353
423/2
An meinen alten lieben Hamann!

3
Denken Sie von mir, von meinem finstern Stummseyn, von meinem ganz

4
andern Ausdruck, von meiner
Fahrläßigkeit
– von allem was in und an mir

5
Ihnen fremd und unerklärlich vorkommt, was Sie wollen; nur nichts

6
Rechnung des Autors
vgl.
HKB 352 ( II 422/11 )
; zur Trennung von Autor und Person vgl.
Herder,
Journal meiner Reise im Jahr 1769
, S. 12f.
schieben Sie auf die Rechnung des Autors. Gottlob! daß dieser über meine

7
Denkart noch so wenig Herrschaft bekommen, u. mich nur zu so unterbrochnen

8
Stunden reitet, daß ich in großen Zwischenzeiten so sehr mein eigner Herr

9
Kabinettsprediger nach Orenburg …
An einem sehr abgelegenen Ort: Orenburg ist Mitte des 18. Jahrhunderts südlich des Urals als Außenposten Russlands an der Grenze der Zivilisation gegründet worden.
bin, um als Kabinettsprediger nach Orenburg oder als Divisionsprediger

10
nach der Tartarischen Steppe mitgehen zu können. In der That, bin ich so

11
Diversion
Ablenkung
wenig abgeneigt, eine Diversion in meinem lieben Lebenswandel zu machen,

12
Krieg
Das Russische Reich, zu dem Riga gehörte, führte seit 1768 Krieg mit der Türkei (die Kriegsschauplätze waren aber eher am schwarzen Meer); zugleich bereitete erhöhter, auch militärischer Druck auf Polen die erste Teilung von 1772 vor.
daß wenn unser Krieg gegen andere, als gegen die Türken u. in einem andern

13
Zwingel
Ulrich Zwingli
kam als Feldprediger in der Schlacht bei Kappel um.
Lande, als in Polen wäre, ich, aber ohne ein Zwingel werden zu wollen, oder

14
Nachtrag zu den Briefen der Montague
Montague,
Nachtrag zu den Briefen der Lady Marie Worthley Montague
(die
Briefe der Lady Montague
handelten auch von den Sitten der Türken; Hamann behandelte sie in den
KGPZ
, vgl.
HKB 264 ( II 253/17 )
).
einen Nachtrag zu den Briefen der Montague im Sinn zu haben, mich zur

15
streitenden Kirche
ecclesia militans (hier ironisch für Militärseelsorge)
Loder
Johann Loder (1687–1775), protestantischer Theologe in Riga und Oberkonsistorialrath. Herder verließ Riga 1769 als dessen designierter Nachfolger.
streitenden Kirche bekennen würde. – – Da unser alte
Loder
(Pred. bei der

16
Jacobskirche, benannt Abrah. v. St. Clara, Rect. bei dem Lyceo u.

17
Consistorialrath) ein abgelebter Greis ist, der sich seit Viertheil Jahren nur noch

18
fortkrücket u. fortgängelt: so wird mir von allen respek. Gouvernements

19
Ritter u. Kronspersonen seine Stelle zum Voraus
geweißagt
. Und da ich

20
unter ihnen viele Freunde habe, ohne daß ich einen Menschen in der Welt

21
meiner Aufwartung würdige: so finde ichs sehr Ehrwürdig zu schweigen u.

22
zu warten. Thun Sie auch beides: denn wenn dies nicht: so ists was

23
anders. – –

24
Ihrem Lindner sagen Sie, daß die Schule in Petersb., zu der Er u. ich

25
beruffen wurden, äußerst abnehmen soll, daß die würdigsten

26
Kirchenconventsglieder sich aus Ueberdruß u. Ermattung aus der ganzen Sache ziehen, daß

27
zwischen Willamov u. dem Oekonom, der doch unter ihm stehen sollte, Zank

28
herrschet, kurz, daß ich glaube, daß W. so der Schule, als die Schule ihm zur

29
stillen Last falle. Vieles soll auf Rechnung der Frauen kommen, die in der

30
That auch zu viel über ihn kann. Ich habe ihm bei dem Durchgange den letzten

31
Abend alles
geweißagt
, da ich ihn kenne, u. die Schulstelle
beßer
kannte, als

32
er: denn kein Mensch ist je mit falschern Erwartungen u. abweichendern

33
Abraham aus Ur in Chaldäa
1 Mo 11,31
Aussichten in ein fremdes Land gezogen, als dieser Abraham aus Ur in Chaldäa.

34
geschrieben
nicht überliefert
Seine Frau hat ein paarmal an mich geschrieben, u. er ihren Brief begleitet;

