400
70/20
Kgsberg den
27
Febr. 74.
21
GOTT seegne Ihro Excellenz!
22
Ew.
Excellenz
gnädige Zuschrift vom 6.
hui.
habe heute vor 8 Tagen des
23
Morgens erhalten, und noch denselben Vormittag die mir anvertraute
24
Einlagen eingehändigt, mich auch zugleich erboten die Antworten bestens zu
25
befördern; aber bisher noch nichts erhalten: daher den dritten Posttag nicht
26
gern versäumen wollen.
27
Noch den selben Sonntag
Invocauit,
der mir so merkwürdig als der
28
letzte erste Advent bleiben wird, habe für einen Verleger, wie ich den Handel
29
hier einkleiden muste, mit 2
Frdor
viel zu reichlich beykommenden
Ecce!
30
glücklich losgekauft und ausgelöset, der unter seinem Nasendrücker, wünsch
31
ich, wohlbehalten das Ziel seiner Wallfahrt erreichen möge! Der Waltze
32
diente statt des Füllsels die kleine Handschrift, die abgeredter maaßen, wie
33
ihr Verfaßer,
in puris naturalibus
erscheinen muß; weil es mir kaum
34
möglich gewesen das Büchlein anzusehen wegen der Nachwehen des
35
Bauchgrimmens, so es mir gekostet. –
36
Wie wol
ich seit Jahren meine Hand gänzlich von der Hiesigen Zeitung
37
abgezogen, und fast gar keine, politische und gelehrte, lese noch lesen mag als
S. 71
zufällig, hab ich, durch Umstände hingerißen, auf einmal 3 Recensionen
2
geliefert und 2½ Beylagen von vorn und hinten eingefaßt. Ich hatte noch ein
3
Stück und eine Beylage für dies Jahr besprochen und für diesen Monat fertig
4
gemacht, zum Behufe der Bollingbroke-Hervey-Hunterschen Uebersetzung;
5
aber vergebens! – wenn nicht Gottlob! alle
desappointemens
meiner kleinen
6
Autorschaft zu neuen
ressourcen
dienen müsten.
7
In Ansehung des
Mst.
läuft alles vielleicht auf einen ehrlichen
8
Selbstbetrug hinaus, den ich mich niemals schämen werde zu erkennen. Ich habe
9
mir b
ona fide
eingebildet, daß der Entwurf, so roh er auch ist und zum Theil
10
aussehen muß, weder
dem wohlthätigen Staatsmanne
gleichgiltig seyn
11
würde, noch dem
treuherzigen Layenbruder,
der nämlichen Gegenstand
12
aus zween sehr entgegengesetzten Gesichtspuncten behandelt, zu denen ich
13
keinen beßern
medium terminum
zu finden vermocht, als das prophetische
14
Wort: Nebucadnezar,
mein
Knecht – worinn auch das
punctum saliens
15
dieser
unzeitigen Geburt
besteht.
16
Sollten Ew.
Excellenz
bey gelegentlicher Muße und Laune etwas
17
pragmatisches
und
magisches
für Dero Geschmack in diesen Blättern finden; so
18
bitte
mir
zur einzigen Gnade
aus, alles was
Ihnen
im Lesen einfallen wird,
19
mit flüchtiger sorgloser Feder anzudeuten und mir anzuvertrauen: in welchem
20
Fall ich Handschrift und Beylage mit Wucher als ein
Gegengeschenck
21
gelegentlich zurück erwarte, und mich vielleicht so gern wie Naemi neuen
22
Geburtsschmerzen unterwerfen würde, wenn das ungerathene Meisterstück
23
dadurch eine andere Gestalt gewinnen könnte.
24
Finden Ew.
Excellenz
aber nichts, das dem mir ertheilten
Diplom
25
entspräche: so ist
meine einzige Bedingung
, daß gegenwärtiges einzige
26
Exemplar um so viel mehr und schlechterdings ohne Abschrift, wo und wie es
27
ist,
pereat!
gleich allen Monumenten menschlicher Eitelkeit.
28
Ew.
