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Liebster H.

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Wenn Sie wüsten, wie ich jeden Flick u. Zettel von Ihnen ansehe, würden

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Sie wahrlich keinen zerreißen. Der weggeworfne Pinsel mahlt immer den

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Schaum vortreflich, u. Sie sehe ich beinah am liebsten, wenn ich Sie also

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sehe. Zudem spricht in jedem Ihrer Briefe Ein Wort so tief mit mir –

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glaubten Sie
das
so würden Sie mir Ihr Haus ringsum aus dem Herzen

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ausschreiben.

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Daß Sie auf meine Lina mit blauen Augen u. braunen Haaren etwas übel

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zu sprechen sind, daran thun Sie so übel, als Sie unwahr haben. Wenn unter

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Millionen Eine Weibsgestalt aus meinem Herzen gestiegen, so ists diese; u.

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so sehr
S
sie
Sie auch fern in Wolken ansehen muß, liebst. H. ists doch mit so

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vorläufiger, guter
ehrlicher
Empfindung, daß Sie sie gewiß für die

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würdigste Preußin erkennen würden, wenn sie nicht etwas beßers, ehrliches

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Schweizermädel wäre. Und also seyn Sie auch über das Codicill Ihres Test.

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außer Sorge zu seiner Zeit.

S. 61
Von D. Art u. K. sind nur die
2te
2. St. von mir u. die Note zum 3ten.

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Das 3te von
Göthe
D.
Iuris
in Frkf. am Mayn, den Sie aus seinem
Götz

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von Berlichingen
schon kennen oder kennen werden. Ich will Ihnen mit

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nichts auch hierüber zuvorkommen, aber sagen Sie mir ja, was es bei Ihnen

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würkt. Ich bin drauf sehr begierig. Ein Ex v. D. A. u. K. sollen Sie haben,

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u. bald, bald, hoffe ich noch etwas reichers u. beßers. Schaffen Sie doch ja

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aber, daß mir Ihre Sachen bis auf den geringsten Buchst. überkommen: ich

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bin so lüstern darnach, als nach einem jungen Sohn. Und
Hinzen
dörfen Sie

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nur Ein Wort sagen, so bekomm ichs früher.

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Ueber den
Layenbr.
ärgern Sie sich ja nicht. Er hat darinn so karakter.

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gehandelt, daß er Sie nicht gesehen, als er überhaupt ein ausgeputztes

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Windmännchen
ist, das seine weiße Strümpfe besieht, lügt, witzelt, den Minister

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spielt, zum Eckel höfl. ist und auch im Gespr. den Majestätschänder macht auf

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Erden, ohne Ein Fünckchen des Geists zu haben, dem man auch nur im Gespr.

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das verzeihe. Sonst äußerst höflich, weinerlich, durch Weiberzimmer

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schleichend u. f. – Sie haben also nichts an ihm verloren.

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Die Frkf. Zeit. hat ein gewißer
Merk
,
obbenanter
Göthe
zu
u.
Schloßer

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geschrieben (der den Katechism. fürs Landvolk edirt hat u. sich deßen baß

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freuet)
Ich nur wenig dazu geliefert, worüber ich jetzt noch mit
Schlotzer

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nach Jahr u. T. Verdruß bekomme, daß ich fast alle Kritik verwünsche. Habe

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mich indeß doch wieder verführen laßen, in die König. Zeit. ein Blatt zu

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setzen, darum ich Sie sehr bitte es zu lesen u. zur Verschwiegenheit deßelben

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beizutragen – Nochmals aber bitte um Ihre glühende Funken, u. Verspreche

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dagegen baldigst meine Waßertropfen. Viel Glück u. Trost zu den

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Zeitläuften, Gruß u. Kuß an Ihre 2. Kinder u. Du Magus aus Norden, sprich ein

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Wort, daß mein Weib auch bald Eins trage. Umarmung aus vollem Herzen.

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Herder.


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Adresse:

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An / HErn J. G. Hamann


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Erhalten-Vermerk von Hamann:

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den 11
Januar
74. erhalten durch HE
Kanter.

Veränderte Einsortierung

Die Einsortierung wurde gegenüber ZH verändert, sie erfolgt chronologisch zwischen Brief Nr. 398 und 400.

Provenienz

Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 10787, heute bei Acc. ms. 1886. 53, Nr. 11).

Bisherige Drucke

Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 329 (hier datiert auf: Januar 1774)

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 78 f.

ZH III 60 f., Nr. 394.

Zusätze fremder Hand

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Johann Georg Hamann