35
aber so fremd
der
und stumm von der Schule, als wenn er
Policeidirektor

36
Akademie
Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg
oder
Rußischer
Präses der Akademie wäre, ohne ein Wort Latein zu

S. 424
verstehen. Ich weiß also nicht, ob die Sache anders, als ein lahmes Ende nehmen

2
wenn Lindner ihn kannte
Lindner empfahl Willamovius an die Deutsche Schule in St. Petersburg.
kann: u. wenn Lindner ihn kannte, hätte er ohne innerliches Licht so ein Prophet

3
seyn
können. Wenn Willamov zum Direktor einer pompösen Schule in Peterburg

4
nach den ewigen Anlagen der Natur gebauet ist: so bin ich Türkischer Mufti.

5
Nun komme ich zu meiner Lecture, die ich aber kaum Lecture nennen kann.

6
Der Landpriester von Wakefield ist für mich ein so liebes Menschliches

7
Mährchen gewesen, daß ich ihn dreimal gelesen u. ihn noch Englisch zu lesen wünsche.

8
Das albernste Ding als Roman, insonderheit in der
Entwicklung
.
,
aber voll

9
der launigsten Charaktere, mit einem so eignen stillen Humour gezeichnet,

10
der nur aus zwo Farben zu bestehen scheint, aber so Seelenvoll, so

11
stillredend, als die Züge eines Gesichts, in dem Geist
u.
Ausdruck wohnen: voll

12
Sittensprüche, die aus der Menschlichen Natur just da ausgeschnitten sind,

13
Mösers …
Möser,
Schreiben an den Herrn Vikar in Savoyen
; in Auszügen abgedruckt in den
Literaturbriefen
, XXIII (1765), 327.–328. Brief.
wo sich Verstand u. Herz trennen. Ich trage mich mit dem Gedanken, Mösers

14
Vikar
Die im 4. Buch von
Rousseaus
Emile
eingeschobene „Profession de foi du vicaire savoyard“ war eine der umstrittensten Passagen und der Hauptgrund für die Zensur des Buches.
Brief an den Vikar (er ist selten u. einen Auszug finden
sie
in den letzten

15
zu beantworten
Herder führte diesen Einfall nicht aus
W.
Wakefield
Theilen der Litt.
Br.)
im
Ton des Landpriesters von W. zu beantworten:

16
denn auf der halbchristlichen Welt Gottes kann kein verschiedner Triumvirat

17
von Denkern seyn, als der Vikar in Savoyen, der HE. Justitzrath Möser,

18
u. der Englische Landpriester. Der mittlere macht die Religion zum Klotz

19
am Fuße des Pöbels, u. uns arme Prediger also zu schwarzbemäntelten

20
Lakeien
der Justizräthe, wer wollte das seyn?

21
Ich habe seit geraumer Zeit in einigen trüben Stunden den Gedanken

22
Diogenes seine Tonne
Diogenes von Sinope
wohnte in einer Tonne; vgl.
Mendelssohn,
Philosophische Schriften
, I, Vorrede: „Diogenes sahe einst die Bürger zu Corinth mit grossen Kriegesrüstungen beschäftiget, und um nicht der einzige Müssiggänger im Staate zu seyn, wälzt er seine friedsame Tonne auf und nieder.“
Sokrates
zeitgenössisch bekannter Spitzname für
Moses Mendelssohn
umhergewälzt, wie Diogenes seine Tonne, ein Schüler Sokrates zu werden,

23
u. ein viertes Gespräch zu den drei Mendelsohnschen zu schreiben, aber ein

24
Gespräch Zweifel
vgl. zu dem Entwurf SWS XXXII, 200f.
Gespräch Zweifel. Sokrates ist todt, seine Jünger feiren
sein
en
Abendmal, u.

