448
185/4
Adresse:
5
An /
HE.
J. G. Hamann /
6
Notiz von Herder auf der Adressseite:
7
Noch zuletzt hat mich Hkn. mit Ihrer
Claudius
erfreut.
8
Vermerk von Hamann auf der Adressseite:
9
Erhalten den
18
Junii 75 durch
HE
Hartknoch nebst Beyträgen zur
φφ
ie,
Prov. Blättern den Briefen der Brüder Jesu und den Erl. des N. T.
10
aus der
Zend-ha-vesta
11
Gevatter u. Verleger Hartknoch hat uns, unerwartet beinahe schon, mit
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seiner Gegenwart, unserm Neffen u. Nachrichten von Ihnen – nicht aber mit
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Ihren hierophantischen Briefen erfreuet, die durch ein unglückl. Schicksal
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zurückgeblieben waren. Ich erwarte sie mit der äußersten Begierde vom ersten
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Postorte, da er sie mir schicken kann und habe mir so lange das Vergnügen
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gemacht, Ihnen meine opp. mit kleinen Merkmalen meiner Finger zuzurüsten.
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Ich wünschte, daß Ihnen meine Magier kämen: ob sie
einem
Stern
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oder
Irrwisch
gefolgt sind? Geschenke bringen, oder die Weisen spotten und
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Mütter schreien machen werden, weiß ich
nicht:
gnug, sie kommen
20
χρηματισθεντερ
und ziehen also ihre Straße fort. Es ist die
saureste
Geburt meiner
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Muse. Dreimal beinah verworfen, u. dreimal wieder angenommen; jetzt
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ausgestoßen, ohne daß mich
Ein
Wort über ihr Schicksal kümmern werde.
23
Wenigstens werden
s
Sie
die Schreibart sorgfältiger u. korrekter finden: in den
24
Meinungen, die an die Theologie streifen, habe mich in den engsten Pfaden
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der Orthodox. auch zwischen Felsen u. Steinspitzen gehalten und bin von der
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Seite sicher. Die Samenkörner, die auf das große öde Feld zwischen der alten
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Hebräisch Mosaischen
Denkart
u.
dem Christenthum des N. T. gestreut, oder
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daher geholt sind, werden in einer künftigen Zeit Ernte geben u. den Grund
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des Hellenismus so anschaulich machen, als er
jetzt
dumm gewiesen u. dumm
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verspottet wird. Die Brüder Jesu sind nach Lemgo gesandt, eine
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Bücherrechnung zu tilgen, u. werden Sie weniger intereßiren, weil Sie allen körperl.
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Hypothesen, wahr oder ungewiß, als solchen feind sind u. nur Geist u.
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Brodem lieben. Die Prov. Bl. u. Phil. sind alte Schuld, die Hartkn. für Sie
S. 186
eingemahnet hat – ich bin also quit u. warte auf den Hierophanten: zumal ich
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aus Hartkn. Briefe gesehen, wie altfreundlich u. landsmännisch Sie mit mir
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theilen. Die Beilage zur
lettre perdue
ist mir auch geworden: Schade aber,
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daß Ihr Mäcen hin ist –
quando invenies parem
– auch wenn er gleich für
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Sie nichts gethan hat, u. für mich noch weniger.
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Hrtkn. hat die Berge hier umher noch eben so grünend u. die Thäler u.
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Auen dazwischen eben so paradiesisch gefunden, als vorm Jahr: das hindert
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aber nichts, daß ich sie als ein Gefängniß ansehe, aus dem ich zu entfliehen
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wünsche u. wenn ich Himmel u. Erde hier betrachte
die vortrefl. Sprüche
,
10
wie Bruder Hamlet predige,
steril promontory-congregation of vapours of
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a fool etc.
bis mir Lavaters Sinnspruch auf seinen Petschaften einfällt: „Ich
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mag wohl warten!“ u. denn warte ich. Mein Weib u. Knabe ist gesund: mein
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Ankömmling scheint ein Junge festen Muths u. geraden Herzens oder Faust
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zu seyn – also ist auch das gut, Und das übrige wird kommen. Viel Dank,
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daß Sie sich seiner so treu
angenommen
u. ihn mit einem Reisepfenning
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gesegnet haben: er solls wie Pathenopfer ansehen u. sich einmal
befleissigen
,
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Ihren Aeskulapiushahn
u.
