145
S. 333
Königsberg. den
1 Junius. 1759.

2
Geliebtester Freund.

3
Das Billet der
Mutter Lindners
ging an
J. E. F. Lindner
in Mitau, von dort an
J. Chr. Hamann
in Riga.
Sie werden wie ich hoffe ein klein
Billet
von Ihrer lieben
Mama
aus Mitau

4
erhalten haben. Ich habe an den Herrn
Doct.
geschrieben und ihm einen

5
Einschluß an meinen Bruder anbefohlen, worinn ersteres gelegen. Sie hat noch

6
kein Geld erhalten, und HE Wagner hat mir vor 4 Wochen einen Brief

7
gewiesen, worinn ihm oder
mir
aufgetragen wurde Geld zu heben, aber ohne

8
Namen des Kaufmanns von dem es gehoben werden sollte; so wie Sie auch

9
mir nichts davon gemeldet in Ihrem letzten. Sie werden uns oder jemanden

10
unter uns eine Erörterung hierüber geben.

11
Beggerau
nicht ermittelt, vgl.
HKB 148 ( I 348/11 )
Vorgestern kam HE.
Beggerau,
der meinen Vater kennt, Abschied nehmen,

12
den ich schon lange glaubte unterwegens zu seyn. Er bringt einige Sachen von

13
mir mit – zu dem versprochenen ersten Theil des Swifts habe aus dem

14
Buchladen den 2. dazulegen laßen; der dritte ist nicht mehr da. Eine kleine
Piece,

15
die nicht mehr zu haben, werden sie auch finden; sie war schon einer andern

16
beygebunden, von der ich sie losreißen müßen. Sie ist das Beste, was ich über

17
die
Sache
gelesen.
Lutheri
kleine Schriften und die historische Tabelle ist für

18
meinen Bruder;
Cissides
und
Paches
gleichfalls, weil die übrigen Werke des

19
Kleist dort sind.
Considerations sur le Commerce, Pensées sur le Comm.

20
Philos. v. patriotische Träume,
le Reformateur
reformée
,
Relation historique

21
de Lisbonne
und
la noblesse commerçable et ubiquiste
werden Sie bey

22
Gelegenheit unter meine dortige Bücher einschieben; bitte mir aber dafür mit

23
bureau
Schreibtisch
erster Gelegenheit alle meine
Musicalia
aus, die oben im
bureau
liegen. Ich

24
habe schon meinem Bruder davon geschrieben, ich weiß aber daß es schwer ist

25
durch ihn etwas zu erhalten. Sie werden Geliebtester Freund, daher an dieser

26
Kleinigkeit Antheil nehmen, weil ich dem
Reichard
selbige versprochen, der

27
Luxmachersche
Vll. Renaissancelaute aus der Werkstatt des Laux Maler (1485–ca.1552), welche im 17. Jhd. jedoch meist zu Barocklauten umgebaut wurden.
mir meine alte Luxmachersche Laute diese Woche zu Hause bringen wird, die

28
ich unterwegens erbeutet.

29
Ich habe nicht viel vor Sie gefunden, ob in dem wenigen, was ich Ihnen

30
durch
Wagner
beylegen laßen, etwas nach ihrer Erwartung seyn wird,

31
Erläuterungen der Psalmen Davids, aus ihren Eintheilungen in fünf Bücher und ihren Ueberschriften
(17 Tle., Aurich: Luschky 1757–1766)
werden Sie beym Empfang am besten beurtheilen. Die Erläuterungen der

32
Psalmen machen 2 kleine Lagen aus, es steht bey ihnen sie fortzusetzen. In unserm

33
Buchladen ist nichts mehr davon als die 2 ersten Stücke. Sie müßen mit dem

34
Chiliasten
eschatologischer Messianismus, etwa bei
Philipp Jakob Spener
Eyfer des Verfaßers gegen die Chiliasten Gedult haben und sich dadurch das

35
gründlichere in dieser Schrift nicht vereckeln laßen. Ich lege nichts bey für Sie,

36
das ich nicht selbst vorher gelesen habe. Künftige Vorschriften über meine

S. 334
Wahl und nähere Bestimmungen Ihres Geschmacks im überschickten werde

2
mit Verbindlichkeit annehmen.