Excellenz
geruhen noch zu meiner Entschuldigung zu erwägen, daß ich
29
ganz
unschuldiger weise
in die Versuchung verleitet worden bin in dem
30
außerordentlichsten Feyerkleide eines herkulischen Westenhemdes, als Autor zu
31
erscheinen – – und an wen? in aller Welt! soll ich mich schlagen, um wenigsten
s
32
zu wißen, ob ich so
und
oder
so? – – – als an
Den,
der in der 7
ten
Dekade des
33
XVIII.
Jahrhunderts den ungeheuren Einfall gehabt einen
Magum
in Norden
34
zu
crei
ren. – – Kurz, ich kann mich nicht beruhigen, bis ich aus dem Grunde
35
weiß, ob es dem
treuherzigen Layenbruder noch so sey,
als damals – denn
36
Quid mihi refert Chrysalo esse nomen, nisi factis probo?
37
Plautus in Bach.
S. 72
Ich hätte alle
Geräthe eines thörichten Projectmachers
nöthig, um
2
mich gegen Ew.
Excellenz
über meine
oeconomi
sche Kleinigkeiten
ein für alle
3
mal
, rein aus, mit scythischer Freyheit und Kürze, zu erklären. Kein Druck ist
4
empfindlicher für mein Gemüth, als ein Geldschuldner zu seyn. Weil ich kein
5
Cardinal
von
Retz
noch
Julius Caesar
bin: so hat diese an sich lächerliche
6
Verlegenheit den sonderbarsten Einfluß auf mein ganzes Gemüth, das sonst
7
aller Zufriedenheit bereits genüßt und bald mehrerer entgegen sehen kann –
8
Wenigstens ist dies der allerletzte Brief, den ich Lust haben werde und
9
vielleicht auch nöthig haben möchte an Ew.
Excellenz
über einen so
10
ebentheuerlichen Gegenstand zu schreiben.
11
Die nach der gedruckten Bilanz eines Ex-chinesers auf mein Häuschen
12
ingrossirten 666⅔
rth
nebst der Bücherrechnung waren bereits ehrlich bezahlt
13
und glücklich getilgt; als Umstände, die mir weder Vorwürfe noch Schande
14
machen, mich nöthigten 400 fl. pr. auf einen Wechsel von 6 Monathen und
15
bald darauf 600
dito
auf einen
dito
von 12 Monathen von einem guten
16
Freunde aufzunehmen, dem ich den ersten Posten vier Monathe vor der
17
Verfallzeit baar bezahlt, und der sich erklärt keine Zinsen von mir zu erwarten.
18
Folglich besteht meine gantze Schuldenlast außer einer neuen kleinen
19
Bücherrechnung in 600 fl. und etwa den vollen Zinsen beyder Wechsel – die ich keinem
20
im gantzen Lande, selbst nicht meinem leiblichen jüngern für unmündig
21
erklärten Bruder,
deßen
Vermögen ich als sein
constituirter Curator
verwalte,
22
schuldig seyn
m
ag
öchte
– noch Rath zu finden weiß – – – –
23
Ew.
Excellenz
haben mich einer Vertraulichkeit gewürdigt, die mir eben so
24
tief als jedes andere Wort eingedrungen. Daher erdreiste mich mit allem dem
25
Ansehen, deßen ein Magus in Norden nur fähig ist, dem
treuherzigen
26
Layenbruder
Sein Unrecht vorzuhalten, womit er die Gnade
Seines
27
LandesHerrn verschmäht, und sich dadurch das Verdienst entzogen die
28
Erstlinge
einer
Ihm Selbst
entbehrlichen Zulage mit einem armen milzsüchtigen
29
Schuldner zu
theilen
, der nichts als
gerecht
zu werden wünscht und sich in
30
keinen andern
Operations-
Plan seines Glücks jemals einlaßen kann und
31
wird; unterdeßen der
wohlthätige Staatsmann
an der andern
Hälfte
32
jener Zulage das nöthige Lampenöl zu
Seiner
SchooßNeigung,
Sich Selbst
33
in andern wolzuthun, gewonnen haben würde.
34
Ohngeachtet Ew.
