445
S. 177
Adresse am Ende des Briefes:

2
Herrn / Herrn Hamann / zu /
Königsberg
/ in
Preußen
/
am alten

3
Graben
.


4
Auf der Adressseite von Hamann:
Erst eingehändigt durch HE. / Hartknoch den 21 Junii /
75.

5
Sancho Panssa sagt
häufig wiederholter Ausspruch der Romanfigur Sancho Pansa in
Cervantes,
Don Quijote
; zu Missverständnissen zwischen Herder und Hamann vgl.
HKB 442 ( III 172/32 )
Nun, m. l. H., Verstehn oder Mißverstehn – Sancho Panssa sagt: Gott

6
versteht Uns. Das soll uns nicht irren! u. am Ende kommt der Zickzack oder

7
die Curve mit edlerm Namen! doch zusammen. Mich freuts herzl. daß Ihnen

8
meine Schwester also gefallen. Ihre Beschreibung ist uns, die wir ihr beide

9
Salbe Aarons
2 Mo 30,31
beinah gleich fremd sind, freundliche süße Salbe Aarons gewesen, die

10
wenigstens aus Ihrem Bart u. Kleide uns herüber duftet. Vor ihren Schinken u.

11
gelehrte
Unterhaltung soll sie auch gleich einige meiner
Operum
bekommen,

12
nach denen sie so lange lüstern gewesen: wollte Gott, ich sähe sie u. meine

13
Vaterstadt
Mohrungen
Vaterstadt, die kleinste im dürren Lande, noch einmal wieder. Nehmen Sie

14
uns nun, lieber H., allesamt in Ihr Bündlein ein: mich u. meine beide

15
Weiber u. beide Söhne, bis uns Gott weiter oder näher bringt. Amen.

16
Jetzt bin ich hier zugleich Superintendent, bei meinen vorigen Stellen u.

17
Geschäften: ich bins mit Verdruß u. ohne Erhöhung des Gehalts, auch ohne

18
u. fast wider meinen Willen geworden. Meine Arbeiten haben dabei sehr

19
zugenommen u. meine erste soll seyn, Friede zu stiften, wo ich kann. Mein Neffe

20
der dazu kommt u. mein Bube, der rüstig wächst, werden meine Stunden

21
näher aneinander drängen u. mir dadurch die Muße zu so edlerm Golde

22
machen. Uebrigens sehnen wir uns beide von hier herzl. weg: weiß Gott,

23
wohin u. gewiß noch in größern Tumult u. Gewirre. Es ist eine Art

24
unbegreifl. Wiederspruchs im Weben des Menschl. Schicksals, daß je mehr man

25
sich mit seinem Bauch wohin gewöhnt,
sich
desto mehr die entfalteten

26
Flügel fortwollen u. müssen. Wir träumen u. erwachen, wo’s seyn soll.

27
Also will ich Ihnen auch noch die abnehmenden Reste meiner Autorschaft

28
desto treuer senden: Die
Brüder Jesu
von meiner Hand angezeichnet u.
das

29
andre
die
Magier
aus Morgenland ohne Glück u. Stern zu Ihrem

30
χρηματισμω
göttliche Warnung, bspw. in
Mt 2,12
; vgl.
HKB 441 ( III 170/20 )
χρηματισμω.
Sagen Sie drüber, was Ihrem Herzen gelüstet. Und theilen Sie mir

31
Ihre hierophant. Br.
p
eben so treu u. gerade mit.

32
Fast vor 2 Jahren träumte mein Weib hier einen wunderl. Traum, dessen

33
Einfaßung „Superint., Bube aufm Arm u. an der Hand“, Abschied von der

34
Gemeine mit einem
tiefen
Kompliment der Inhalt war, da ein ander statt

35
meiner auf die Kanzel ging. Da die Einfaßung itzt so wunderlich

36
zusammentrift, wird sich auch der Inhalt geben.

