454
200/14
B. den 29. Jul. 775.

15
4. wöchentl.
von Ende Juni bis Ende Juli
Eben komme ich lieber H. von einer 4. wöchentl. Reise nach Darmstadt, die

16
ich mit Weib u. Kind, Hans u. Gottfr. gethan hatte u. finde Ihren Brief, der

17
meinen Brief … einen andern
HKB 448
und
HKB 450
, die Hamann am 18. und 28. Juni erhielt, aber auf die er
in seinem letzten Brief an Herder
kaum einging (wie er selbst bemerkte).
mich in Allem wundert. So haben Sie nicht meinen Brief durch Hartkn. mit

18
2. Büchern, nicht einen andern nach erhaltner Preisfrage
gekriegt:
Oder sind

19
stumm darauf, auch stumm auf die Bücher? Das wolle der Himmel nicht!

20
Fodern Sie von Hartkn. oder durch einen Laufzettel nach Minden von der

21
Post, wo Sie nicht bekommen, nur schreiben Sie, antworten Sie (das

22
Postgeld will ich immer gern geben: müßte ich doch die Inlage bezahlen) u. reißen

23
Sie mich aus der Unruhe, in der ich bin, bis ich Ihr Wort weiß. Auch meine

24
Schwester hat den ihr durch Hartkn. zugeschickten Brief nicht empfangen,

25
weiß noch gar nicht, daß Hans hier
ist
p
u. ich schrieb doch gleich u. schickte auf

26
Hartkn. Willen den Brief an Nikel in Berlin ihm nach. Thun Sie doch Alles,

27
lieber Hamann in meinem Namen, daß es
zurück
zurechtkomme: ich habe

28
an Hartkn. zu schreiben nicht Zeit. Er ist überhaupt lange nicht für mich u.

29
mein Weib gewesen, was er war; die Ehe mit einer Frau von Geschmack hat

30
ihn sehr verändert. Schreiben Sie doch, was Ihnen davon dünkt u. wie er

31
dort erscheinet.

32
Kanter ist, als Windbeutel hier gewesen, u. Staatsminister zu besuchen,

33
Zimmermann
Johann Georg Zimmermann
, vom 4. bis 8. Juli
fortgezogen: so ist er auch Zimmermann vorgekommen (mit dem ich in Darmst.

34
5. Tage auf seiner Schweizerreise gelebt) u. allen guten Leuten. Die Geschichte

S. 201
von Lav. aber kann wahr seyn. Moser hat würklich Ihr Bild Lav. zu kopiren

2
mitgegeben u. das Stechen ist ihm, weil er
Maler
Zeichner u. Kupferstecher

3
Ich u. mein Weib
In
Lavater,
Physiognomische Fragmente
, Bd. 1; zu
Caroline Herders
Umriss vgl. zu
HKB 452 ( III 195/34 )
; dass Herder auch abgebildet sei, verneint er andernorts, vgl.
HKB 456 ( III 210/9 )
, später nimmt er es wieder an, vgl.
HKB 469 ( III 253/7 )
hält, ganz natürlich. Ich u. mein Weib sollen auch im
1.t.
Th. der Phys.
stech,

4
stehen, ganz unkenntlich aber u. völlig gegen unser Wißen u. Willen.
Argern

5
Sie sich also nicht: wollen Sie nicht daselbst prangern, so kann ichs vielleicht

6
für mich hintertreiben.

7
Penzel kenne ich nur sehr beiläufig u. doppelt. Zuerst aus einem
Ms.
das

8
Meierschen Buchdr.
Johann Henrich Meyer (1701–1754), Buchdrucker und Verleger in Lemgo
mir von Lemgo aus der Meierschen Buchdr. geschickt ward, obs des Drucks

9
Regner Lodbrogs Sterbeliede
Ragnar Lodbrok, Wikingerkönig aus dem 9. Jahrhundert; im Zuge der Aufmerksamkeit für die Bardendichtung war dieses Lied bspw. in
Mallet,
Geschichte von Dänemark
in Übersetzung abgedruckt.
werth sey: eine Uebersetzung von Regner Lodbrogs Sterbeliede, mit langen

10
Noten, in denen auch ich geschimpft war, recht vom Zaun abgebrochen die

11
Ms. über Katull
nicht ermittelt
Ursach. Ein ander
Ms.
über Katull, das vom Verf. Namenlos glaub ich an

12
mich kam, u. worüber ich meine Meinung als über eine unreife Geburt schrieb,

13
u. es ihm zurückschickte. Darauf ein sehr höfl. Brief von ihm folgte – das ist

14
Alles. Beides ist meines Wißens nicht gedruckt worden. Bei Strabo steht,

15
glaub’ ich, in der Vorrede sein Leben, wie ers erzält. Ich bin auf sein Schicksal

16
sehr begierig Melden Sie mir doch von ihm weiter.

17
Kanter erzälen
vgl.
HKB 452 ( III 197/12 )
In Allem, was Sie vom Kanter erzälen, steht der Mann vor mir. So hat

18
v. v.
vice versa
er mit mir von der ganzen Welt geschwatzt
u.
so wird er von mir
v. v.