Excellenz
sich mit Freuden der Hälfte einer wolverdienten
35
Zulage das erste Jahr beraubt haben würden und sich freilich keine Rechnung
36
auf einige Wiedererstattung machen müsten: so würde doch diese
37
Mildthätigkeit niemals aufhören in den Augen
Ihres
Magus ein
heiliges Darlehen
S. 73
nach
Eccles. XXIX
zu seyn und er würde mit diesen Talenten als ein
2
frommer und getreuer und kluger Haushalter gewuchert haben – – – – – um dem
3
Engel des Satans das Maul zu stopfen, der wie ich ersehe, nirgends müßig
4
gewesen das Unkraut der Verläumdung auszustreuen und mit Fäusten zu
5
schlagen ungöttlich – – –
6
So sehr ich mir schmeichle Ew.
Excellenz
gnädige Zuschrift von allen
7
möglichen Seiten verstanden und gefaßt zu haben; ist mir doch der einzige
8
Umstand des „Mannes, der mich verwichenen Sommer aufgesucht u ausgespäht
9
haben soll“ noch immer eine eiserne Maske. Im Herzen des Novembers giebt
10
es hier keinen
Sommer
mehr, und der neue Freund im Sturm war kein
11
Nikodemus sondern ein
Lügner
in omni sensu –
wie ich aus manchen u.
12
ziemlichen
Praemissen
nicht umsonst bekennen und urtheilen muß.
13
Ich schließe mein abscheuliches Geschmiere am Sonntage
Reminiscere
mit
14
einem herzlichen
da Capo:
15
Gott
seegne
Ihro
Excellenz!
16
Amen.
Zwei Entwürfe. Provenienz: Originale verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 77:
418/7
Entwurf 1
8
den 27 Febr. 74.
9
Gott seegne
Ew
Ihro Excellenz!
10
Ew Excellentz gnädige Zuschrift vom 6
h
. habe heute 8 Tage des
11
Morgens erhalten, und noch denselben Vormittag die mir
12
anvertrauten Einlagen der Fr. Oberstin v. D. in Gestalt eines Postboten
13
eingehändigt
überreicht
mich auch zugl. erboten Ihre Antwort bestens
14
zu befördern; aber bisher noch nichts erhalten. Daher den dritten
15
Posttag nicht gern versäumen wollen. Werde unterdeßen nicht
16
ermangeln sogl. zu befördern,
was an mich noch falls etwas
so bald
17
etwas erfolgen sollte.
18
Noch denselben Sonntag
Inuocauit,
der mir so merkwürdig bleiben
19
wird als der letzte erste Advent, habe
auf unwieder
Verlegers für
20
für einen Verleger beykommenden
Ecce
! mit 2 Friedrichdor losgekauft,
21
der unter seinem Nasendrücker wohlbehalten das Ziel
m
seiner
22
Wünsche
Wallfahrt erreichen wird.
In
Der holtzerne
n
Waltze
23
dient statt des Füllsels die kleine Handschrift, die abgeredtermaaßen
24
wie ihr Verfaßer
in puris naturalibus
erscheinen muß, weil
ich
es
25
mir
nicht über mein Herz bringen können
kaum mögl. gewesen das
26
Büchlein anzusehen, wegen der Nachwehen oder des
27
Bauchgrimmens, die es mir gekostet.
28
Ohngeachtet ich seit Jahren meine Hand gantz von der hiesigen
29
Zeitung abgezogen und fast gar keine so wol politische als gelehrte
30
lese noch lesen mag als zufällig,:
so
habe ich urplötzlich durch
31
Umstände hingerißen 3 Recensionen geliefert, und drittehalb Beyl. eines
32
Freundes von vorn u hinten eingefaßt – und dabey möchte es wol
33
auf dies Jahr u die folgenden sein Bewenden haben. Ich hatte noch
34
ein Stück und eine Beyl. besprochen für diesen Monath fertig
S. 419
gemacht, zum besten meiner unvollendeten Bolingbrok-Hervey-
2
Hunterschen Uebersetzung aber vergebens wenn nicht
alle
kleine
3
desappointemens
meiner Autorschaft
dienen aber
selbige zu
r
neuen
4
ressourcen
dienten müsten.
5
In Ansehung des kleinen
chef d’œuvre manqué
läuft vielleicht
6
alles auf einen ehrlichen Selbstbetrug
des Schn
hinaus, den ich
7
mich niemals schämen werde, zu erkennen und zu bekennen. Ich habe
8
wahrlich geglaubt, daß
theils der Innhalt theils die Idee
der
9
Entwurf
des kleinen Versuchs
so roh er ist
sie entworfen worden
und
10
zum Theil mit Fleiß aussehen
soll
, weder
einem
dem
11
wohlthätigen Staatsmann
gleichgiltig seyn würde,
sollte
noch dem
12
treuherzigen Layenbruder
, der
eben meinen
den neml. Gegenstand
13
aus
einem
zwey sehr entgegen
gesetzten
Gesichtspuncten behandelt.
