358
437/11
Wir kommen, mein lieber Hamann, mit unsern Briefen wie 2. Divergenten
12
immer mehr
aus einander
: Sie klagen über das
Nichtgnugthuende
in meinen
13
Briefen;
s
Sie
sind in Ihren auch nicht mehr immer der alte Hamann – bald
14
werden wir uns einander nicht mehr verstehen. Bin ich die Ursache; so will
15
ich auch der erste mit der Rückkehr, mit der Zurückbiegung meiner Linie seyn,
16
u. wenn Sie meinem Beispiel folgen, so sind wir wieder, wo wir waren. So
17
lange ich nicht aßecurirt bin, daß meine Briefe nur von zwei Augen gelesen,
18
u. von Einer Rechte, von der die Linke nichts weiß, zerrißen, oder verbrannt,
19
oder sonst abgethan werden: so lange bin ich nicht über Sie, sondern über die
20
Unvorsichtigkeiten Ihrer Freunde ungewiß, u. freilich so lange muß ich auch
21
an meinen Hamann nur stammeln,
u. ein
hergestammeltes Gespräch ist
22
freilich mühsam dem Stammlenden und dem Hörenden widrig. Setzen Sie sich
23
in meine Stelle, von dem man so viel falsche oder halbwahre Anekdoten in
24
Deutschland weiß, als ich selbst nicht weiß; nach dem man bei allen meinen
25
Schülern u. Bekannten in Halle u. Leipzig u. Jena spioniret, dem man
26
Gedichte u. Abhandlungen
auffängt
, die nur für diesen Ort geschrieben sind
27
(die Schrift über das Publikum steht
elend verstümmelt
in den
28
Unterhaltungen,
u
meine Rede über die Kanter so gut als
eine
die
Brochure auf
29
Kurella in Hambergers
be
gelehrtem
Deutschland
)
– Riedel citirt weiß Gott,
30
durch welchen Schleichweg dreust meine neue Auflage der Fragmente, u. ich
31
sehe die Recension über sie in einem der neuesten Stücke der Klotzischen
32
Bibliothek) nehmen Sie nun diese u. andre Verräthereien; soll ich nicht beinahe über
33
jeden Federzug sorgsam werden, u. wenn sich aus meinen Briefen nach
34
Deutschland auch eine Ängstlichkeit der Mine in die Briefe meines Hamanns,
35
wiewohl wider
Wißen
u. Willen einschleicht, ist das mehr als ein
pecatillum?
36
Geben Sie mir, auch über Ihre böse Laune, Ihr Wort der Sicherheit, u. mein
S. 438
Brief soll gleich wieder seyn, wie ein Gespräch in Ihrem Kabinette, oder in
2
Ihrer ehemaligen Gartenlaube am Königsbergschen Peneus. Alsdenn aber
3
mein lieber H. verdient Ihr vormaliger Spötter u. ehrbarer Kollaborator auch
4
wieder einmal so einen ganz vollen Hamannischen Brief als Sie ihm lange
5
Zeit nicht geschenkt haben.
6
Warum reden Sie so über Wald und Berg hin, wenn Sie von Beleidiger
7
u. Beleidigten u. s. w. sprechen: ists der Pulsschlag meines Gewißens, daß
8
Ihnen die Citation im Torso noch unverdauet auf dem Herzen liegt? Der
9
ists kaum! und nach dem Ton, in dem ich schrieb, wollte ich blos
10
charakterisiren, nicht eben tadeln, und mit aufgehabnen Fingern
exs
ecriren
. Ihre
11
Kreuzzügen hatten, dünkt mich, die
abentheuerliche
Absicht, zu kreuzziehen u. die
12
Orientalische Sprache Romantisch zu
machen
brauchen, wo Sie damit Ihre
13
Zwecke ausrichten konnten – ich werfe also auf Sie, als freiwillige
14
Ausnahme einen Nebenblick – nichts mehr, u. auch dieser soll weg, wenn das
15
Blatt, wie ich nicht anders als vermuthe, die zweite Auflage erlebt. So lange
16
wenigstens hat Ihnen diese Proscription nicht geschadet, denn mein lieber
17
Riedel,
mit
de
n
r
ich
so sehr u. genau auf mir sein Sympathetisches u.
