378
15/25
Kgsberg den 6
Oct.
772.
26
Mein bester Herder,
27
Ich habe Ihren Brief erhalten vom 1
Aug.
bis zum letzten, aber nicht
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gestern Zeit gehabt ihn recht zu lesen bis heute des Morgens zu meinem
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Frühstück: unterdeßen war mir die Ankunft Ihres Besuchs desto rührender, da ich
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eben meine erste und vielleicht letzte Arbeit ausfertigte, und die ich keinem
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andern als Ihnen zuzueignen wuste. So bald Sie aus der Preße komt, wohin
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sie gegangen, wird das erste Exemplar in Ihre Arme fliegen. Um Sie lüstern
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und Ihnen den Mund recht wäßericht zu machen und daß Sie des
Nachts
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wenigstens fleißig von mir träumen; lesen Sie hier die Aufschrift
S. 16
Philologische
2
Einfälle und Zweifel
3
über
4
eine akademische Preisschrift
5
Ps.
CXX.
4.
6
Ein
7
Fragment
8
von
9
Herrn Johann Georg Hamann
10
genannt
11
Magus in Norden
12
haussäßig am alten Graben No 758.
13
zu
14
Königsberg in
Preußen.
15
773.
16
im Weinmonat.
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Wer mich also suchen will, der kann mich jetzt finden – Ich vergebe es
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Ihnen sehr
gern
daß Sie sich auch eine gelehrte Hand zulegen aber mir nicht
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zu melden,
wohin
ich
meine Antwort richten soll und
wo Sie leben
, als
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wenn Sie in gantz Europa oder in Norden schon so bekannt wären wie Sie
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vermuthl. in Deutschland bereits seyn müßen. – Sehen Sie liebster Freund!
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warum ich den
HE
Prediger Eberhard
, den Sie aus der
neuesten
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Apologie
des Sokrates kennen werden, ersuchen muß diese Einlage
citissime
zu
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befördern, weil ich wahrhaftig noch nicht weiß
wo
Sie sich recht aufhalten
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ohngeachtet ich es mehr als 10mal gehört habe; daher ist es
gut.
scriptum
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est,
weil
litera scripta manet
– – Ich kann es Ihnen nicht gnug sagen, wie
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herzlich ich mich darüber gefreut, daß Sie just derjenige Freund sind, der
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meine Idee erfüllt und an dem mein Herz einen angemeßnen Gegenstand
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findt – Wenn wir einander an Schicksalen ähnlich sind; desto mehr
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Uebereinstimmung für unsere Gesinnungen. Alles was mir ihr Brief sagte über
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unser Misverständnis oder vielmehr des Publicums seines, das sich leider!
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oder Gottlob! wie mans nehmen will, nicht mehr selbst versteht und die
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glücklichste Zeit zur Menschenfischerey ist, hatte meine Seele
antecipi
rt und
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All Fehd hat nun ein Ende. Halleluja!
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Ich lache jetzt selbst über meinen sokratischen Gram, daß ein Jüngling wie
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Herder schwach gnug seyn sollte den schönen Geistern seines Jahrhunderts
S. 17
und ihrem
bon ton
nachzuhuren. Meine Freude ist aber jetzt eben so irrig wie
2
St. Paulus seine, da er sich über die Korinther und sie umsonst betrübt hatte.
3
Wir wollen uns beyde im Apoll aufmuntern und stärken unsern Lauf mit
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Freude zu vollenden und darinn nicht müde zu werden.
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Ich lese keine Zeitungen mehr, so wenig gelehrte als politische – und habe
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mich jetzt so gut wie verschworen zu irgend einer mehr meine Feder zu
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entweyhen. Es hieß, daß Sie Beyträge zur allgemeinen Bibliothek schickten?
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Ist das wahr? In dem Fall möchte ich sie vielleicht ansehen. Beantworten
9
Sie mir diese Frage so gewißenhaft als ich Nachricht von Ihrem
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Aufenthalte
erwarte,
und Ihrem rechten Character in dem Sie stehen.
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Ich habe dies Jahr, auf meine
res gestas
wie Sie scherzen, zu kommen die
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Wollust gehabt auf meine alten Tage des
Cervantes
Meisterstück
in fonte
und
13
die
Androgyne du Diable Maitre Rabelais cum
commentario
perpetuo
des
14
le Duchat
zu lesen, den ich eben so viel Mühe gehabt hier zu Lande
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aufzutreiben als Sie Ihre Reliquien zur Legende des Mschl. Geschlechts, bis mir
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endl. solche der Kriegsrath Scheffner (unser Dichter
à la Grecourt
) auch aus
17
der Bibliothek eines hiesigen Landedelmanns des HE von Kreytzen
verschaffte ‥
18
Meine Kreuzzüge gegen den pythischen Sieger ist das letzte womit ich dieses
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Jahr zu krönen und unsere Freundschaft zu verewigen hoffe. – – „Mein
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Herder! gieb Ihnen
Brodt
und
Wein
– – mir aber kein Denkmal von
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Stein
.