14
Ich habe der Vereinigung Punc
punctum saliens
des Embryo
den
15
medium terminum
das dieser beiden Extremen
durch
keinen beßern
16
medium terminum
mit aufzulösen
zu finden
gewu
vermocht als
17
durch
das prophetische Wort „Nebucadnezar, mein Knecht“
dies ist
18
das
punctum saliens
meines politisch-kritischen Versuches des gantzen
19
Embryons
Sollten Ew. Excellenz
so viel
bey einer etwanigen
20
gelegentlichen Muße und
Ueberwindung Standfestigkeit Gedult
21
zufälligen anwandelnden
pica
Laune diese Blätter entfalten, und etwas
22
pragmatisches
und
magisches
darinn
entdecken Dero Geschmack
23
und Beyfall reitzen mir
finden: so bitte mir zur einzigen Gnade aus
24
Ihre Zweifel und Einfälle über das gantze und einzelne Stellen
25
anzuvertrauen und solche
bey Lesung mit
der
flüchtiger Feder
26
aufzuhaschen und mir anzuvertrauen:
so erwarte
in welchem Fall ich
27
nach Gelegenheit in selbst beliebigem
Termin
die
Handschrift
mit
28
der
u. Beyl. mit Wucher wieder zurück
um erstere wieder
29
anzusehen
erwarte um erstere noch einmal zu sehen. Finden Ihro Excell.
30
nichts darinn, was dem mir ertheilten
Diplom
entspräche: so ist
31
meine eintzige
r
Wunsch
Bedingung, daß
keine
dies einzige
32
Abschrift sich zu
Exemplar und so viel mehr u schlechterdings ohne
33
Abschrift wo und wie es ist
pereat
als ein
gl. allem Monument
34
meines guten Willens u Glaubens
menschl. Eitelkeit.
35
Ew. Excell. geruhen noch zu meiner Entschuldigung zu erwägen daß
36
ich unschuldiger weise in die Versuchung verleitet worden bin in
S. 420
einem
dem außerordentlichsten
Eigenkleide
oder
eines
2
herculischen Hemde zu erscheinen – und an wen soll ich mich in aller Welt
3
wenden um wenigstens zu wißen,
wie es mögl ist in der 18
4
Decade des 18ten Jahrhunderts
ob ich so und so, oder so – als an den
5
Mann
der in der 17 Decade des 18 Jahrhunderts den ungeheuren
6
Einfall gehabt einen Magum in Norden zu
crei
ren.
Wenn
Ich
7
kann mich wenigstens nicht eher beruhigen, biß ich aus dem Grunde
8
weiß, ob es dem treuherzigen Layenbruder noch so sey als damals.
9
Gegenwärtig
sage aus
meinem Autor Plautus,
demjenigen
10
Alten, dem
mir so verlorene Augenblicke auf meinem
Bureau
ich
11
meine müßigte Stunden auf dem
Bureau
verpachtet
12
Quid mihi refert Chrysalo esse nomen, nisi factis probo?
13
Plaut. in Bacch.
14
Ew. Exc. sind mit dem schönsten
Operations
Plan
für das Glück
15
Ihres Magi
gescheitert; ich will
nehme
daher die Geräthe eines
16
thörichten Projectmachers zu mir nehmen und mich zum
aller
letzten
17
mal über meine
gegenwärtige
äußerl. Umstände u Ihre mögl.
18
Verbeßerung gantz aus erklären.