18
Antipathetisches Auge hat, hat Sie ja von der Zeit an gelobt, da der Idiot
19
vielleicht meinen Fingerzeig als Tadel nahm u. siehe! Da prangen Sie ja in
20
seinen unsterblichen Briefen über das Publikum, wie auf dem übergüldetsten
21
hölzernen Throne. Vergeben Sie mir also
Etwas
über das ich mich nicht
22
Einmal entschuldigen zu dörfen glaubte.
23
Auch beleidigen Sie meine Lares u. Penates, wenn sie mir unpatriotische
24
Fühllosigkeit gegen Ihre Zeitungen zuschreiben. Ich bin nicht abgeneigt von
25
Ihnen,
ihnen, wenn ich mir nur Etwas freiere Hand schaffen u. mich aus
26
andern drückenden Verbindungen los machen könnte. Zu diesen gehört außer
27
denen in Deutschland ein neuer Anfang
gelehrter Beiträge
, die hier
28
herauskommen sollen, u. denen ich mich nicht habe entsagen können. HE. Kanter
29
hatte sich auch nicht bei meiner vorigen Mitarbeit an den Zeitungen so
30
betragen, daß er mir mit gutem
Gewissen
einen neuen Antrag deßhalb machen
31
konnte: denn für alle meine Arbeit hatte ich mir blos den Shakespear Engl.
32
die
Johnsonsche
Ausg. durch Hartknoch verschrieben, u. HErn.
Kanter
hat dies
33
zu viel geschienen, u. Hartkn. hat ihm denselben bezahlen
müßen
. So wenig
34
ich mich nun zwischen diese beide stecken will, so bin ich doch dadurch immer
35
beleidigt, u. hätte Kantern so lange vergebens gearbeitet – wozu in der Welt
36
das? – Dies sind die Ursachen meines Stillschweigens auf einen Brief, der
37
mir blos Aufwallung schien, u. zu einer Zeitungserrichtung, von deren
E
S. 439
Art der Anstalt ich nichts wuste, u. weiß. Seit Jahr u. Tag habe ich
di
von
2
den Kön. Zeitungen kein Blatt gesehen, die K. mir doch so vielfach versprochen
3
u.
zugeschworen
,
.
Auch die Recension meiner Sachen in ihnen kommen mir
4
also nicht zu Auge, so wie
ich
an
die
Stücke dieses Jahrs nur beiläufig u.
5
unvollkommen durchgesehen, da ich sie vor 8. Tagen in Mitau fand. Ich denke, alle
6
solche Prävenancen u. Kleinigkeiten der Gefälligkeit sind indispensabel, wenn
7
man neue Aufträge machen will. Ueber alles dies werde ich mich an HE. K.
8
sehr offenherzig erklären, ehe ich eine Sylbe gebe. – – Sonst habe ich grossen
9
Zug an Einem Blatte zu arbeiten, dem
wir
Pr
,
wenn der Teufel nicht
10
Treschoisches Unkraut unter Weizen mistet, Preußische Originalität geben
11
könnten. Vor Lambert habe ich lange her schon viel auszeichnende Achtung,
12
u. wenn nur Ein tüchtiger Direktor wäre, u. jeder seine Sphäre hätte – so
13
sollte das Spottwort der Hallenser,
Preußische
Zeitungen sich in ein
14
Ehrenwort verwandeln. Der Versuch über das Ideal des Menschen ist doch von
15
Kant? u. der Auszug aus den Denkwürdigkeiten Petrarchs doch von Ihnen?
16
Ist denn das letzte Buch so theuer, so rar, so selten? mich verlangt sehr
17
darnach. – Ich werde Sie nächstens mit einem Blatt über die
Verjüngung
u.