25
Simmias
einer der Hauptgesprächspartner in
Plat.
Phaid.
ein Simmias unter ihnen käuet die Zweifel herauf, die mich bei Lesung des

26
Mosesschen Phädon nicht
verlaßen
. Dieser möge also alsdenn den Sokrates

27
Philoktet …
Am Ende des
Sophokleischen Philoktet
tritt Herkules als Deus ex machina auf.
von den Todten aufwecken, und wie im Sophokleischen Philoktet der

28
Herkules, so hier der erscheinende Nichtswißer, zu entscheiden. Da ich indeßen mit

29
Moses u. den Propheten
Lk 16,29
; gemeint ist natürlich
Moses Mendelssohn
Mo
meiner Unsterblichkeit der Seele, wenn ich einmal Moses u. den

30
Propheten nicht glaube, nicht viel weiter als bis zur Pythagoräischen

31
Seelenwanderung, oder Seelenbleibung kommen kann: so wird eben damit auch

32
dignus vindice nodus
dt. Knoten, der einer Lösung bedarf, nach
Hor.
ars.
, 191: „nec deus intersit, nisi dignus vindice nodus inciderit“
der
dignus vindice nodus
einer Erscheinung vorweg geknüpft: und HE. Moses

33
wird zu seiner Philosophie, als zu einer Freistadt
fliehen
müßen
– müßen,

34
aber ich sehe nicht, wie dahin kommen. Der ganze Charakter Sokrates dünkt

35
mich bei Moses schielend: sein Lebensbeschreiber unserer Tage sollte sich

36
Plato u. Xenophon …
d.i. zwischen (nicht hinter) den Sokrates-Bildern
Platons
und
Xenophons
, ebenso wenig
Cooper,
The life of Socrates
folgend
zwischen
eine des Plato u. Xenophon stellen; Moses steht
hinter
u. zupft

37
wechselsweise den einen oder den andern, oder gar den Englischen Kooper.

S. 425
Philosophical Enquiry
Burke,
Philosophical Enquiry
Ihre
Philosophical Enquiry into the Idees of the Sublime and Beautiful

2
Uebersetzers …
wohl
Johann Jakob Harder
; Herder führte den Plan nicht aus
sind durch Hände eines Uebersetzers gegangen, der mich um Vorrede u.

3
Anmerkungen ersucht hat. Ich habe sie ihm versprochen u. denke sie mit mehr

4
Werth u. Wichtigkeit diesem Klaßischen Buch hindanzuschreiben, als HE.

5
Klotz …
Klotz
verfasste etwa eine Vorrede zu
Caylus,
Vermischte Abhandlungen
.
Klotz seinen Namen den Caylus’ u. s. w. vorkritzelt. Ich warte auf die dritte

6
Englische Ausgabe, die der Verfaßer
Mr. Burke
vermehrt u. mit einer neuen

7
Abhandlung vom Geschmack
Die „Introduction on Taste“ zu
Burke,
Philosophical Enquiry
war bereits in der
2. Auflage von 1759
enthalten, ebenso in allen weiteren.
Abhandlung vom Geschmack begleitet
herausgegeben;
die ich
aber
nur eben

8
jetzt aus einer französischen Uebersetzung (
Recherches philosophiques sur

9
l’origine
des Idees, que nous avons du Beau et du Sublime traduites par

10
l’Abbe D. F. London
1766.
)
kennen lerne. Die Uebersetzung dieses Buchs

11
wird vielleicht zeitig gnug kommen,
um
der
der
neuen

12
Darjes-Riedel-Hutchesonschen Aesthetik etwas in Weg zu treten.

13
Außerdem bin ich von hieraus (vorzüglich von Secr. Berens) ersucht, die

14
Rußischen Platon …
Levšin,
Rechtgläubige Lehre
; vgl. Herders Vorrede SWS XXXII, 202
Werke unsres großen Rußischen
Platon
(Hieromonach, Lehrer des

15
Großfürsten u. s. w.) davon der erste Theil eine Theologie, die schon auswärtig

16
sehr bekannt
sind
ist,
d
enthält
, der zweite Predigten, die edel u. simpel, wie

17
die Homilien des Chrysostoms
sind
)
enthalten soll, mit ein paar Worten in

18
die Welt einzuführen. Ich sehe jetzt den ersten Theil der Uebersetzung über.