Exegi – – – Horat.
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Da haben Sie, bester Freund! Anfang und Ende. Die Mittelsätze laßen sich
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nicht finden noch gesucht; ohngeachtet sie freylich gesucht werden müßen und
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alsdenn sich von selbst finden werden. Sie sehen daß Ihr Schüler ein Meister
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in
Anti
thesen ist, die er gern in
Realitäten
verwandeln möchte, aber ohne
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die Algebra des Rabbi
Marcus
Levi, eines Schülers von
Kant
, dem ich
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gestern Ihren Gruß habe bestellen laßen – bey Gelegenheit eines gebratnen
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Haasens, den ich gestern Abend mit dem Sohn des Policey Directors in
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Berlin,
Philippi
, und eines seiner Mitschüler im Engl. verzehrte, davon
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letzterer den Hasen mir zum Geschenk geschickt hatte – Anstatt des Kelchs gieng
31
der Nahme des pythischen Siegers
sub rosa
herum. Ich habe des
Johnson’s
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Ausgabe von Shakespear hier zum Andenken bekommen von jenem
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Haasenjäger,
der
Beling
heist und ihm meine alte Ausgabe dafür gegeben. Aus Engl.
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habe mir
Ossian,
Evan's
Specimen of the ancient Welsch Bards
764,
35
Macpherson's
Dissertation on the ancient Caledonians
⁊c 768.4. Die auch
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manches von
Barden
enthält. ⁊c ⁊c. Hievon künftig mehr.
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Ich bin seit 767.
Secretaire Traducteur
bey der hiesigen
Accise
und Zoll
S. 18
Direction
fieng mit 16 rthl
p
Monath an brachte es mit vieler Mühe zu
2
30 rthl Gehalt. Jetzt bin ich auf 25
reduci
rt. Ich will aber wie Simson sterben
3
und mich an den Philistern der
arithmetique politique
rächen. – –
4
Ich habe 770 ein altes Haus vor
1
400
rthl gekauft, das mir mein Freund
5
und Verleger
Kanter
zum
Sans-Soucy
ausgeflickt hat, den Gott dafür
6
geseegnet und zum
Lotterie Director
gemacht hat – Ich habe einen Sohn
n.
769
7
den 27
Sept.
und eine Tochter
n.
den 12
April
772. Die wie der Apostel
8
Paulus seine Philipper nennt, meine
Freude
und
Krone
sind und die ich Ihnen
9
vermachen will –
dignissimo!
Damit Sie selbige
erziehen
,
ernähren
und
10
kleiden
können, werden Sie – – – mit Gottes Hülfe Ihr Vaterland und
11
Ihren
Pan
wieder sehen von Angesicht zu Angesicht – verjüngt mit einer neuen
12
Haut umgeben wie Sie es wünschen und
ich glaube. Amen
.
13
Königsberg in Preußen den 7
Oct.
772.
14
Adresse:
15
Meinem / Freund Herder / dem pythischen Sieger / zu erfragen /
citissime
in /
16
Deutschland
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 81–82.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 15–19.
ZH III 15–18, Nr. 378.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
15/33 |
Nachts ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Nachts |
16/14 |
Preußen. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Preußen |
16/15 |
773. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 773 |
16/18 |
gern ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gern, |
16/19 |
ich |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ich |
16/19 |
wo Sie leben |
Geändert nach der Handschrift; ZH: wo Sie leben |
16/22 |
HE |
Geändert nach der Handschrift; ZH: HE |
16/24 |
wo |
Geändert nach der Handschrift; ZH: wo |
16/25 |
gut. ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gut: |
17/10 |
erwarte, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: erwarte |
17/13 |
commentario |
Geändert nach der Handschrift; ZH: comentario |
17/17 |
verschaffte ‥ ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: verschaffte … |
17/26 |
Kant |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Kant |
17/33 |
Haasenjäger, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Haasenjäger |
17/34 |
Evan's |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Evans |
17/35 |
Macpherson's |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Macphersons |
18/4 |
1 400 ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: 1400 |
18/5 |
Sans-Soucy |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Sans Soucy |
18/8 |
Krone |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Krone |
18/8 |
Freude |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Freude |
18/12 |
ich glaube. Amen |
Geändert nach der Handschrift; ZH: ich glaube. Amen |
18/15 |
citissime in / ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: citissime |
18/16 |
Deutschland |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Deutschland |