18
Älterun
Veraltung Menschlicher Seelen heimsuchen
, das sich in den
19
Zeitungen wohl
dörfte
lesen laßen.
20
Von der neuen Fragmentenauflage habe kaum eine andres, als mein
21
Exemplar: doch wenn auch dies: so sollen Sie es durch Steidel, wenn er zur
Meße
22
geht, aber
sub rosa rosarum
haben. Es ist ein Bastard, der ganz umgeschaffen
23
werden soll, u. Sie haben dazu das freieste Urtheil. Ists nicht mehr als
24
Curl’scher Schelmenstreich, daß man dem Autor zum Poßen, der sich öffentlich
25
drüber beschwert, Bücher citirt u. recensirt, die man vielleicht durch den
26
Druckerjungen erstohlen? Ich mache mich schon gefaßt, wieder in der
27
Hällischen Bibliothek den niedrigsten Schimpf zu hören, den Leute von der Art nur
28
haben können. Ich müste mich sehr irren, oder Riedel ist der HE. Dtsch. und
29
V R,
der Lindnern
u.
mich recensirt hat. Man hat von einer Entzweiung
30
dieses Menschen mit Klotz gesprochen, Weiße hats mir geschrieben; ich glaub’
31
es aber nicht. Was ists denn, was Klotz an Lindner geschrieben hat? ich höre
32
nur einzelne unverständliche Sylben, u. wollte doch gern Worte hören! Was
33
sind die paar
Familiennachrichten
an die Sie im Briefe gedenken? Lohnten
34
Sie nicht, geschrieben zu werden? – –
35
Ich könnte aus Ihrer Beilage nicht klug werden, wenn ich nicht aus Reval
36
eben hörte, daß mich die
B
neuen
Braunschweigischen Zeitungen für den
37
Verf.
der
Kritischer Wälder
ausgegeben, die ich noch nicht kenne. Auch
S. 440
Nicolai hats an mich geschrieben, vielleicht blos weil
er
mein Verleger auch
2
ihr Verleger ist, u. ist das nicht Präsagium
gnug
? Ich gehe ihm zu Dach,
3
kann aber von ihm nichts herausbekommen, als was ich freilich rathen konnte,
4
daß der V. sich nicht wolle genannt haben. Er ist also der
Pythagoräer
, ich nicht:
5
u. Sie thun mir einen Gefallen, wenn Sie mich von einem Buche lossagen,
6
das ich von seiner guten u. bösen Seite noch nicht kenne. Sie haben mich
7
doch nicht gar in Ihren Zeitungen dafür profitirt?
8
Hinz ist 14. Tage in Riga gewesen, und ich nehme Ihnen blos Ihr
Mund
9
Wort aus dem Munde: „er gefällt sich sehr gut!“
Gewiße
starke Seiten von
10
innerer Wahrheit u. Einigkeit mit sich selbst, die ich bei einem Freunde
11
Hamanns erwartet hatte, mögen sich dann etwas verdunkeln, wenn man sich
12
aus der Hypochondrie eines Kollaborators in die Weltlage
zu
werfen will,
13
alles zu genießen, u. zu fühlen, was man nicht fühlt, und sich alles zu Nutz
14
machen zu wollen, wobei man eben am wenigsten erbeutet. Wir sind hier
15
täglich zusammen gewesen u. uns auf ziemlich viel Seiten kennen gelernt; allein
16
da über einen
Caractere manqué
am schlüpfrigsten zu urtheilen ist: so falle
17
mein dunkles Wort über ihn auch ins Dunkle. Vielleicht wird Er in
18
Angelegenheiten einer öffentlichen Gesellschaft bald in Königsb. seyn, ehe Sie es
19
träumen; allein aus seiner 2ten Reise, wenigstens mit seinem bisherigen Zögling
20
scheint nichts werden zu wollen, den man zum Kandidaten der heil. Ehe lieber
21
machen will, als
ihn
zum zweiten mal zum Schüler. Ganz Mitau soll
22
Hinzen
s
als
Auditeur bei des Herzogs Garde ausschreien: er selbst wußte aber von
23
nichts. Er hat sonst noch andre Projekte, die, wenn Er sie ausführt, ihm viel
24
Ehre bringen können; es ist aber noch im Weiten. So auch, was ich Ihnen
25
von meinen hiesigen Aussichten geschrieben: ich darf doch nicht also ein
favete
26
linguis
hinzusetzen.