19
Westfeld
Christian Friedrich Gotthard Westfeld
; der Brief vom 19. August 1768 ist abgedruckt in
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild,
I,2, S. 361–363.
Der Graf von der Lippe hat durch seinen
Policeidirektor
, Westfeld, mir über

20
Abbts
Sch
Torso seine Achtung versichert. Der Brief ist, wie vom

21
Policeidirektor, der aber auch hinten nach selbst gelehrt thun will: er denkt auch an

22
Ihre Schriften, daß er sie läse, u. bald zu verstehen
hoffte
. Sie sehen, daß der

23
Hamannischen Club
vgl. die Polemiken von
Klotz
über die Hamännchen, zu
HKB 339 ( II 389/28 )
und
HKB 346 ( II 402/1 )
Wind von einem Hamannischen Club bis unter den Westphälischen Eicheln

24
wehe.

25
Da ich mich seit einiger Zeit etwas mehr, als vorhin aufs Englische lege:

26
Sir Hudibras
Butler,
Hudibras
so finde ich insonderheit jetzt an meinem
Sir Hudibras
Unterhaltung: und

27
Humischen Essays …
Hume,
Essays
, 4. Bd., S. 189–234: 17. Versuch „Von dem Ursprunge und Fortgange der Künste und Wissenschaften“
Prosaisch habe ich
insonderheit
mich am 4ten Theil der
Humi
schen
Essays,

28
im Englischen ist er der erste, vorzüglich bei der Abhandlung
on the rise

29
Kuhhaut zu einem Carthago
nach der Sage der Stadtgründung durch Dido,
Verg.
Aen.
, 1,365–368
of the Arts and
Sciences
sehr genährt: diese Abhandlung ist eine Kuhhaut

30
zu einem
Cha
Carthago, das größer ist, als selbst Winkelmanns Tempel

31
Yorik’s Predigten
Sterne,
Sermons
(die Übersetzung erschien in Zürich)
der Kunstgeschichte. Ich besitze Yorik’s Predigten; die sonst getreue deutsche

32
Uebersetzung hat die Laune des Autors, sein
läßiges
Herzälen der Ideen, sein

33
träumendes Ausschütten des Herzens, u. die beständige Mine: was gehts

34
mich an? ganz verfehlt. Der zusammenverschlungne Deutsche Periode mag

35
Zürchisch
seyn;
Yorik’sch ist er wahrhaftig nicht. Sonst habe ich mich durch den

36
Churchill
Churchill,
Sermons
Namen
Churchill
blenden laßen, auch seine Predigten zu haben: sie sind

37
nichts, als vom Gebet, aber kein Funke von dem Geist Churchill’s, den ich

S. 426
erwartete. Dünkt’s Ihnen nicht besonders, daß die drei grösten Englischen

2
Humoristen
,
S
der neuern Satyre, Swift, Sterne, Churchill, der aber blos

3
Giftvoll ist, Prediger sind?

4
Sterne’s Laune
Laurence Sterne
; zum Launischen in der englischen Literatur vgl.
Herder,
Fragmente über die neuere Deutsche Literatur
, 1. Sammlung, 2. Auflage, S. 585
An Sterne’s Laune kann ich mich nicht satt lesen. Eben den Augenblick,

5
sentimental journey
Sterne,
Sentimental Journey
da ich an ihn denke, bekomme ich seine
sentimental journey
zum Durchlesen,

6
u. wenn nicht meine Englische
Sprachenwißenschaft
scheitert, wie angenehm

7
werde ich mit ihm reisen. Ich bin an seine
sentiments
zum Theil schon so

8
gewöhnt, sie bis in das weiche innere Mark seiner Menschheit in ihren zarten

9
Fäden zu verfolgen: daß ich glaube seinen Tristram etwas mehr zu
verstehn,

10
als
the common people.
Und um so mehr ärgern mich auch seine verfluchten

11
Säuereien u. Zweideutigkeiten, die das Buch wenigerer Empfehlung fähig

12
machen, als es verdient. Die andern Sachen, die eben vor mir liegen, sind:

