386
S. 38
Kgsberg den 20
Mart
73.

2
Ich freue mich, daß Sie in Ihren Mantel und Kragen so verliebt sind.

3
Sehen Sie meine Muse nicht für Potiphars Weib an. – – Wo fang ich an,

4
wo hör ich auf? – Ich erhielt eben auf dem Bette, wo ich meine Mittagsruhe

5
hielt, Ihren Brief, liebster Herder! Nun Gottlob! daß Sie einmal das

6
Selbstgespräch erhalten haben und daß
M.
Cölius
der Mann ist, dem Sie diese

7
Verbindlichkeit zu verdanken haben. – –

8
Ha! ha! Die krause anomalische allegorische Figuren sind mir zum

9
Element
worden, ohne das ich weder athmen noch denken kann. Da Sie mich

10
für Potiphars Weib ansehen, warum soll ich nicht unsern
römischen

11
Correspondenten
mit
Jaels Weibe
vergleichen.
Milch
gab sie da er
Waßer

12
forderte
und Butter brachte sie dar in einer herrlichen Schaale – – Ihnen durstete,

13
HochwolEhrwürdiger Freund! nach dem wäßrichen Selbstgespräch – und

14
siehe! erhalten zugl. eine fette Antwort – nebst einem
Nagel
und einem

15
Schmiedehammer
, der Ihnen ein kleines Hauptweh zugezogen. Brauchen

16
Sie beyl. Balsam
No
22. und wenn er Ihnen wohl thut, so vergeßen Sie

17
nicht mit Debora zu singen:

18
Geseegnet sey unter den Weibern Jael!

19
Das Weib Hebers des Keniters!

20
Geseegnet sey sie in der Hütte unter den Weibern!

21
Mein
lieber Herder! Sie beleidigen die
Freundschaft
durch nichts so sehr

22
in meinen Augen als durch das Geheimnis, das Sie mir von dem Namen

23
und dem Bilde Ihrer
Liebe
machen. Wie heißt das
poetische
Mädchen, das

24
Sie gefeßelt? Ist Ihr Name ein Geheimnis; und ihr Stand, und ihr Auge,

25
und die Farbe ihrer Haare und alle die tausend Kleinigkeiten, die den Himmel

26
auf Erden im Herz eines glückl. Liebhabers schaffen – – –

27
Wären Sie vielleicht 4 Wochen eher mit Ihrem Gesuch gekommen: so wär

28
ich vielleicht schwach gnug gewesen Sie zum
depositario
meines
verdeckten

29
Gerichts
zu machen – aber unter Bedingungen die Sie mancher Versuchung

30
des Fleisches ausgesetzt haben würde, der Sie gegenwärtig aller überhoben

31
seyn können. Mein
Mst.
ist aber weder so geistl. noch von so verklärter Natur,

32
daß es an zwey Orten zugl.
deponirt
seyn kann. Meines Wißens giebt es

33
gegenwärtig nicht mehr als ein
einziges
Exemplar
auf der Welt; und alles

34
Geräthe dazu hab ich eigenhändig verbrannt –

35
Sorgen Sie nicht. Die
Coelii
und die gantze Kette von der Sie träumen

36
haben nichts gelesen, und wißen von nichts.

S. 39
Beyl. ist der letzte Beytrag vermuthlich zu unseren gel. u politischen Zeitungen.

2
Hier haben Sie alles was in diesem Jahr von meiner Hand ist.

3
No.
14. Montag den
15
Febr. 773.

4
Selbstgesp.

5
Diese 2 Bogen sind, wie es heißt, gedruckt in der Unterwelt mit D. Faustens

6
eigener Hand und unter seinem Mantel, enthalten außer dem, was ihre

7
Aufschrift anzeigt, das
Concept
von dem Briefe eines Chinesers, der sich Mien-

8
Man-Hoam nennt, an einen berühmten Verleger in B‥ und kosten 15 gl.

9
No.
21. Donnerstag den 11 Märtz

10
An den Magum
in Norden

11
haussäßig am alten Graben
zu

12
no
758 p.
Kgsberg in Pr.

13
Dieses ist eine Antwort des
M.
Cölius Serotinus an den Chineser Mien-

14
Man-Hoam und kostet als eine Handschrift, die
NB.
keineswegs gedruckt ist,

15
einen Dimpf.

16
Meine
Catin,
die bisher wie Luthers Käthchen eine Nonne gewesen, hat sich

17
vorgenommen Sie ohne mein Wißen zu beschleichen. Träumen Sie aber nicht

18
zu frühe zum voraus von ihrem Besuch. Bei aller der feinen Seele, worinn

19
Sie Ihrer     ähnlich ist, halt ich sie für eine
Vixen.
Weil sie

20
französisch versteht, so muß ich ihr einen engl. Namen geben.