S. 178
Meine
opera
an Trescho zu schicken, ist mehr als Einmal mein Gedanke

2
Provinz. Bl.
Herder,
An Prediger
gewesen u. dachte mit den Provinz. Bl. anzufangen. Ich weiß nicht, wie ich

3
aber immer die Hand wegzog, als ob ich eine Distel salben
wollte
. Vielleicht

4
schicke ich auch etwas mit Hartknoch.

5
Fr. Bruder
Friedrich Sigmund Flachsland (1743–1784), hessisch-darmstädtischer Geheimer Regierungssekretär
Morgen erwarten wir meiner Fr. Bruder, der als Jäger vor dem HE. zum

6
Herzoge von Oldenburg, dem Vater meines Prinzen
Friedrich August Herzog von Holstein-Gottorp Oldenburg (1711–1785), der Vater von
Peter Friedrich Wilhelm, Erbprinz von Holstein-Gottorp
Herzoge von Oldenburg, dem Vater meines Prinzen geht u. Einen Tag

7
zwischen den Posten hier weilet. Das wird meinem Weibe so wohl thun, als mir

8
die Nachricht von meiner Schwester: wollts
S
sie wäre auch hier gewesen.

9
Ihren Brief
HKB 442
Aber ich verzweifle auch fast Hartkn. hier zu sehen, der Ihren Brief aus

10
Leipzig geschickt u. mit einem
Aber
versprochen hat, nach der Messe zu

11
kommen. Gut indeß, daß ich den Neffen doch erwische.

12
Ändern wir unsern Ort, so reise ich zuerst nach Darmstadt, daß sich mein

13
Weib mit ihrem Knaben da letze: u. dann, wohin es seyn soll – die ganze

14
Göttingen
mit der Aussicht auf eine Predigerstelle, verbunden mit einer Professur
Gegend hier ringsum, spricht „nach Göttingen!“ ich bin aber der Letzte, ders

15
weiß – das auch gut ist. Komme ich hin, so will ich mich sogleich durch Fleiß,

16
Stille u. Verträgl. von der ganzen gelehrten Zunft sondern. Freilich
aber

17
wirds meinem äußern Menschen da noch immer sehr angehen: aber man

18
kommt doch in
Weg
, in
Bahn
, in
Handlung
.

19
Sähe ich Sie Einmal wieder in Ihrem alten Neste! – Kaum! – Claudius

20
Göthe
Johann Wolfgang Goethe
verlobte sich mit Lili Schönemann (1758–1817)
krankt, u. Göthe geht mit Heirathsgedanken: sie sind nebst Lavater u. etwa

21
Zimmermann, die Einzigen, an die ich, auch sehr läßig schreibe. Es ist, als ob

22
die Bande welk wären, um vielleicht Einmal sich desto mehr zu krümmen u.

23
fortzustreben. Wenigstens der Geschichte

24
des großen Nikolai …
Leicht veränderte Verse aus
Wagner,
Prometheus, Deukalion und seine Rezensenten
, S. 9 (eine anonym erschienene Literatursatire auf Rezensionen von Goethes
Werther
; bis zu Goethes öffentlicher Erklärung in den
Frankfurter gelehrte Anzeigen
, St. 32, 21.4.1775, S. 274 für dessen Werk gehalten).
des großen Nikolai

25
Todfeinds Mardochai
der biblische ‚Haman‘ nach
Est 5
; zu vorherigen Identifikationsspielen mit diesen Figuren zwischen Hamann und
Mendelssohn
vgl.
HKB 224 ( II 142/14 )
u. des Todfeinds Mardochai

26
Dieser hat ein Gefolg gleich dem Großvezier

27
jener blieb kaum noch ein Unterofficier –

28
ihretwegen wenigstens müßen sie Prometheus lesen. Er ist rüstig, wie der

29
Bahrdts Offenb. u. die Götter, Helden u. Wieland
Goethe,
Prolog zu den neusten Offenbarungen Gottes
und
Goethe,
Götter, Helden und Wieland
Prolog zu Bahrdts Offenb. u. die Götter, Helden u. Wieland.