19
geschwatzt haben. Hat auch mich mit den Berl. wieder zusammenhängen wollen,

20
wie Sie selbst sagen
vgl.
HKB 452 ( III 196/30 )
wo ich ihm aber gar nicht wiedersprochen, das doch immer, wie Sie selbst

21
sagen, das beste ist. Eberhard u. Teller sind seine Götter. Basedow,
Semmler
p

22
Erbherr auf Trut.
Trutenau
, seit 1775
seine Patrioten: er ist Papiermüller u. Erbherr auf Trut. – Laßen Sie ihn

23
reisen u. malen. Die Anekdote, daß die Gräfin in unserm Hause gewesen, ist

24
schon in der ganzen Welt.

25
Stark ist Dithyramb
Johann August Starck
. „Dithyramb“ im Sinne von wild; vgl. Hamanns Erzählung in
HKB 452 ( III 195/14 )
Ihre Situation mit Stark ist Dithyramb: darüber urtheile ein andrer, nicht

26
Sirach
Sir 37,8
Ich. Hüte Dich vorm Beichtvater, würde Sirach sagen: er ist noch lange nicht

27
die in Deinen Armen schläft.

28
Rec. der Prov. Bl. in der D. B.
Rezension von
Herder,
An Prediger
in
Allgemeine deutsche Bibliothek
, Bd. 23/2, S. 346–375
Die Rec. der Prov. Bl. in der D. B. haben Sie doch gelesen. Sie ist von

29
Friedr. Nikolai
Friedrich Nicolai
HE.
Friedr.
Nikolai Höchsteigenhändig u. fodert formell alle gute Geister

30
opp.
Allgemeine deutsche Bibliothek
, Bd. 24/1, S. 287–296; vgl.
HKB 449 ( III 188/37 )
auf, gegen mich zu conspiriren. In einem andern Stück sind all
ihre
opp.

31
auch von ihm abgehandelt, mich dünkt, hinter
dem
h
Artikel von

32
Kästner … angestochen
Abraham Gotthelf Kästner
über
Nicolai,
Sebaldus Nothanker
in
Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen
, St. 61, 23. Mai 1775, S. 515–518
Zauberbüchern, wenigstens völlig auf die Weise. Kästner hat
über
seinen Sebald

33
angestochen:

34
Der lange Nikkel …
Genaue Quelle nicht ermittelt, verschiedentlich auch
Abraham Gotthelf Kästner
zugeschrieben (vgl. etwa
Die Neue und vermehrte Bockiade
(Berlin 1781), S. 59f.
)
Der lange Nikkel kehrt mit seinem Ladenbesen

35
ein Buch für seine Thür und – alle Dunse
lesen.

36
wahrlich die genetische u. pragmatische Geschichte des ganzen Drecks. Göthe,

37
der uns zu gut aus Straßburg von seiner Schweizerreise heraufeilte u. von

S. 202
Darmst.
nach Frankf. begleitete, ist weidlich voll von ihm u. wird ihn,

2
glaub’ ich, nächstens reiben. Sie ehrt er sehr: da ich ihm im Spaas Kanters

3
Mährchen sagte, freute er sich darüber recht im Ernste. Sie
könn
glauben

4
nicht, wie er alles aufhascht, was
s
Sie
betrift, u. ist überhaupt mit seinen

5
Schriften nur Komödiant,
u.
in seinem Leben wilder Mensch u. Zeichner

6
u. guter Junge. Von Claud. kann ich Ihnen viell. bald mehr schreiben. Moser

7
habe vielfältig gesprochen: er war gegen mich überschwängl. vorkommend,

8
höfl.
u. wie es schien, herzl. Nächstens mehr. Ich bin des Schreibens müde.

9
Gleim in Pyrm.
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
, zwischen dem 7. und 21. Juli in Pyrmont
Auch Gleim in Pyrm. gesehn u. herzlich umarmt. In und um Darmst.

10
Bückeb.
Bückeburg
vortrefl. Rheinwein gekostet u. genossen u. müde u. matt mein altes Bückeb.

11
wieder
ich
gefunden, wo ich seit Absteigung
des
vom Wagen arbeite u.

12
daher so entsetzl. nichts schreibe. Johann ist voll, grüßt Sie u. wird nächstens

13
schreiben sich fürs Pathengeschenk zu bedanken. Adieu, Adieu,
Adieu.  
H.


14
NB. NB.
Inlage doch ja eilig zu bestellen.

Provenienz

Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 1886. 53, Nr. 12).

Bisherige Drucke

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 103–105.

ZH III 200–202, Nr. 454.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
200/18
gekriegt:
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gekriegt?
200/25
ist
p
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ist,
201/3
1.t.
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
1t.
201/3
stech,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
stech
201/4
Argern
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Aergern
201/18
u.
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
und
201/21
Semmler
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]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Semmler,
201/29
Friedr.
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
Friedrich
201/30
ihre
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
Ihre
201/31
dem
h
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
dem
201/35
lesen.
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
lesen
202/1
Darmst.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Darmstadt
202/4
s
Sie
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Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sie
202/8
höfl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
höflich
202/13
Adieu.  
H.
]
Geändert nach der Handschrift; die Unterschrift
H.
in ZH nach Z. 14.