13
a pindaric address …
Anstey,
The Patriot
a pindaric Address
to
Lord Buckhorse,
mit dem Titel
the patriot,
die

14
wie ich sehe einen
appendix to the Patriot
hat
the Author’s Conversation

15
with his Bookseller.
Und denn zweitens, worauf ich mich noch mehr
freue

16
the new Bath Guide …
Anstey,
The New Bath Guide
the new Bath Guide or Memoirs of the B-r-d Family in a Series of Poetical

17
epistles by Christ.
Anstey
– Dodsley.
Eine prächtige Ausgabe von einigen

18
Gay’schen Oden
Verschreibung für Gray;
Gray,
Poems
Gay’
schen
Oden, die Sie sich wahrhaftig in Ihrer
Collection of several Poems

19
werden
ausge
nommen
zeichnet
haben, z. E. Kirchhofs Elegy, Etonscollege, Früling

20
Richard Bentlei
Richard Bentley (1708–1782), Sohn des berühmten Philologen; Herder meint die Ausgabe
Gray,
Disigns by Mr. R. Bentley for six Poems by Mr. T. Gray
u. s. w. Die Kupfer hat Richard Bentlei angegeben: sie sind aber ohne

21
Royalfolio
Großfolio-Format, hier 38,4 cm Blatthöhe
Geschmack der Kunst. Die Oden selbst sind nur auf einer Seite Royalfolio

22
gedruckt, u. im Druck also nicht so überladen, wie im Innern der Worte. – –

23
Von wem ich alle diese Bücher erhalte? Die letzten von einem unsrer

24
Schröder
Student in Riga und Freund von Herder und
Hartknoch
Stadtkinder, Schröder, der aus England von seiner Reise eine unbeschreibliche

25
Liebe zu alle dem mitgebracht, was Englisch heißt. Heute
ist
an unserm

26
Martinstage
Der Martinstag liegt fest auf dem 11. November; nach gregorianischem Kalender schreibt Herder also am 22. November 1768.
Miss Bèrens
Johanna Sophia Berens
Martinstage ist der kleinen
Miss
Bèrens
Hochzeitstag mit Ihrem auf doppelte

27
Schwarz, Secr. u. not. publ.
Adam Heinrich Schwarz (1740–1800), aus der Rigaer Kaufmanns- und Ratsherrn-Familie Schwarz; Secr. u. not. publ.: Sekretär und notarius publicus (öffentlicher Notar)
Art vergeschwisterten
Co
Cousin
:
Schwarz
, Secr. u.
not. publ.
u.
vorgedachter

28
a nuptial wish to Mr. Schwarz and Miss Berens
Vgl. die in SWS XXIX, 34 genannte Publikation: „Drey moralische lieder dem moralischen Schwarz und Berensschen Brautpaar zum freundschaftlichen Denkmahl verehret. den 11. November 1768“ (dort ist aber nur Herders „Wiegenlied“ abgedruckt).
Schröder hat
a nuptial wish to Mr. Schwarz and Miss Berens
gesungen,

29
das wenn es nicht in England aufgekapert ist, kurz u. gut ist. Man hat mich

30
beinahe ein ganzes Jahr lang mit diesem kleinen Bräutchen dieses Tages,

31
ausgebracht
ins Gerede gebracht
meiner ehemaligen Schülerin, (wie es hier heißt)
ausgebracht
, u. einige noch