21
Haben Sie sich auch schon aus der
Histoire philosophique et politique
des

22
indischen Handels erbaut. Sie ist des
Gallerie-Malers
Raynal
würdig und

23
sieht ähnl. Besonders wenn Sie vom 3ten
Tome
anfangen wie der Autor

24
seine Arbeit damit angefangen zu haben scheint.

25
Daß ich Ihre zärtl. Bitte
geschont
zu seyn zum voraus erfüllt habe,

26
bekennen Sie selbst, weil in dem gantzen Dinge nichts als eine einzige
krause

27
anomalische allegorische Figur
vor Ihrer Thür gelegt worden, ohne daß

28
dadurch weder Ihrer Gemeine noch – – – (Freund schreiben Sie mir mit erster

29
Post
Ihren Namen
oder es kommt zum Bruch) das geringste
Scandalum

30
zuwachsen kann.

31
Ihre Provinciallage – Ihre Krisis – Ihr
Amt
sind freylich noch große

32
problemata
für mich. Ich werde alle meine
Magie
aufbieten um im Lande

33
der Schatten nicht anzustoßen.

34
Die
M. Coelii
müßen entweder ihres Handwerks
Lügner
oder
Propheten

35
seyn, daß Sie mir solche ungeheure
Projecte
andichten, von denen ich eben

36
so wenig weiß als jener Theaterheld von seiner poetischen Ader oder vielmehr

37
prosaischen Stärke. –

S. 40
Unterdeßen ist es mir lieb daß das schändl. Capitel vom Patriotismus nicht

2
als
in
Ihrer christl. Moral gantz
defect
zu seyn scheint – – Eben das
Prytaneum,

3
womit Sie mir drohen, wünsch ich mir, wenn es nicht anders seyn kann – –

4
Der innere oder unsichtbare Theil meiner kleinen Autorschaft möchte wol

5
immer der herrlichste bleiben und mich wegen aller der kleinen

6
Ungemächlichkeiten, denen die Außenseite noch ausgesetzt seyn möchte trösten und

7
belohnen. – – Vergeßen Sie mir nicht den Namen Ihrer
Liebsten
zu melden,

8
damit ich im Nothfall an Sie schreiben kann.

9
Die kleinen Mündel empfehlen sich bestens Ihrem Pflegvater. Von der

10
kleinen
Lyß-Schiechen
möchte ich am liebsten mit Ihrer Doris, Chloris,

11
Aspasia, Hipparchia, Myrte, Julia, Clarißa, Pamela pp unterhalten.

12
Meinen Johan Michelchen muß ich
nolens volens
nach Ostern zu einer
Bonne

13
schicken. Er kennt bereits 50 alte Köpfe und ihre Namen, alle Historien in der

14
Bilderbibel, und ist unersättl. nach evangel. Parabeln u dem Mährchen von

15
3 Forellen. Bey einer trefl.
parrhesie
auf eigene Hand, stottert er aber ärger

16
als sein Vater bey Gelegenheit. Von Poesien die weltl. sind, weiß er nichts

17
als Helks: Die Pferde schmeißen, die Hunde beißen pp und lernt alles wie

18
der Blitz und der Wind. – –

19
Mit gutem Gewißen können wir
M. Coelius
immer in unser gelehrtes

20
Triumvirat
aufnehmen. Ich bin fast so gut als neugierig nach seinem

21
verdeckten Gerichte und werd es mir recht gut schmecken laßen. Michelchen hat

22
ohnehin kein Bilderbuch mehr, und soll sich in meinem Namen bedanken.

23
Wie gefällt Ihnen der Einfall: ein Autor von 4 Jahren. Sie müßen ihn

24
solenniter adopti
ren und ich will alles bey Ihrer… (da fehlt mir wieder Ihr

25
Name) verantworten. Bey
Kätchens
Ehre! Sie wißen daß wir Liebhaber

26
bey unsern Mädchen nicht leichtsinnig schwören, besonders wenn Sie unsere

27
Weiber werden sollen.

28
Weil ich nicht reich gnug bin ein Plätzchen weiß Papier umsonst zu

29
bezahlen; und
D.
Faust ein
homo
ist: so erlauben Sie mir folgende
errata

30
hinzuzufügen. Aus Mangel hebräischer und gr. Typen komt der lateinische

31
Uebelstand.
p.
4. allgemeinen
add.:
deutschen anstatt: freundl. lies freundschaftl.

32
Tom
II. p.
247.

33
p.
6. lies:
par Abus,
dem Sprachmeister   Ist eine nasenweise Verbeßerung

34
des Verlegers.