19
Aus dem gedruckten Bilan des Ex-
Mandarinen
chinesers ist zu
20
ersehen, daß seine Schulden 666⅔rth
grl.
die auf sein Haus
21
ingrossi
rt gewesen und einer Rechnung von ungefähr 50rth
Bücher
22
Rechnung
für Bücher bestunden. Weil ich keinen empfindlichen
23
Druck für mein Gemüth
gegenwärtig
kenne als den
Schulden zu
24
haben
ein
es
Geld Schuldner
s
zu seyn so bin ich so glücklich
25
gewesen alles getilgt zu haben, aber von neuem in die Verlegenheit
26
gesetzt worden, durch Umstände, die mir weder Vorwurf noch Schande
27
machen 400 fl. gl. auf einen Wechsel von 6 Monathen und abermal
28
600 fl. grl. auf einen Wechsel von 12 Monathen von einem Freunde
29
aufzunehmen. Ich habe den ersten
in 4
vier Monathe vor sr
30
Verfallzeit berichtigen können. Meine gantze Schulden bestehen
t
also
31
in 600 fl. u einer
frischen
neuen Bücher Rechnung, die nicht
viel
32
groß seyn kann. Ohngeachtet ich mit einem sehr billigen Freunde zu
33
thun habe, der sich erklärt keine Zinsen von mir zu verlangen, auch
34
eigentl. diese kleine Summe meinem leibl. für unmündig erklärten
35
Bruder schuldig bin, deßen Vermögen ich als ein
Curator
zu
S. 421
verwalten habe: so ist meine gegenwärtige Verlegenheit doch
die einzige
2
von einem außerordentl. Einfluß
für
auf mein gantzes Gemüth
3
und Denkungsart, weil weder ein
Cardinal
von
Retz
noch ein
Caesa
4
bin – –
5
Ew Excell. haben mir einer Vertraulichkeit gewürdigt, die mir
6
eben so tief als jedes andere Wort eingedrungen. – Ich erdreiste mich
7
dahero mit allem Ansehen, deßen ein Magus in Norden fähig ist, dem
8
treuherzigen Layenbruder sein Unrecht vorzuhalten, womit er die
9
Gnade Seines Landesherrn verschmäht, und sich dadurch außer
10
Stand gesetzt eine für Ihn selbst entbehrliche Zulage
ss
eines
11
verdienten Lohns mit seinem
Ens rationis
zu theilen, und sich dadurch
12
nicht nur das unerkannte Verdienst zu entziehen einen armen ehrl.
13
Miltzsüchtigen Schuldner von allen seinen Grillen geheilt und alle se
14
Wünsche überflüßig
gestillt
erfüllt zu haben; sondern auch
die
15
Mittel zu brauchen
seiner Schooßneigung Sich selbst u andern
16
wolzuthun, das nöthige
Oel
Lampenöl zu entziehen.
17
Ew. Excell. würden freylich alsdann im Stand gewesen seyn sich
18
das erste Jahr der Hälfte Ihrer Zulage zu berauben, ohne auf einige
19
Erstattung sich Rechnung machen zu können; der
Magus würde
20
Schuldner würde es aber immer wie ein Darlehn
angenommen
21
haben
und damit als ein freier und getreuer Knecht gewuchert haben,
22
um dem Engel des Satans das Maul zu stopfen, deßen Faustschläge
23
u Lästerungen hier auch nicht müßig gewesen,
ohne daß ich im Stande
24
gewesen ihm durch
das Maul zu stopfen.
denen ich am liebsten
25
facta
entgegen
26
So sehr ich mich schmeichele Ew. Excell. gnädige Zuschrift
27
verstanden zu haben: ist mir doch der Umstand „eines Mannes der mich
28
verwichenen Sommer aufgesucht und ausgespähet“ ein unergründl.
29
Räthsel.
Medio Nov.
ist hier kein Sommer mehr und der neue Freund
30
im Sturm kein Nicodemus sdn
ist
ein
Lügner
– – wie ich aus zieml.
31
unverdächtigen u zu mannigfaltigen
praemissis
leider! nicht
32
umsonst! bekennen u bekennen muß.
33
Ew. Excell. geruhen noch zu meiner Entschuldigung zu erwägen,
34
daß wenn selbst der Magus in Norden
ja ei
ein Beutelschneider
35
seyn sollte, es wenig zur Ehre seines
genie
gereichen würde den
36
treuherzigen Layenbruder blos um 3 Fr dor betrogen zu haben. So sehr
S. 422
ich auch wünsche von dem
guten
unversehrten Empfang des
2
Kästchens benachrichtigt zu seyn: so wenig dürfen Ihro Exc. eilen dem
3
thörichten Projectmacher zu antworten
deßen Wech
weil der Wechsel
4
erst den 2
Aug.
meines Geburtsmonaths verfällt und ich nichts ohne
5
reife Ueberlegung meiner Gläubiger zu erschleichen weder Witz noch
6
Herz genug habe.