32
klügere Leute haben
wißen
wollen, daß ich blos einer solchen Ursache wegen

33
habe hiergeblieben seyn können. Allein
es
ist
ich wünsche an allen Sünden

34
so unschuldig zu seyn, als an dieser, eines andern Braut zu
begehren,
denn

35
Abimelech
1 Mo 20,2
ich, als ein alter Freund des Hauses, habe längst,
beßer
als Abimelech zu

36
Gerar gewußt,
daß sie sein Weib seyn sollte
.

37
Wieder also auf meine Mönchseinsamkeit. Ich habe das große
recueil

S. 427
d’Antiquités
p. Caylus
seit einigen Wochen bei mir liegen, aber noch hat mir

2
die rechte Richtung der Seele gefehlt, mich unter seinem Stückwerk

3
umherzutummeln. Seine Antiquitäten selbst sind Brocken, die in der Ecke einer

4
französischen
Tasche, in Frankreich sitzen geblieben; aber sein

5
Bemerkungsgeist ist über Französischen Esprit hinweg. Insonderheit hat er durch seine

6
Reisen die Känntniß der Morgenländer lebendig anschauend, bekommen, die

7
Winkelmannen
selbst bei seinen Aegyptern völlig fehlt. Da dieser Alles

8
Griechisch machen will, u. einen nach Griechenland offenbar verpflanzten Zweig

9
für Wurzel hält, so hat er mich insonderheit im Ursprunge der Kunst mit

10
quid-quid Graecia mendax / audet in historia
dt. was immer lügnerische Griechen sich in der Geschichte gewagt haben zu behaupten (
Iuv.
saturae
, 10,174f.)
recht leerem Herzen
gelaßen
, denn man mag mit dem 
quid-quid Graecia

11
mendax
/
audet in historia
/
so weit kommen als man will, zum Ursprung der

12
Kunst, wie der
Wißenschaft
kommt man nicht. Ich habe die Löenschen

13
Reisebeschreibungen u. Geschichten der alten Welt (ich weiß nicht, ob Sie diesen

14
Koloßus
kennen?) consulirt, aber ich kenne keine elendere

15
Zusammenstoppelung, als diese. Von d’Origny hoffe ich mehr, u. meinen Shaw denke

16
ich mit Vergnügen zu wiederholen: weil ich überhaupt gerne etwas tiefer in

17
den Abgrund u. Ursprung dessen, was wir Cultur nennen, tauchen wollte.

18
Können Sie mir dazu, insonderheit über den Ursprung der
Wißenschaft

19
Wüste des Anfanges
1 Mo 1,2
Hülfsmittel sagen: so werde ich Sie als meinen Geleitsmann in dieser Wüste des

20
Anfanges ansehen.

21
Mit unserm theuren Klotz scheint sich die Scene zu verändern, u.
Leßings

22
Briefe scheinen Vorboten zu einem baldigen Glückwünschungsliede an ihn

23
Herelios, Meuselios, Harlesios, Curtios, Hausenios etc.
Johann Friedrich Herel
,
Johann Georg Meusel
,
Michael Conrad Curtius
und
Karl Renatus Hausen
Ceciderunt in profundum
sind in den Abgrund gefallen
u. seine
Herelios, Meuselios, Harlesios, Curtios, Hausenios etc. Ceciderunt

24
in ipso ornando
um sich selbst zu schmücken
in profundum.
Sie haben Recht, daß ich in
se
ipso ornando,
wie er sich

25
claßisch ausdrücken würde, zu sehr den Litterat. Br. gefolgt bin, u. Abbt war

26
gewiß nicht der beste Beurtheiler Aesthetisch, Philosophisch, Horazisch

27
schönlateinischer Lappen. Ich
bin
u. die Litt. Br. sind auch für unsre Indulgenz

28
schon so gnug gestraft, wie ich denke, daß auch ich bald Gelegenheit haben

29
zweiten Stück über Abbt
Gemeint ist der zweite Teil von
Herders
Torso
, der aber nicht veröffentlicht wurde; Herder rechnete öffentlich mit Klotz ab in den
Kritischen Wäldern
.
werde, im zweiten Stück über Abbt manches mit gutem Anstande zu

30
Ein seichter Autor
Gemeint ist noch immer
Klotz
; vgl.
HKB 351 ( II 420/10 )
reklamiren. Ein seichter Autor, der bei aller seiner claßischen
Vielwißerei
Idiot,

31
u. ein süßer Schwätzer vom einseitigsten Geschmack ist, ist, er sei was er sey,

32
indeßen
immer schlimmer beizukommen, als ein andrer von entschiednen

33
in seinem Schlamm versinke
Ps 69,3
Verdiensten u. Fehlern. Das beste ist, daß er in seinem Schlamm versinke. – –

34
halben Bogen anlegen
Herder war mit dem Schreiben des Briefs am unteren Ende der Seite angelangt und quetschte das PS in die Marginalie.
Soll ich noch einen halben Bogen anlegen, nein! ich will Sterne lesen, u.