27
Haben Sie Noch Etwas zum Deutschen Nationalgeist gelesen (ich frage aus
28
fernen Zeiten) u. wer mag der V. dieser Bogen voll von so wildem Ueberfluß
29
u. so Kontourloser Laune seyn? Hat Sie in den Schmidtischen Zusätzen nicht
30
d
ie
as Musikalische
Idylle
Drama aufmerksam gemacht,
die
er
dieser
31
gefühllose Schmierer aus den Proben dramatischer Gedichte angeführt. Ich
32
kenne außer Rammlers
kein
Stücken keins, was
ich
so süß mit Lust und
33
Wohllust in seinen Tönen in das Herz fließt,
u. das ich
3. mal hab’ ichs
34
mir vorgelesen u. vorgesungen u. vorskandirt, u. ich möchte beinahe noch
35
Einmal dran. Haben Sie Sonnenfels Dramaturgie gelesen? An Wendungen u.
36
Politur des Geschmacks u. Stellung der Ideen übertrift er
Leßingen
: ich habe
37
seine Theresie u. Eleonore hier ziemlich unter Leute gebracht, denn nach dem
S. 441
Jünglinge, u. Hypochondristen ist sie an Munterkeit der Wendungen das
2
3te Wochenblatt Deutschlands. Der Gesang
Rhyngulphs
des Barden soll
3
von einem Advokaten aus der Lausnitz seyn: sie werden in ihm einzelne gute
4
Gedanken finden; aber Bardentöne –
altum silentium!
Das vorhin
genante
5
Drama:
Naemi
ist dünkt mich in manchen Stellen sehr
Oßianisch
. Man macht
6
in Deutschland
auf
aus P.
Denis
Oßian
viel; ich kann ihn aber nicht
7
ausstehen, er ist in Homerisch seyn sollende Hexameter hingeschwemmt –
Als
wenn
8
nicht ein großer Unterschied wäre, zwischen
einem
dem sanften süßen
9
Geschwätzeton des Griechen u. der rauhen Kürze des Barden. Den meisten Ton
10
in die Posaune über ihn scheint die Fama zu blasen, die Club ist, u. sich freut,
11
daß ein Jesuit in Wien Klopstocken seinen Freund nennt, u. den
Oßian
12
übersetzet. Die Anmerkungen des Cesarotti u. die versprochne Abhandlung des
13
D. Blairs ist mir lieber als seine Hexametrisirung. Mosheims Geschichte
14
Servets habe anfangen wollen, aber nicht können: der Mann schwatzt ja zu
15
unerträglich
süß u. langweilig.
16
Hinz in Mitau ist sehr beschäftigt, oder vielmehr, was eigentlicher ist, da
17
er nichts zu thun hat, sehr unruhig. Er hat noch weder an mich, noch seine
18
hiesigen genauern Freunde anders geschrieben, als 2. mal ein Paar Zeilen,
19
in denen einige auch an mich waren, aber nichts enthielten. Vermuthlich
20
müßen ihm seine Reisesachen u. s. w. im Kopfe stec
h
ken.
21
Eben hab’ ich die ersten 8. Riedelschen Zeitungen gelesen, u. sie sind nichts,
22
als was andre ihres Gelichters gewesen. Ueberall blickt Anekdoten- und
23
Partheigeist vor, u. ein unerträglicher Capriccio, der etwa nur den Hippelschen
24
Spott in ihren vorigen Zeitungen neben sich hat. Ich sehe, daß Sulzers
25
Wörterbuch zum Druck fertig liege, worauf ich mich in unserer
elenden
Zeit sehr
26
freue. Die kritischen Wälder setzt er ohne Scheu’
u.
