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Am
alten Graben
St. Marci
Tage den 25 April
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des Abends vor dem Schlafengehen
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– – ohne daß man eben über die
Urkunden des menschlichen Geschlechts
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unverständliche
Quartant
en im alchymistischen und cabbalistischen Stile
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schreiben, noch sich zu tief in die ägyptische Philosophie versteigen darf. S. 99.
S. 175
Mein liebster Freund Hartknoch!
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Unser alte Hintz ist gestern zu Mittag angekommen, und kam des Abends
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auf ein Butterbrodt zu Gaste – Ich habe ihn u Hofrath Schwander des
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Morgens besucht, und er mich gegen Abend – Unter andern Opfern der
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Freundschaft, durch die er sich, der Himmel weiß warum? und wieder alle meine
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Erwartung, diesmal bey mir unterschieden, hat er mir die ersten Bogen des
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Hephästions zum Ansehen verschaft, die durch ein sehr böses
Omen
das
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Unglück hatten in Feuers Gefahr auf meinem Tisch zu gerathen – und dadurch
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mir das
Jus dominii
erworben. Daselbst hab ich obiges
Citatum
gefunden
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und so viel andere Dinge mehr, daß mein Gemüth in eine solche Wallung
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gerieht und Gährung, – wie Horatz über seinen Knecht
Davus: Vnde mihi
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lapidem? – Vnde sagittas –
kurz, meine Leute dachten alle wie der ehrliche
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Davus
von seinem Herren:
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aut insanit homo aut versus facit – –
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Die Absicht dieser Zeilen, ist Sie bey aller
Freundschaft
, die Sie Herdern
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und Jonathan – und vielleicht einem unsichtbaren Freunde, der Ihnen näher
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ist als die sinnlichsten Wir –
beschwöre
sich des kleinen
Vetii Apagathi,
der
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den Namen eines
Aduocati Christianorum
geführt haben soll, anzunehmen,
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daß das
Antidote
des neuesten
Doctor Boulanger
aus der
Officin
fertig
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werde wie die Minerva aus dem Kopf Jupiters und die kleine Adelgunde
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aus Ihrem Verlage erschien; daß Sie alle Verleger
Ressourcen
dazu
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anwenden und vor keinen kleinen Kosten verzagen – Sollte es zu diesem Behuf
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dienen es in 4
to
als eine Fortsetzung u Erfüllung des
Zacchaei
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herauszugeben: so steht alles bey Ihnen, und jetzt wünsch ich es beynahe – Auch
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Herdern wird es ein
angenehmes Opfer
seyn von Ihrer Hand. Wenn Sie es
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diese Meße verrechnen und mir mitbringen können: so wird Gott Sie dafür
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belohnen und mein Geist wird
beruhigt
seyn.
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Ich habe mich im
Stillen gegrämt
bey der Abschrift und vorzügl. am
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Abend Ihrer Abreise, auch manchen Augenblick nachher, – meine Rache zu
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weit getrieben zu haben. Nun aber
absolvi
rt mich mein Gewißen, und wie ich
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hoffe, der höchste Zeuge der Gedanken und des Herzens.
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Diesen Einschluß will Ihrer lieben Frau einhändigen, die ich heute frühe
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auf Hinzens Schlafzimmer und in seinem Bette gesehen habe, – Hinzen
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standen die Haare darüber zu Berge und lag neben Ihr und Ihnen – Sie aber
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lächelten so
empfindselig
, daß ich mich in Sie verliebt hätte wenn ich nicht
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eine keusche züchtige Sibylle wäre. Der ganze Auftritt geschah bey lichtem
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hellem Morgen –
aber
und
in effigie
– und
ich
eine Stunde nachher sah
S. 176
ich – wenn der arme Seher recht gesehen
M
e
Hartknoch,
die mich auch nicht
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zu sehen
schien
und von der ganzen Begebenheit nichts zu wißen schien –
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in die Kutsche steigen –
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Ihr lieben Herren! last euch sagen
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Die Glocke hat zehn geschlagen –
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Und nun die Glocke bin ich nicht mehr gewohnt zu schreiben – sondern lieber
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im Bett zu
schlafen als zu wachen
– Letzteres bitte bey Empfang dieses
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Briefes
auch
zu thun; und grüßen Sie den kleinen Gesellen Johann Christoph
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der meinen Hahn beynahe ersäuft und meinem Hänschen eben so leicht das
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Auge ausgestochen hätte; aber es ist ihm alles
herzlich vergeben
und
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verziehen
. Nur vergeßen müßen nach der Casuistick dergl. Kleinigkeiten nicht
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werden, um dergl. Unglücksvorspiele zu vermeiden und vorzubeugen in der
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Zukunfft.
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Vetius, aduocatus Christianorum
allso in 4
to
– und wie der Blitz!
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Bedenken Sie Leßing mit einem
Exemplar
von der
Lettre perdue,
der
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Sibylle u. dem
Zacchaeum
. „Habe Gedult mit mir, ich will Dir alles
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bezahlen“ – ist die wahre Sinnesmeinung
Ihres unnützen Autors
.
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Ich wäre jetzt nicht im Stande (um alles in der Welt) einen einzigen der
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7 Briefe zu schreiben, aber bin desto froher
sie geschrieben zu haben
.
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Sapienti sat. Acti labores iucundi!
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Wie gut
läßt
wird sichs doch nach der Arbeit ruhn?
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Wie wol wirds thun! :,: Amen.
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Die Sorg und Last wirf nur getrost
auf ihn
und kühn
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Allein auf Ihn :,: Amen.
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In Quarto
!
wenn er auch nur 2 oder 3 Bogen ausmacht. – „
Heraus
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mit
!“ sagt Gevatter
Assmus omnia secum portans!
kein Mensch im gantzen
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Publico soll wißen, daß der Einfall vom Autor selbst ist; sondern ich will es
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allen Leuten sagen, daß mein Verleger der Mann ist, der im stande ist ein klein
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Octav
männchen in groß
Quarto
zu verwandeln und alle hierophantischen
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Autor Sorgen zu
realisi
ren und zu vernichten
à son gré
– &&
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Johann Georg Hamann.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.
Bisherige Drucke
ZH III 174–176, Nr. 444.