35
Sie noch zu guter Letzt umarmen. Schreiben Sie mir doch bald, lieber H.,

36
was Sie machen, wie Sie
leben, denken
han
arbeiten u. leiden.

37
H.

S. 428
P. S.
Den Artikel
Corvee
habe ich abschreiben laßen, er wartet auf

2
Gelegenheit bei Hartkn.
Das
Die
Ges
Instruktion
zum Gesetzbuch ist gedruckt

3
u. also auch bald Ihres Orts zu haben. Den Möserschen Br. will ich für Sie,

4
wenn Sie wollen, abschreiben laßen: Von Deutschlands Neuesten

5
Neuigk.
künftig.

Provenienz

Krakau, Jagiellonenbibliothek, Slg. Autographa der ehemaligen Preußischen Staatsbibliothek zu Berlin (ehemalige Berliner Signatur: Acc. ms. 1886. 53, Nr. 7).

Bisherige Drucke

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 46–51.

ZH II 423–428, Nr. 353.

HBGA I 113–117, Nr. 50.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
423/4
Fahrläßigkeit
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Fahrlässigkeit
423/19
geweißagt
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
geweissagt
423/31
beßer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
besser
423/31
geweißagt
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
geweissagt
423/35
Policeidirektor
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Polizeidirektor
423/36
Rußischer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Russischer
424/3
seyn
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sein
424/8
Entwicklung
.
,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Entwicklung,
424/11
u.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
od.
424/14
sie
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sie
424/15
Br.)
im
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Br) im
424/20
Lakeien
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Lakaien
424/24
sein
en
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sein
424/26
verlaßen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
verlassen
424/33
fliehen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
fließen
425/7
herausgegeben;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
herausgegeben,
425/9
l’origine
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
l’Origine
425/10
1766.
)
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
1766
)
425/11
um
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
und
425/11
der
der
neuen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
der neuen
425/16
d
enthält
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
enthält
425/17
sind
)
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sind,
425/19
Policeidirektor
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Polizeidirektor
425/22
hoffte
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
hoffe
425/29
Sciences
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sciences,
425/32
läßiges
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
lässiges
425/35
seyn;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
seyn:
426/2
Humoristen
,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Humoristen
426/6
Sprachenwißenschaft
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Sprachwissenschaft
426/9
verstehn,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
verstehn
426/13
to
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
to the
426/15
freue
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
freue,
426/18
Gay’
schen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Gray’
schen

„Gay“ von Herder unterstrichen, am Rand markiert: „Es war, denkt man,
Gray
.
426/19
ausge
nommen
zeichnet
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ausgezeichnet
426/26
Bèrens
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Berens
426/27
Co
Cousin
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Cousin
426/27
u.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u.
426/32
wißen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
wissen
426/33
es
ist
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
es ist
426/34
begehren,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
begehren;
426/35
beßer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
besser
427/1
d’Antiquités
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
d’antiquités
427/7
Winkelmannen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Winkelmann
427/10
gelaßen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gelassen
427/11
mendax
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
mendax,
427/11
/
]
Geändert nach der Handschrift: Absatzwechsel.
427/11
/
]
Geändert nach der Handschrift: Absatzwechsel.
427/12
Wißenschaft
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Wissenschaft
427/14
Koloßus
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Kolossus
427/18
Wißenschaft
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Wissenschaft
427/21
Leßings
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Lessings
427/30
Vielwißerei
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Vielwisserei
427/32
indeßen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
indessen
427/36
leben, denken
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
leben,
428/2
DasDie […] GesInstruktion]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Das G
Die Instruktion
428/5
Neuigk.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Neuigkeiten