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Mitau den
8 May 66.

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Herzlich geliebtester Vater,

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Ich habe neulich einen kleinen Versuch gemacht mich auf Habergrütze und

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Brodt einzuschränken, bin aber durch den Besuch des HE Herders darinn

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unterbrochen, der seine alte Ostern hier zugebracht, und vorgestern wieder

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zurück gereiset ist. Sie haben ein Verlangen mich zu sehen und das meinige

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ist eben so groß; nun Gott wird Sie noch erhalten, wo Sie
mir
mehr

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Vergnügen als gegenwärtig von mir genüßen können. Es giebt Augenblicke, in

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denen Sie mehr beklage als mich selbst. Wir haben von HE Hofrath seit

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einigen Posttagen keine Nachricht erhalten. Der HE Cantzler soll bereits

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diese Woche aus Warschau abgegangen seyn. Ich freue mich herzlich den HE

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Prof. eher als wir gedacht hier zu umarmen, und habe viel Lust ihn nach

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Petersburg nachzufolgen; denn hier ist mir alles zuwieder, und kann auf

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keinen die Schuld schieben als mich selbst. Gott giebt Ihnen jetzt wenigstens

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Zeit für Ihre Kinder zu beten; das letzte und beste, das Sie für uns thun

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können. Ich habe gestern das Bett hüten müßen, weil ich im Vergnügen mit

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meinem Freund Herder vermuthlich zu unmäßig gewesen bin. Gottlob!

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unsere Kinder befinden sich gut und gesund; und das übrige gehe nach

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Gottes Willen.

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Von meinen englischen Büchern weiß noch nichts. HE Prof. wird so gütig

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seyn dafür zu sorgen, und Sie, ihn daran zu erinnern.

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Grüßen Sie, Herzlichgeliebtester Vater HE
Nuppenau,
Jgfr. Lieschen und

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alle gute Freunde von mir. Ich kann nicht mehr schreiben, sondern empfehle

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Sie bestens Göttlicher Gnade und mich Ihrem Väterlichen Andenken als

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Ihr gehorsamst ergebenster Sohn.

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Johann Georg Hamann.


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Adresse:

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à Monsieur / Monsieur Hamann / Chirurgien bien renommé / à /

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Cönigsberg
. / fr. Mümmel.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (86).

Bisherige Drucke

ZH II 367 f., Nr. 324.