Schande auf meinen
27
Namen, u.
hat in seiner Recension eine Feder mit zwei Spitzen: die eine
28
mahlt einen guten Kopf, die andre einen reißenden Wolf. Mich wundert, daß
29
ich in so langer Zeit, da diese Wälder heraus sind, noch von ihnen u. über sie
30
keine Sylbe aus Deutschland höre, u. sie selbst gesehen habe auch nicht.
31
Hr. Secret. Berens ist in Peterburg. Ich habe Ihren Brief in sein Haus
32
geschickt, weil man ihn täglich erwartet. Sein Bruder George ist
sein se
mein sehr
33
guter Freund, der mich fleißig besucht, und mit dem ich, so bald Früling wird, Wald
34
u. Feld zu durchstreichen gedenke, wie Fieldings Adam mit seinem lieben Joseph.
35
Wer ist Verfaßer von der
Physique de la Beauté,
die ich mir aus
ihrem
36
Französisch Deutschen Exemplar so fleißig excerpiret? Diderots Artikel
Beau
37
habe gelesen, u. außer einigen meiner Lieblingsideen, wie sich das Schöne in
S. 442
uns entwickle, u. einer recht guten Kritik über die, die vor ihm vom Schönen
2
geschrieben, nichts gefunden, was neue Theorie hieße.
3
Da ich einmal Rhapsodisch schreibe: haben Sie Klopstocks Blatt über das
4
Publikum im ersten Theil des Nord. Aufs. gelesen? Es hat immer etwas vom
5
Siegel Kl., gegen welches alle Riedelsche Briefe nichts sind. Sein neuer
6
Gesang über die Annehmung des Abadonna in der Hällischen Biblioth. hat mich
7
ungemein kalt gelaßen, um so begieriger aber bin ich auf sein Trauerspiel
8
Hermanns Schlacht mit allen seinen Bardenchören.
Oßian
soll auf
dies
ihn
9
große Eindrücke gemacht haben, u. in deßen Seele leben. Es wäre
10
unverzeihlich, wenn sie den Ugolino ihres Gerstenbergs noch nicht gelesen hätten. Alle
11
Klotzianer u. Weißianer schimpfen drauf; ich finde in ihm Züge des Genies,
12
wie noch in keinem Tragischen Dichter von Deutschland. Hier ist ein
13
Marionettenspieler gewesen, deßen
Sujets
Entwürfe zu seinen Durchlauchtigsten
14
Helden- u. Staatsaktionen ich gern gehabt hätte, um einen Begrif von
alle
15
unsern alten Deutschen Stücken zu bekommen: er ist aber zu frühe entwischt.
16
Andre Neuigkeiten von unserm Orte weiß ich Ihnen nicht zu schreiben:
17
es wäre denn von Kriegssteuer und schweren Zeiten, eine Materie, die zu
18
bleiern ist, um unsere Briefe zu füllen. Musikalische Concerte haben wir diesen
19
Winter über gehabt, aber zu Vokalstimmen der Oratorio’s will sich keine
20
unsrer Schönen erbitten
laßen,
21
quibus liquidam pater
22
vocem cum cithara dedit
23
und so bleibt für mich das Beste der Musikerlustigungen aus.