7
Ich schlüße dieses abscheuliche Geschmier, das erste und letzte seiner
8
Art mit einem
da Capo.
Gott seegne Ew. Excell. Amen.
9
Entwurf 2
10
Kgsberg den 27 Febr. 74.
11
Gott seegne Ihro Excellenz!
12
Ew.
Excell.
gnädige Zuschrift vom 6
hui
. habe heute vor 8 Tagen
13
des Morgens erhalten und noch denselben Vormittag die mir
14
anvertrauten Einl. eingehändigt, mich auch zugl. erboten die Antworten
15
bestens zu befördern; aber bisher noch nichts erhalten. Daher den
16
dritten Posttag nicht gern versäumen wollen. Noch denselben Sonntag
17
Inuocauit
, der mir so merkwürdig als der letzte erste Advent bleiben
18
wird, habe für einen Verleger, wie ich d
ie
en
Sache
Handel hier
19
einkleiden muste, mit 2 Friedrdor viel zu reichlich, wie man mir
20
versicherte, beykommenden
Ecce
! glücklich losgekauft, oder
21
ausgelößt, der unter seinem Nasendrücker,
wie ich
wünsche ich,
22
wolbehalten das Ziel seiner Wallfahrt erreichen möge! Der holtzernen
23
Waltze dient statt des Füllsels die kleine Handschrift, die abgeredter
24
maaßen wie ihr Verf.
in puris naturalibus
erscheinen muß; weil es
25
mir kaum mögl. gewesen das Büchlein anzusehen, wegen der
26
Nachwehen und des Bauchgrimmens, so ich noch nicht
27
ver
schmerzen
geßen kann.
28
Wiewol ich seit Jahren meine Hand gantz von der Hiesigen
29
Zeitung abgezogen, u fast gar keine, politische
oder
gelahrte, lese
30
noch lesen mag, als zufällig; hab ich durch Umstände hingerißen,
31
auf einmal 3 Recensionen geliefert u 2½ Beyl. von vorn u hinten
32
eingefaßt – Ich hatte noch ein
Stück
u eine
Beyl.
für dies Jahr
33
besprochen und für diesen Monat fertig gemacht zum Behuf meiner
S. 423
unvollendeten Bollingbrok–Herwey–Hunterschen Uebersetzung; aber
2
vergebens! wenn nicht alle kleine
desappointemens
meiner
3
Autorschaft zu neuen
ressourcen
Gottlob! dienen müsten.
4
In Ansehung des
kleinen ungerechten Meisterstücks
Mst
s läuft
5
vielleicht alles auf einen ehrl. Selbstbetrug hinaus, den ich mich
6
niemals schämen zu erkennen
und zu bekennen
. Ich habe
7
wahrlich mir zuviel getraut
mir
bona fide
eingebildet, daß der
8
Entwurf, so roh er ist und zum Theil mit Fleiß aussehen soll, weder dem
9
wohlthätigen Staatsmann gleichgiltig seyn würde, noch dem
10
treuherzigen Layenbruder, der den neml. Gegenstand aus 2 sehr
11
entgegengesetzten Gesichtspuncten behandelt, zu denen ich keinen beßern
12
medium terminum
finden können als das prophetische Wort:
13
„Nebucadnezar,
mein
Knecht“ – worinn auch das
punctum saliens
dieser
14
unzeitigen Geburt
besteht.
15
Sollten Ew Excell. bey gelegentl. Muße u Laune etwas
16
pragmatisches
und
magisches
in diesen Blättern für Dero Geschmack
17
finden: so bitte mir zur einzigen Gnade aus alles was Ihnen im
18
Lesen einfallen möchte, mit flüchtiger sorgloser Feder
oder
19
scytischer Freyheit u Kürze
aufzuhaschen und mir anzuvertrauen. In
20
diesem Fall erwarte ich die Handschrift und Beyl. mit Wucher als
21
ein
Gegengeschenk
zurück, und würde mich gern wie Naemi neuen
22
Geburtswehen unterwerfen wenn
es mögl. wäre
das
mislungene
23
ungerathene Geschöpfe
eine andere
dadurch eine andere Gestalt
24
gewinnen könnte.