30
Mscr.
vll. der zweite Band von
Herder,
Aelteste Urkunde
Michael
zur Michaelis-Buchmesse
Ein paar langgeschriebne Mscr. bring ich Michael zu Markt u. denn ruh

31
ich u. studire hebräisch, an dem ich jetzt noch buchstabire. Hartkn. versorgt

32
mich mit einer hübschen Samml. Bücher.

33
Schreiben Sie mir bald, lieber H., daß ich Ihren Brief zum Desert beym

34
Pyrmonter
heilendes Mineralwasser aus Bad Pyrmont
orphisches Ei
Metapher aus der orphischen Kosmologie für die lakonische Kürze und Dichte in Hamanns Werken, vgl.
Nicolai,
An den Magum in Norden
; Zitat:
HKB 388 ( III 45/26 )
; außerdem
Hamann,
Selbstgespräch eines Autors
, N III, S. 73/8.
Pyrmonter habe. Die hieroph. Br. dazu – u. Ihr orphisches Ei! –

35
Mein Weib ist fleißige Wirthin, Gärtnerin, die Fasten über auch Köchin

36
gewesen, Mutter
p
aber zu meiner Muse will sie sich noch nicht fügen. An

S. 179
Ihren Briefen u. Schicksalen nimmt sie redl. Theil: wollt, daß
Htkn.
von

2
diesen uns recht viel Guts brächte.

3
Gott mit Ihnen, lieber H. u. mit Ihrem Hause u. Kindern.
Grüssen
Sie

4
Dokt. Lindner
Johann Gotthelf Lindner
Dokt
.
Lindner. Wenn der Artikel eines Legats hieselbst nicht gewesen wäre,

5
daß Superint. Dokt. theol., Licent.
p
seyn müste, oder sich durch Theol. Schr.

6
der Welt rühmlichst bekannt gemacht – wenn dieser Zusatz nicht gewesen wäre,

7
hätte ich wie Er, das dumm machende D. mir erkaufen müssen. Gottlob, jetzt

8
hab’ ich noch einen Hut auf
dem
Kopf, statt der Mütze oder des Filzes. –

9
P.S.
Und da, lieber H., unsre Zusammenkunft so schwer hält, erlauben Sie

10
Bilde
nicht ermittelt
nicht, daß Hartkn. von Ihrem Bilde bei Lindn. Kopie nehme?
Es
soll uns heil.

11
Schatte von Ihnen seyn, zumal es mich an Riga
p
wo ichs gesehn, mit

12
erinnert. Schlagen Sie es nicht ab.


13
P.S.
11. HE.
D.
Lindner schickt mir eben unter Hartkn. Bücher seine

14
Predigt
nicht ermittelt
Predigt, mit einem Sprüchgen von der Wiedergeburt. Viel Dank an ihn, u.

15
Bezeugung, daß Schweigen nicht Vergessen, Abwesenheit nicht Tod, u.

16
Antiphon. … Sprüchw. 30,26
Antiphonie: Gegengesang;
Spr 30,26
: „die Klippdachse – ein schwaches Volk, dennoch bauen sie ihr Haus in den Felsen“
Aufgeschoben nicht
aufgehoben
heißt. Zur Antiphon. ihm Sprüchw. 30, 26.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 127–128.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 139–141.

Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 96–99.

ZH III 177–179, Nr. 445.

Zusätze fremder Hand

177/4
Johann Georg Hamann

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
177/4
75.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
75
177/28
Brüder Jesu
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Brüder Jesu
177/31
p
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
p.
178/1
opera
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Opera
178/3
wollte
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
sollte
178/10
Aber
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Aber
178/36
p
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
p.
179/1
Htkn.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Hartkn.
179/3
Grüssen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Grüßen
179/4
Dokt
.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Dokt.
179/5
p
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
p.
179/8
dem
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
den
179/10
Es
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Er
179/11
p
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
p.
179/16
aufgehoben
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Aufgehoben