35
p.
8. 9. nach Pe-
kim
auf die Ehre in Europa gebunden zu werden Verzicht

36
thun muß:

37
p.
9. nicht orpheisch sondern orphisch. nicht
Trimalchions;
sondern

S. 41
Trimalcions
?
Dann
, anstatt: was zum andern mal bleibt aber

2
Trimalchions
.

3
p.
10.
No.
25 in Helks Fabeln

4
11. schließe ich
hier
mit der kleinen Note – schämt ihr euch
euer Auge

5
aufzuthun
.

6
12. an
heiliger Stäte
.   nach Pe-
kim
chapeau bas
und
à pas de balet

7
wie Johannes – der moralische
Schwäzer
in der Wüsten, zu thun.

8
p.
13.
lin.
8. |
anstatt Geld lies: Gold.

9
14. ein Mann von
Wort
– und schrieb vom
Verdienst
, wie ein Prediger –

10
der ein
Höfling
und Witzling aber kein Narr ist, gl. jenen heidnischen

11
u jüdischen Priestern, Helden u Richtern pp

12
15. keinen Torso.   Der gantze Abschnitt
penultimus
sollte gesperrter seyn

13
als das
punctum saliens
der gantzen Misgeburt. –

14
Ich habe heute den ersten Theil des
Cicero
angefangen und denk auf die

15
Woche den
Plato
in dem ich einen langen Stillstand gemacht, zu schlüßen mit

16
Gottes Hülfe. Ach lesen Sie ja
Klinkers
Reisen. Ich habe meines Herzens

17
Freude an diesem Buche gehabt mitten unter einem Flußfieber u starken

18
Schnupfen. Die Vorrede und Noten haben mich an Ihren
Claudius
erinnert.

19
Der Uebersetzer soll aber der Hamb. Buchdrucker Bode seyn, der den Tristram

20
übersetzt haben soll. Vielleicht wißen Sie es beßer. Vergeßen Sie in Ihrem

21
nächsten nicht mir Ihres
Claudius
Aufenthalt p zu melden. Den Wansbecker

22
habe hier noch nicht auftreiben können.

23
Von Brooke habe auch seine
Mandeville
u
Mountague
kennen lernen. –

24
aber noch nicht die
Catesby,
wenn sie von ihm ist. Es geht mir mit dem

25
Brooke wie
M. Coelius
von der Lucretia Liebhaber sagt; und spüre ihn jetzt

26
durch den
Canal
eines Engl. nach bis auf die kleinsten Brocken die er

27
geschrieben oder verloren hat. Ich war schon auf halbem Wege an einen Roman:

28
Der
Narr von Autor
zu denken. Aber die Autormanie ist eben nicht mein

29
Urlaster,
oder wird es wenigstens kaum werden; weil mir die
Suade
der

30
action
beßer gefällt und es meiner Schreibart eben so sehr am Fluß als meiner

31
Zunge fehlt.

32
Ich danke Ihnen nochmals liebster Herder! für das
original
oder die

33
vidimirte Copie
des
Seroti
nischen Briefes – nachdem ich ihn
noch einmal

34
gelesen. Wir fehlen alle mannigfaltiglich und diese Herren glauben sich niemals

35
in ihrer Politick zu verrechnen.

36
Seyn Sie ruhig, besuchen Sie öfters den alten Magum in Norden.

37
Bückeburg und Kgsberg sind ohnedem Gräntznachbarn. Verschwenden Sie aber

S. 42
nicht zu viel Geld auf Expreßen. Künftig hoffe gerader und glücklicher Der

2
Knabe Herkules
wartet blos auf seinen Mentor um seine Rolle zu spielen.

3
Fertig ist er – der kleine
Deus ex machina
aber der verwünschte
D.
Faust – –

4
Leben Sie unterdeßen wol und schlafen Sie ruhig

5
träumen Sie von Ihrem Mädchen u eben so sanft von Ihrem Hamann.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 87–89.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 30–34.

ZH III 38–42, Nr. 386.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
38/12
forderte
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
forderte,
38/14
Nagel
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Nagel
38/21
Mein
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Mein
38/23
Liebe
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Liebe
39/3
15
]
Druckkorruptel. ZH:
5
39/14
NB.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
NB
39/31
Amt
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Amt
40/2
als
in
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
in
40/10
Lyß-Schiechen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Lyß Schiechen
40/20
Triumvirat
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Triumvirat
40/32
Tom
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Tom.
40/37
Trimalchions;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Trimalchions
41/5
aufzuthun
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
aufzuthun
41/7
Schwäzer
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Wäscher
41/8
lin.
8. |
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
lin.
8.—
41/29
Urlaster,
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Urlaster;