24
Was sagen Sie zu meinem verbröckelten todten Briefe? Er ist wie meine
25
Seele. Es drückt mich meine Situation, wie ein Harnisch, von allen Seiten,
26
u. wahrhaftig die Musen sind schlechtere Erleichterinnen, als die bezauberten
27
Princeßinnen, um Don-Quixote seinen Helm abzulösen. War ich nicht
28
vormals vergnügt u. munter u. hatte gute Ruhe? Nun aber muß ich leben, wie
29
unter Todten u. wie ein Käuzlein in verstörten Städten. Man kann die
30
Menschheit nicht lieben, wenn man nicht alle Situationen derselben kennet,
31
und wer wollte sie alle kennen? Ich werde anfangen, Romane zu lesen, die
32
sollen mir Welt u. Stadt u. Gesellschaft seyn: aber wahrhaftig keine
33
Liebesromane. – –
Wielands so fruchtbare
Feder hat für mich viele vergnügte Stunden
34
gebohren; aber seinen Idris komme nur immer bis zum 2ten Gesange. Das
35
Stück, das mich von ihm am meisten gerührt, ist eine kleine Ode hinter seinem
36
Idris in der Häll. Bibl. sie ist aus seinem Herzen, und schöner, als alle
37
Lohensteinsche Perlenzimmer seines Idris. Die anziehende Episode der
S. 443
Nanette im Tristram ist darinn vortreflich eingewebt, u. die Ode von ihm
2
vielleicht in der
Faßung
geschrieben, als da
s
Sie
in ihrer Beilage zum
Dangeil
3
mit Ihrem Gemmingen sagten: Dich glücklichen Leichtsinn! find ich nicht mehr.
4
Ich schließe diesen Brief so zerstreut und verdrüßlich, ob es gleich in der
5
Morgenstunde ist, u. so müde, ob ich ihn gleich 14. Tage durch
Absatzweise
6
geschrieben, daß ich kein Wort mehr weiß, als Sie um Ihre baldige Zuschrift
7
freundschaftlichst zu bitten.
Provenienz
Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 1886. 53, Nr. 8).
Bisherige Drucke
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 51–57.
ZH II 437–443, Nr. 358.
HBGA I 130–135, Nr. 55.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
437/12 |
aus einander ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: auseinander |
437/12 |
Nichtgnugthuende ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Nichtgenugthuende |
437/13 |
s Sie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie |
437/21 |
u. ein ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: u. |
437/26 |
auffängt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: aufhängt |
437/27 |
elend verstümmelt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: elend und verstümmelt |
437/28 |
eine die ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: die |
437/28 |
u ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: u. |
437/29 |
Deutschland ) |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Deutschland |
437/29 |
be gelehrtem ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gelehrtem |
437/35 |
Wißen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wissen |
438/10 |
exs ecriren ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: exsecriren |
438/17 |
de n r ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: de in r |
438/21 |
Etwas ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Etwas, |
438/25 |
Ihnen, |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ihnen |
438/30 |
Gewissen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gewißen |
438/32 |
Johnsonsche ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Jonsonsche |
438/32 |
Kanter ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Kanter |
438/33 |
müßen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: müssen |
439/3 |
zugeschworen , . ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: zugeschworen. |
439/4 |
ich an die ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ich die |
439/9 |
wir Pr , ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: wir, Pr |
439/19 |
dörfte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: dürfte |
439/21 |
Meße ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Messe |
439/29 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
439/33 |
Familiennachrichten ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Familiennachrichten, |
439/36 |
B neuen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: neuen |
439/37 |
Verf. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Verfaßer |
440/2 |
gnug ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: genug |
440/4 |
Pythagoräer ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Pythagoreer |
440/9 |
Gewiße ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gewisse |
440/22 |
s als ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: als |
440/30 |
die er |
Geändert nach der Handschrift; ZH: d er ie |
440/36 |
Leßingen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Lessingen |
441/4 |
genante ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: genannte |
441/5 |
Oßianisch ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ossianisch |
441/6 |
Oßian ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ossian |
441/7 |
Als ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: als |
441/11 |
Oßian ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ossian |
441/15 |
unerträglich ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: unertraglich |
441/25 |
elenden ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: elenden |
441/26 |
u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: und |
441/27 |
Namen, u. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Namen und |
441/35 |
ihrem ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ihrem |
442/8 |
Oßian ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Ossian |
442/20 |
laßen, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: laßen |
442/33 |
Wielands […] fruchtbare] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wielands fruchtbare |
443/2 |
s Sie ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie |
443/2 |
Faßung ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Fassung |
443/2 |
Dangeil ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Dangeuil |
443/5 |
Absatzweise ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Absatzweite Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): Absatzweise |