als Ihro
32
Hochwol-Ehrw. jene Göttl. Rechenkunst eines Dorfprediger, der kein
33
M. Sebaldus Nothanker gewesen seyn muß.
34
Das Wort Zweist scheint mir mit dem Worte Zwist nahe verwandt
35
zu seyn; ich hatte es mit dem
diuerbium
der Römer schon verglichen
36
ohne aber meiner Sachen gwiß zu seyn.
S. 406
Bey dem Kernwort winzig, das nicht recht nach meinem Gaumen
2
ist, fällt mir eine kleine
Anecdote
ein. Ein guter Freund von uns
3
beyden, bekam einmal den Auftrag Leipziger Lerchen für eine hiesige
4
Club zu besorgen. Er schickte welche, die von einigen Spaßvögeln für
5
Leipziger Sperlinge erklärt wurden. Wiewol ich kein Gast irgend einer
6
Club bin, und es daher auch damals nicht gewesen: so zweifele ich
7
doch daß ein Freund von uns beyden eines solchen Autor u Verleger
8
Streiches fähig seyn sollte und bin daher geneigter zu vermuthen,
9
daß es winzige Leipziger Lerchen gewesen.
10
Unser HE
Lotterie Director
K. ist noch nicht hier. Ich weiß also
11
nicht, ob ich durch Ihre gütige Vorsorge das
Dictionnaire des
12
Finances
erhalten werde, welches mir um so viel lieber jetzt wäre, da ich
13
in der letzten Ziehung der letzten Hannoverschen
Lotterie
100rth in
14
Golde gewonnen und also mit viel Gemächlichkeit meine
15
JahresRechnung im Kanterschen Buchladen auf die ich schon 4 Wochen lang
16
warte sogl. abzutragen willens bin als die einzige und allerletzte
17
Schuld die mir noch auf dem Herzen liegt. Sonst weiß ich Gottlob!
18
keinen einzigen, dem ich noch was schuldig wäre oder geblieben seyn
19
sollte – als
20
ich weiß aber nicht wie viel für ein grobes Brief
porto
einem
21
Freunde, der mir
heu! heu!
in der Blüthe abgestorben. Der Himmel,
22
mit dem er in seinem Leben sehr freygebig gewesen, erfreue ihn
23
dafür in jener sel. Ewigkeit die nicht endl. seyn wird gl. dem Feuer und
24
Weinen der Verfluchten –
25
noch ich weiß aber auch nicht viel für
agio
an Golde unserm
26
Israeliten Mendelsohn. Wie sehr wünschte ich sein
Aesculap
zu seyn!
27
Kinder machen, Kindermachen, sagte mir ein großer
Financier
in Pekim
28
(und zwar das Wort war für mich gnug, wie oft Sie es unserm
29
Patienten wiederholen müßen werden Sie beßer als ich wißen)
30
Kindermachen erschöpft die animalische Haushaltung mehr als Predigen
31
u Bücherschreiben. Wozu bedient er sich nicht des mosaischen
32
beneficii
der Ribbe seines Leibes einen Scheidebrief zu geben – Statt
33
eines Hahns bleibt Er mir den Phädon und den 3ten Theil
s
der
34
Epischen Schriften schuldig Grüßen Sie ihn statt des
agio
in meinem
35
Namen so oft Sie ihn sehen und sprechen Morgens, Mittags und
36
Abends –
S. 407
Das erste Meßbuch wornach ich greifen werde, wird wol der
2
systematische und beredte Abbt aus Westphalen seyn. Gott gebe daß er
3
alle Landsleute des Mien Man Hoam am Pranger stellen möge. Sie
4
haben mit ihrem heil. Confucius manchen weisen Europäer geäfft
5
und ihm eine Nase gedreht. Die
Recherches
über die Amerikaner
6
haben mich mehr gekitzelt als mich die Vorlesungen jenes blinden
7
Engl. über die Optik würden in Erstaunen gesetzt haben.
8
Nun HochzuEhrender Herr! dieser geschwätzige Brief ist gewiß ein
9
Vorbote meines Alters. Die grauen Haare finden sich auch schon an
10
meinen Augenbrauen.
11
Anstatt eines fontenellischen
O Sparte Sparte!
werd ich ehstens
12
epigrammati
sieren: o Athen o Athen! Kein Goldwaßer u keine
13
Magentinctur! Kein sokratischer Kelch des Heils! Wie übel und weh und
14
See siech!
15
O nauis! referent in mare te noui
16
Fluctus? o quid agis?
17
Sie werden keine Zeile mehr von mir sehen biß nach Empfang
18
Ihres 2ten Theils M. S. N. Ich empfehle mich Ihrem Andenken
19
als Ihren aufrichtig ergebensten
20
Fr —)
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass Friedrich Nicolai/I/30/Mappe 11, 15–16.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 34–37.
Otto Hoffmann: Hamann-Briefe aus Nicolais Nachlass. In: Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte I (1888), 129 f.
ZH III 46–49, Nr. 389.
Zusätze fremder Hand
46/11 |
Friedrich Nicolai |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
46/11 |
1773. […] Hamann.] |
Hinzugefügt nach der Handschrift. |
46/23 |
des |
Geändert nach der Handschrift; ZH: des |
47/8 |
Mr. Amanuensis |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Mr. Amanuensis |
47/13 |
zu – ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zu |
47/35 |
Wind |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wind |
48/18 |
Worte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wort |
48/19 |
diuerbium |
Geändert nach der Handschrift; ZH: diuerbium |
48/25 |
Weil Wiewol ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wiewol |
49/2 |
abgestorben ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gestorben |
49/12 |
Hahnes |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Hahnes |
49/20 |
gereizet geküzelt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ? geküzelt |
49/21 |
O b ptick ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Optik |