3
Aus Vorwitz habe alle Schriften des Chladenius durchblättert, die hier zu

4
haben sind; und nur seine Predigten und ein paar kleine Abhandlungen

5
darunter gefunden, die ihnen darunter anständig seyn möchten. Seine
ist gewaltig
schola
stisch, und seine Anweisung zur Auslegung der

7
Schriften und Reden ist eben so eckel durch die Methode. In der ersten sind

8
einige neue
Theorien
oder
essays
als Außenwerke angebracht, die sie aus seiner

9
Philosophia Definitiua,
die unter meinen Büchern ist, zum Theil kennen

10
lernen können. Seine Abhandlung vom Wahrscheinl. sind nicht mehr; wenn sie

11
wie seine
Hermeneutic
und Auslegungskunst geschrieben; so verlange sie

12
nicht zu lesen. Unter seinen
philosophi
schen Werken möchten also wohl seine

13
Chladenius,
Allgemeine Geschichtswissenschaft
; vgl.
Hamann,
Sokratische Denkwürdigkeiten
, SD: S. 18/28, ED S. 26 (fehlt in N II S. 65): „Die Geschichts-Wissenschaft des scharfsinnigen Chladenius ist blos als ein nützlich Supplement unserer scholastischen oder akademischen Vernunftlehre anzusehen.“
Philosophia definitiua
und allgemeine Geschichtswißenschaft die stärksten

14
und ausgearbeitesten seyn. Ob sie diese bey Gelegenheit künfftig einmal

15
haben wollen, können sie sich allemal melden. Ich habe noch seine
opuscula

16
gelesen, die mehrentheils in
programmatibus
und kleinen Abhandlungen

17
bestehen, deren Innhalt den Leser neugierig macht, nicht aber gleich befriedigt.

18
Es ist eine darunter über eine Stelle des Augustinus, worinn er seine

19
Gedanken über die Schreibart Moses und der heil. Schrift überhaupt entdeckt.

20
in seinen Confessionen
Aug.
conf.
12,26,36; von Chladenius erörtert in
Chladenius,
Opuscula Academica
, S. 3ff., das Augustinus-Zitat steht auf S. 6f.
Sie stehen in seinen
Confessionen,
und sind wirklich so außerordentlich, daß

21
man diesen Kirchenlehrer entweder durch Empfindung verstehen muß, oder

22
noch so viel über seine Worte
commenti
ren kann, ohne ihren Sinn hinlängl.

23
zergliedern zu können. Er bittet von Gott um eine solche Beredsamkeit, daß

24
der Ungläubige nicht seine Schreibart ver
stehen
werfen könne, weil sie ihm

25
zu schwer zu verstehen wäre, der Gläubige hingegen, wenn seine

26
Denkungsart noch so verschieden wäre, doch einen Zusammenhang und eine gewiße

27
Uebereinstimmung derselben mit den Worten des Schriftstellers erriethe.

28
Chladenius,
Opuscula Academica
, S. 10;
Aug.
conf.
12,31,42, dort aber: „auctoritatis aliquid scriberem … mea verba resonarent …“, „Ich jedenfalls erkläre ohne Scheu und aus tiefster Überzeugung: Wenn ich etwas so sehr Einflussreiches zu schreiben hätte, dann lieber so, dass jeder in dem, was er über diese Inhalte an Wahrem erfassen könnte, meine Worte wiedererkennen sollte, als in der Weise, dass ich eine einzige wahre Ansicht zu dem Zweck ziemlich deutlich herausstellte, andere Ansichten auszuschließen, selbst wenn sie nichts Falsches enthielten, das mich verletzen könnte.“
Mit dieser Stelle vergleicht
Chladen
eine andere aus eben dem Buche:
Ego

29
certe, si ad culmen authoritatis scriberem, sic mallem scribere, vt quid veri

30
quisque de his rebus capere posset, mea verba sonarent quam vt vnam

31
veram sententiam ad hoc apertius ponerem, vt excluderem ceteras,

32
quarum falsitas me non posset offendere. Chladenius
scheint mir noch lange

33
nicht bis auf den Grund desjenigen gekommen zu seyn, was Augustin hat

34
sagen wollen. Er nimmt einen Einfall des
Lucilii
zu Hülfe, den
Cicero
in

35
Chladenius,
Opuscula Academica
, S. 22;
Cic.
de orat.
2,6,25: „ich will nämlich lieber, dass mein Vortrag nicht verstanden als dass an ihm etwas ausgesetzt wird.“
seinem Buch
de Oratore
anführt, welcher gesagt:
malo non intelligi

36
orationem meam, quam reprehendi,
und weder von ganz unwißenden noch gar zu

37
gelehrten gelesen werden wollen, weil die ersteren ihn gar nicht verstehen, und