25
Finde Ew. Exc. aber nichts, das dem mir ertheilten
Diplom
26
entspräche: so ist meine
einzige
Bedingung, daß gegenwärtiges einzige
27
Exemplar um so viel mehr und schlechterdings ohne Abschrift, wo
28
und wie es ist.
pereat
! gl allen Monumenten menschl. Eitelkeit.
29
Ew
Excell.
geruhen auch zu meiner Entschuldigung zu erwägen,
30
daß ich gantz unschuldiger weise in die Versuchung verleitet worden
31
bin, in dem äußeren deutlichsten Eigenkleide eines herculischen
32
Westenhemdes, als Autor zu erscheinen – und an wen in aller Welt
33
soll ich mich schlagen um wenigstens zu wißen, ob ich so
und
oder
34
so – – als an Den, der in der 17 Decade des
XVIII.
Jahrhunderts
35
den ungeheuren Einfall gehabt
den
einen
Magum
in Norden zu
36
crei
ren. – Ach,ich kann mich nicht beruhigen biß ich aus dem Grunde
S. 424
weiß, ob es dem treuherzigen Layenbruder noch so sey als damals;
2
und schlüße
diese Materie mit einem Verse eines alten Dichters
3
dem ich alle meine müßige Stunden gegenwärtig auf dem
Bureau
4
der Kgl
Provincial Accise
–
und Zoll Dir.
leider! verpachtet
denn
5
Quid mihi refert Chrysalo esse nomen, nisi factis probo?
6
Plautus in Bacch.
7
Nichts als die
Ich habe alle Geräthe eines thörichten
8
Projectmachers
geben mir die Zuversicht
nöthig, mich zum allerletzten
9
mal gegen Ew. Exc. über meine ökonomische Kleinigkeiten rein
10
auszuschütten. Die Oekonomie mag in uns. heutigen Moral und Politik
11
so viel Raum einnehmen wie sie wolle; werde ich
mich
in
12
scythischer Freyheit u Kürze, und so bestimmt als nöthig und mögl. alles
13
auf ein- und zum letzten mal vollkommen entwickeln.
14
Kein Druck ist empfindlicher für mein Gemüth als ein
15
Geldschuldner zu seyn Ich bin so glückl. gewesen die
in
nach der
16
gedruckten Bilantz
666⅔rth
auf mein Häuschen
ingrossi
rten 666⅔
17
rth u die Bücherrechnung getilgt zu haben. Umstände, die mir weder
18
Vorwürfe noch Schande machen haben mich genöthigt 400
fl.
pr.
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auf einen Wechsel von 6 Monathen und noch 600
dito
auf einen
20
dito
von 12 Monathen von einem Freunde aufzunehmen, dem ich
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den ersten Posten vier Monathe vor der Verfallzeit berichtigen
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können und sich erklärt keine Zinsen von mir zu verlangen. Außer einer
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neuen mäßigen Bücherrechnung bestehen also alle meine Schulden
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in 600
fl
. – die ich weder jemandem
in der Welt
im gantzen Lande
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noch meinem leibl. jüngeren
Bruder
für unmündig erklärten Bruder,
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deßen Vermögen ich als s.
Curator
zu verwalten habe, schuldig
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seyn mag. Weil ich
weder
kein
Cardinal
von
Retz
und
Iulius
28
Caesar
bin: so
ist
hat diese an sich lächerliche Verlegenheit den
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außerordentlichsten Einfluß auf mein gantzes Gemüth und
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Zufriedenheit, der ich sonst genüße und entgegen sehen kann
da ich theils
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dem nächsten
Michaelis
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Wenigstens ist dies der letzte Brief, in dem ich Lust haben werde
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und
vielleicht
vielleicht auch nöthig finden möchte von
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Geldangelegenheiten zu reden.
