339
389/11
Kgsberg den
16
Febr.
1767.

12
Liebster Herder,

13
Ich habe Ihnen zum Neuen Jahr gewünscht oder mit dem Anfang deßelben

14
geschrieben; erwarte aber wenigstens mit Ihrem Freund und Verleger eine

15
Antwort, weil ich vermuth
lich
e daß Sie an Ihrem 4ten Theil oder der

16
neuen Auflage der ersten Theile Ihrer Fragmente fleißig seyn werden. Es

17
deucht mir daß ich unter Kummer und Elende dick und fett werde und ich habe

18
nicht ermangeln wollen Sie davon zu
averti
ren. Unser
Directoire

19
Provincial
wird sich diese Woche aus der Junkergasse in das
Billet
sche Haus am

20
Schlosberge verlegen. Der
Chevalier de Mainvilliers
ist dieser Tage nach

21
Mietau
durch gegangen
où sa mere l’a pondue
wie er sich gegen unsern

22
Freund L. ausgedrückt hat. Ein halb wahnsinniger Bettler, aber von der

23
unschädlichen Art wenigstens hier gewesen. Ich hab ihn gar nicht gesehen. Unsere

24
Bühne hat hier aufgehört und HE
Lauson
hier zurückgelaßen der Hoffnung

25
hat bey unsern
Bureaux de Plombage
anzukommen. HE. Cammer
advocat

26
Hippel
hat ein neues Stück darauf geliefert das mit einer bittern Kritik an

27
unsern Laternpfosten beehrt worden, die jetzt eben so witzig hier werden als

28
die Klötze in Halle. Die neue
Castigatio
der Bibliothek der Schönen

29
Wißenschaften wird dem
Lindner
schen Lehrbuch den Boden ausstoßen und hat die

30
Bestimmung meiner längst phantasirten Aspasie entwickelt, die wenigstens auf

31
die Beredsamkeit zufolge Platons Gesprächen losziehen wird. Eine

32
Leichenrede auf diejenigen Schriftsteller die auf dem Schlachtfelde der deutschen

33
Bibliothek geblieben sind und einige Maulschellen für den Sokrates des

34
deutschen Phädons würde auch vielleicht angebracht werden können.

35
Bestellen Sie durch HE Hartknoch oder irgend einen Unbekannten Einlage

S. 390
bestens. Ich schmeichele mir daß Sie vor der Abreise Ihres Verlegers oder

2
nach derselben einige müßige Augenblicke haben werden. Laßen Sie sich den

3
Hohn der Kunstrichter nicht abschrecken mein alter Freund zu bleiben. Schicken

4
Sie mir doch durch Hartknoch worum ich Sie so lange gebeten ein Verzeichnis

5
meiner Bücher mit. Haben Sie auch ein Werk von
der
Aegyptischen

6
Historie
in 2 Theilen französisch von mir. Ich weiß nicht ob ich es Ihnen oder HE

7
Arndt gegeben. Ich habe es sehr lieb gehabt und es fehlt mir jetzt unter den

8
Büchern die ich unlängst aus Curl. bekommen. HE. M. Kant arbeitet an

9
einer Metaphysik der Moral die im Contrast der bisherigen mehr

10
untersuchen wird was der Mensch ist als was er seyn soll; wenn sich das erste

11
fügl. ohne das
letzte im eigentl. Verstande
bestimmen läßt. Doch Sie

12
werden mich so gut als Kant verstehen. Leben Sie vergnügt und zufrieden.

13
Ich bin Ihr aufrichtig ergebener

14
Hamann.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 53.

Bisherige Drucke

Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 226–228.

ZH II 389 f., Nr. 339.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
389/11
Febr.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Febr.
390/5
der
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
der