S. 335
die letzteren ihn über den Kopf weg sehen würden. Ein solcher Wunsch, und

2
eine solche Schreibart gehört für einen Staats- und Schulredner, der nichts

3
vgl.
Hamann,
Beylage zu Dangeuil
, N IV S. 229/14, ED S. 367: „Man darf die Größe eines Volks nicht weit suchen, das die Wahrheit aus dem Munde eines Schauspielers mit einem allgemeinen Händeklatschen aufnahm.“
als Beyfall und Händeklatschen sucht, und zu
so witzigen
oder geschwäzigen

4
Redekunst wird man in Schulen und im Umgange geübt; darinn fehlt es

5
Atticis
Attiker/Rhetoriker/Stilistiker
weder an Lehrern noch an Mustern, weder an
Ciceron
en noch
Atticis.
Sollte

6
aber nicht ein ehrlicher Mann bisweilen eine Schreibart nöthig haben, die er

7
lieber getadelt als
gemisbraucht
wünschen möchte, und wo er genöthigt ist

8
zu wünschen: Ich will lieber gar
nicht als unrecht
verstanden werden.

9
Die Begriffe die
Augustinus
annimmt wiedersprechen gewißermaaßen den

10
ersten Grundgesetzen, die wir von einer guten Schreibart anzunehmen

11
gewohnt sind. Er nimmt an
statt
, daß die
Wahrheit
bestehen könne mit der

12
grösten Mannigfaltigkeit der Meynungen über ein
ig
e einzige und dieselbe

13
Sache, indem er sich so zu schreiben wünscht, daß diejenigen, welche durch den

14
Aug.
conf.
12,26,36, dort aber: „in quamlibet veram sententiam…“, „die wahre Ansicht, zu welcher sie auch immer durch Nachdenken gelangt wären, in den wenigen Worten deines Dieners deutlich wiedergefunden hätten, und wenn ein anderer im Licht der Wahrheit eine andere geschaut hätte, dann hätte er auch sie denselben Worten entnehmen können.“
Glauben einen Begrif von der Schöpfungskraft Gottes hätten,
in quamlibet

15
sententiam cogitando venissent, eam non praetermissam in paucis verbis

16
tui famuli reperirent et si alius aliam vidisset in luce veritatis, nec ipsa in

17
iisdem verbis intelligenda deesset,
das würde ohngefähr heißen, er möchte

18
ein
Cartesianer
oder
Newtonian
er,
Burnets
oder
Buffons Hypothesen

19
aufgenommen haben, und die Natur in dem geborgten Lichte dieses oder jenes

20
Systems
ansehen, gleichwol in den kurzen Worten des begeisterten

21
Geschichtschreibers Spuren einer mögl. Erklärung nach seinen Schooßlehren darinn

22
fände, zu
Anspielungen darauf entdeckte. Die Wahrheit ist also einem

23
Saamenkorn gleich, dem der Mensch einen Leib giebt wie er will; und
dieser Leib

24
der Wahrheit
bekommt wiederum durch den
Ausdruck
ein
Kleid
nach eines

25
jeden Geschmack, oder nach den Gesetzen der Mode. Es ließen sich unzähliche

26
Fälle erdichten, die einen neuen Schwung der Schreibart bestimmen könnten.

27
Ein kleiner Zusatz neuer Begriffe hat allemal die Sprache der Philosophie

28
Reitzbarkeit
Irritabilität, bspw. von
Albrecht v. Haller
gegen Leibniz’ Kraft-Konzept vertreten (
HKB 171 ( I 453/22 )
).
geändert; wie die
Reitzbarkeit
in
medicini
schen Büchern und
Dissertationen

29
zu
circuli
ren anfieng. Eben so wird ein diplomatischer oder pragmatischer

30
… autoritatis
Aug.
conf.
12,31,42
Schriftsteller, der gleichfalls gewißermaaßen
ad culmen autoritatis
schreibt,