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Ew. Excell. haben mich ew. Vertraulichkeit gewürdigt, die mir
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eben so tief als jedes andere Wort eingedrungen. Daher erdreiste mich
S. 425
mit allem Ansehen, das sich nur ein Magus in Norden geben kann,
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dem treuherzigen Layenbruder sein Unrecht vorzuhalten, womit er
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die Gnade Seines LandesHE verschmäht und sich dadurch das
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Verdienst entzogen die Erstlinge einer Ihm selbst entbehrl. Zulage
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mit einem armen milzsüchtigen Schuldner zu theilen, der nichts als
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gerecht zu werden wünscht und sich in keinen
Operations-
Plan zu sm
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Glück jemals einlaßen kann noch wird; unterdeßen Ew Exc. an
8
d
ie
er andern Hälfte der Zulage das nöthige Lampenöl zu Ihrer
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Schooßneigung Sich selbst
und
in andern wolzuthun genommen
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haben würden – –
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Ew. Excell. würden sich freylich das erste Jahr der Hälfte Ihrer
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wol verdienten Zulage haben berauben müßen ohne
sich
irgend
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einige Rechnung auf Wiedererstattung
zu machen
, – es würde aber
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niemals aufgehört haben in den Augen Ihres Magi ein heil.
Darlehn
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zu seyn
oder ein Pfund zu seyn (Sir.
XXIX
) mit dem er wie
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ein frommer und getreuer Knecht zehnfältig gewuchert haben
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würde, unter andern auch dem Engel des Satans das Maul zu
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stopfen, der
auch
wie ich ersehe nirgends, hier wie dort mit
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Verläumdungen und Fäustenschlägen
nicht
müßig gewesen. – – – –
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So sehr ich mir schmeichele Ew Exc. gnädige Zuschrift von allen
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mögl. Seiten verstanden u gefaßt zu haben: ist mir doch der einzige
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Umstand des Mannes, der mich verwichnen Sommer aufgesucht
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und ausgespäht haben soll, noch bis auf diesen Augenblick eine
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eiserne Maske. Im Herzen des Nov.
ist
giebt es hier zu Lande kein
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Sommer mehr u der
neue
Freund im Sturm war kein
Nicodemus
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sondern ein
Lügner
in omni sensu
– wie ich aus ziemlich
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zuverläßigen u zu mannigfaltigen
Praemissen
leider! nicht umsonst
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bekennen
schlüßen und bekennen muß.
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Ew Exc. geruhen auch zu meiner Entschuldigung zu erwägen
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daß wenn selbst Ihr Magus in Norden
ein
zum Orden der Schelme
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u Beutelschneider
seyn
gehören sollte, es wenig zur Ehre seines
32
genie
gereichen würde den treuherzigen Layenbruder blos um 3 Fr.
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dor betrogen zu haben. So sehr ich auch wünsche vom
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unversehrten Empfange des Kästchens benachrichtigt zu seyn: so wenig Witz
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u Herz hat der thörichte Projectmacher von seinem Gläubiger ohne
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reife Ueberlegung eine Antwort zu erschleichen, da der Wechsel erst
S. 426
den 2
Augusti
meines GeburtsMonats verfallen seyn wird.
2
Ich schlüße
dieses
mein abscheuliche Geschmiere,
das erste und
3
letzte
sr. Art,
mit einem herzl.
da Capo:
4
Gott seegne Ihro Excellenz!
5
Amen!
6
Am Sonntage
Reminiscere
74.
Provenienz
Aus Goethes Autographensammlung. Weimar, Goethe- und Schiller-Archiv, GSA 33/303, 9–12.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 54–60.
ZH III 70–73, Nr. 400.
Digitalisat
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
70/20 |
27 ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 27. |
70/29 |
Frdor ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Fr.dor |
70/36 |
Wie wol ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wiewol |
71/10 |
dem […] Staatsmanne] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: dem wohlthätigen Staatsmanne |
71/11 |
treuherzigen […] Layenbruder,] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: treuherzigen Layenbruder , |
71/18 |
bitte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: bitte |
71/18 |
zur einzigen Gnade |
Geändert nach der Handschrift; ZH: zur einzigen Gnade |
71/29 |
unschuldiger weise ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: unschuldigerweise |
71/32 |
und oder ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: oder |
72/12 |
rth ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: rth. |
72/21 |
deßen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: dessen |
72/22 |
m ag öchte ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: möchte |
72/29 |
gerecht |
Geändert nach der Handschrift; ZH: gerecht |
72/37 |
heiliges Darlehen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: heiliges Darlehen |
73/11 |
Lügner |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Lügner |
73/15 |
Gott […] Excellenz!] |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Gott seegne Ihro Excellenz ! |
73/16 |
Amen. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Amen . |