Nazirsohn mit guten Werken zu vertilgen oder
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zu vergelten. Hat er was gethan, so ists Dummheit nicht böser Wille.
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Von neuen Sachen habe ich nichts, selbst Hephästion nicht gesehen. Ihre
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Prol. sind an Moser u. Lavater (versteht sich an jenen ohne Zuschrift
vnde
21
u.
vbi
) gegangen: von mir hat Göthe ein Ex. bekommen, der
s
Sie stumm
22
aber desto stärker hochhält. Ich höre nur manchmal von ihm ein Wort, u. wie
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das auch falle, ists ein Kerl von Geist u. Leben. Er will nichts seyn, was er
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nicht von Herzen u. mit der Faust seyn kan. Lenz (der Verf. vom Hofmstr. u.
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n. Menoza) ein Liefländer u. sehr bescheidener Jüngl. ist sein jüngerer
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Bruder. Daß Vetter Claudius nachgedruckt wird, wird Ihnen Htkn. sagen –
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Schade für den armen Knaben: er bekommt vielleicht nicht das geliehene
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Geld zu seinem
asinus omnia sua secum portans
heraus. Wenn er Pyrm.
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trinken will, vielleicht kommt er hieher u. denn soll Ham.
so
hoch unter uns
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leben. Wär er der Dritte bei Uns!
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Lav. Phys.
ist
mir auch nicht zu Gesicht gekommen. Zimmermann allein
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hat drauf, wie er schreibt 10,500 Thl. colligirt – Eia! – Wird Nothankers
33
2. t. Th.
s
Sie
zu nichts wecken? Er hat ihn, wie seine Leiden u. Fr. meinem
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gnädigsten HE. zugesandt, da ich ihn denn u. meinen Namen darinn auch zu
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sehn bekommen. Wohl uns des feinen HErn! Ich hatte aber ein ganz anders
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erwartet. Adieu auf heut Vormittag. Ich muß aufs Armendirekt. und komme,
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eben so zerstreut, aufgelöst u. nichtssagend, nach Mittage zum Briefe wieder.
S. 187
1. t. Pfingst.
2
Kanter ist hier gewesen auf ein paar Stunden u. fortgereiset. Andre
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Abhaltungen, etc. machen, daß ich meinen leeren Brief auch nicht endige. Htkn.
4
verspricht mir Kopie von Ihrem Bilde, darauf wir uns wie auf ein Erbtheil u.
5
Kleinod freuen: ordentlich näher werden Sie uns mit Ihrem Farbenschatten
6
werden. Meine Seele ist so dumm u. zusammengedrückt, daß ich fast
nicht
7
zu reden, geschweige zu schreiben Lust habe. Leben Sie wohl, lieber Preuß.
8
Pan. Htkn. sagt Ihnen, wie sehr Sie bei uns leben.
9
H.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 125–126.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 141–143.
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 99–101.
ZH III 185–187, Nr. 448.
Zusätze fremder Hand
185/9 –10
|
Johann Georg Hamann |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
185/5 |
HE. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: EH. |
185/7 |
Claudius ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Claudius |
185/9 |
φφ ie, ]
|
? |
185/9 |
18 ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 18. |
185/9 |
HE ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: HE. |
185/10 |
Zend-ha-vesta |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Zend-ha-vesta. |
185/18 |
Irrwisch ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Irrwisch |
185/19 |
nicht: ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nicht, |
185/20 |
saureste ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: saureste |
185/20 |
χρηματισθεντερ ]
|
Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1957): lies χρηματισθεντες |
185/22 |
Ein ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ein |
185/23 |
s Sie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie |
185/27 |
Hebräisch […] Mosaischen] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Hebräisch-Mosaischen |
185/27 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
185/29 |
jetzt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: itzt |
186/15 |
angenommen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: angenommen, |
186/16 |
befleissigen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: befleißigen |
186/17 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: u. u. |
186/33 |
s Sie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie |
187/6 |
nicht ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: nichts |