394
60/26
Liebster H.

27
Wenn Sie wüsten, wie ich jeden Flick u. Zettel von Ihnen ansehe, würden

28
Sie wahrlich keinen zerreißen. Der weggeworfne Pinsel mahlt immer den

29
Schaum vortreflich, u. Sie sehe ich beinah am liebsten, wenn ich Sie also

30
sehe. Zudem spricht in jedem Ihrer Briefe Ein Wort so tief mit mir –

31
glaubten Sie
das
so würden Sie mir Ihr Haus ringsum aus dem Herzen

32
ausschreiben.

33
Daß Sie auf meine Lina mit blauen Augen u. braunen Haaren etwas übel

34
zu sprechen sind, daran thun Sie so übel, als Sie unwahr haben. Wenn unter

35
Millionen Eine Weibsgestalt aus meinem Herzen gestiegen, so ists diese; u.

36
so sehr
S
sie
Sie auch fern in Wolken ansehen muß, liebst. H. ists doch mit so

37
vorläufiger, guter
ehrlicher
Empfindung, daß Sie sie gewiß für die

38
würdigste Preußin erkennen würden, wenn sie nicht etwas beßers, ehrliches

39
Schweizermädel wäre. Und also seyn Sie auch über das Codicill Ihres Test.

40
außer Sorge zu seiner Zeit.

S. 61
Von D. Art u. K. sind nur die
2te
2. St. von mir u. die Note zum 3ten.

2
Das 3te von
Göthe
D.
Iuris
in Frkf. am Mayn, den Sie aus seinem
Götz

3
von Berlichingen
schon kennen oder kennen werden. Ich will Ihnen mit

4
nichts auch hierüber zuvorkommen, aber sagen Sie mir ja, was es bei Ihnen

5
würkt. Ich bin drauf sehr begierig. Ein Ex v. D. A. u. K. sollen Sie haben,

6
u. bald, bald, hoffe ich noch etwas reichers u. beßers. Schaffen Sie doch ja

7
aber, daß mir Ihre Sachen bis auf den geringsten Buchst. überkommen: ich

8
bin so lüstern darnach, als nach einem jungen Sohn. Und
Hinzen
dörfen Sie

9
nur Ein Wort sagen, so bekomm ichs früher.

10
Ueber den
Layenbr.
ärgern Sie sich ja nicht. Er hat darinn so karakter.

11
gehandelt, daß er Sie nicht gesehen, als er überhaupt ein ausgeputztes

12
Windmännchen
ist, das seine weiße Strümpfe besieht, lügt, witzelt, den Minister

13
spielt, zum Eckel höfl. ist und auch im Gespr. den Majestätschänder macht auf

14
Erden, ohne Ein Fünckchen des Geists zu haben, dem man auch nur im Gespr.

15
das verzeihe. Sonst äußerst höflich, weinerlich, durch Weiberzimmer

16
schleichend u. f. – Sie haben also nichts an ihm verloren.

17
Die Frkf. Zeit. hat ein gewißer
Merk
,
obbenanter
Göthe
zu
u.
Schloßer

18
geschrieben (der den Katechism. fürs Landvolk edirt hat u. sich deßen baß

19
freuet)
Ich nur wenig dazu geliefert, worüber ich jetzt noch mit
Schlotzer

20
nach Jahr u. T. Verdruß bekomme, daß ich fast alle Kritik verwünsche. Habe

21
mich indeß doch wieder verführen laßen, in die König. Zeit. ein Blatt zu

22
setzen, darum ich Sie sehr bitte es zu lesen u. zur Verschwiegenheit deßelben

23
beizutragen – Nochmals aber bitte um Ihre glühende Funken, u. Verspreche

24
dagegen baldigst meine Waßertropfen. Viel Glück u. Trost zu den

25
Zeitläuften, Gruß u. Kuß an Ihre 2. Kinder u. Du Magus aus Norden, sprich ein

26
Wort, daß mein Weib auch bald Eins trage. Umarmung aus vollem Herzen.

27
Herder.


28
Adresse:

29
An / HErn J. G. Hamann


30
Erhalten-Vermerk von Hamann:

31
den 11
Januar
74. erhalten durch HE
Kanter.

Veränderte Einsortierung

Die Einsortierung wurde gegenüber ZH verändert, sie erfolgt chronologisch zwischen Brief Nr. 398 und 400.

Provenienz

Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 10787, heute bei Acc. ms. 1886. 53, Nr. 11).

Bisherige Drucke

Heinrich Düntzer, Ungedruckte Briefe zwischen Hamann und Herder. In: Bremer Sonntagsblatt. Siebenter Jahrgang, No. 42: 16. October 1859, 329 (hier datiert auf: Januar 1774)

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 78 f.

ZH III 60 f., Nr. 394.

Zusätze fremder Hand

61/31
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
60/31
das
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
das,
60/36
S
sie
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sie
61/10
Layenbr.
]
ZH:
Layenbr.
– In der Handschrift gestrichen, jedoch vmtl. nachträglich von fremder Hand, aus Diskretionsgründen
61/12
Windmännchen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Windmänchen
61/17
zu
u.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u.
61/17
obbenanter
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
obbenannter
61/19
freuet)
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
freuet).
61/19
Schlotzer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Schlötzer
61/29
–31
An […] Kanter.]
Hinzugefügt nach der Handschrift.