31
sich an die
Worte
der Urkunden und Vollmachten halten, Mönchsschrift und

32
Runi
sche Buchstaben in ihrem Werth laßen, und nicht mit dem
Donat

33
Kayser
Von
Sigismund von Luxemburg
auf dem Konzil zu Konstanz (1414–1418) berichtet J. W. Zincgref in seiner Sammlung:
Teutsche APOPHTEGMATA das ist Der Teutschen Scharfsinnige kluge Sprüche…
(1. Aufl. 1644; um einen dritten Teil vermehrt durch J. L. Weidner, Amsterdam 1653): „Als ihm auff bemeltem Concilio [zu Konstanz] das Wort schismam entfuhre / in dem er sagt: Wir wollen kein schismam haben / vnd des Pabsts Gesandter ihn corrigirte, dann es were generis neutrius: Antwortet der Keyser / Wer sagts? Als ihm geantwortet ward / Alexander Gallus / Priscianus vnd andere. Fragte er weiter: Wer die weren? Als ihm gesagt war / Es weren gelehrte Männer etc. Antwortet er: So bin ich ein Keyser und höher als sie / kan wol gar eine andere Grammatic machen. Dann bin ich ein Herr der Recht vnd Sachen / so bin ich auch viel mehr ein Herr vber die Worte.“
sondern mit seinem Kayser
Schismam
reden. Unter eben so einem Zwange

34
befindet sich ein Autor der in einer Sprache schreibt, die nicht mehr geredt wird,

35
weil sie
tod
ist. Er wird seinen Zeitverwandten als Verfälschern nicht trauen,

36
den
genium
seiner Muttersprache oder der lebenden, die er gelernt hätte,

37
verleugnen, und nichts als seine Bekanntschaft mit den Alten, seine
Urtheil

S. 336
und sein
Glück
ihre
Formeln anzubringen
und
zusammenzuleimen
den

2
Kennern zeigen können. Wenn ein solcher gekünstelter Römer von einem ehrl.

3
Vmtl. zitiert aus
Bacon,
De sapientia veterum
(Ende von Kap. 1, „Cassandra, sive Parrhesia“), eine Abwandlung von
Cic.
Att.
2,1,8.
Mann sagen wollte, der den öffentl. Besten vorstünde:
Optime sentit, sed

4
nocet interdum Reipublicae; loquitur enim, tanquam in republica Platonis,

5
nec tanquam in faece Romuli
oder
Saeculi.
Würde man an dieser

6
Schreibart etwas auszusetzen finden, und dem Briefsteller vorrücken, daß er dem

7
Cato
sein Lob gestolen, und dadurch einen Narren entschuldigte, an den kein

8
einziger Römer in seinen
epistolis familiaribus
gedacht hätte.

9
Nach den Gedanken des Augustinus von der Schreibart, sollte man den

10
grösten Fehler in eine Schönheit verwandelt sehen; die Klarheit in einen

11
unbestimmten vieldeutigen Sinn. Der Philosoph, der aber gar zu klar von der

12
Plato im
Phaidon
grösten Wahrheit näml. der Unsterblichkeit der Seelen redete, brachte den

13
Hamann,
Sokratische Denkwürdigkeiten
, SD S. 33/28, N II S. 73/40, ED S. 49, erster Bezug ist dort
Lactanz (
Inst.
3,18)
; zweiter in nachtr. handschr. Annotation:
Aug.
civ.
I.22 u.
Cic.
Tusc.
I.34.
Zuhörern
Cleombrotos
Entschluß des Selbstmordes, des grösten Lasters, in seinen Zuhörern zu wege.

14
Wenn man also sich nicht anders als eine verkehrte Anwendung deutl.

15
Wahrheiten versprechen kann, so erfordert es die Klugheit sie lieber einzukleiden,

16
Thamar
1 Mo 38,14
und den Schleyer der Falscheit wie Thamar auf Unkosten seiner Ehre zu

17
brauchen und sie mit der Zeit desto nachdrücklicher zu rächen, auf Unkosten

18
seiner Ehrliebenden Richter.

19
Ich theile Ihnen nur die zufälligsten Gedanken mit, weil Sie in einigen

20
Grammatic
Hamann,
Deutsch-Französische Sprachlehre
, N IV S. 247f.,
HKB 136 ( I 295/17 )
u. Brief 214 (ZH II, 112/4)
Zusammenhang mit meiner franzosischen
Grammatic
stehen, in der ich

21
einige allgemeine
Gedanken
Betrachtungen über die Menschliche Sprache

22
überhaupt zum voraus anzubringen gedenke; zu denen ich einigen Stoff

23
gesammlet, den ich aber Mühe haben werde in Ordnung zu bringen. Erinnern

24
Sie doch, Geliebtester Freund, meinen Bruder, daß er die angefangenen

25
Johann Christoph Hamann (Bruder)
hatte eine Abschrift von Hamanns Anfang der franz. Grammatik (
Hamann,
Deutsch-Französische Sprachlehre
) gemacht.
Bogen davon den
Musicalien
beylegt.

26
Ich habe das neue
Journal
des
Formey; Lettres sur l’Etat present des

27
Sciences et des Moeurs
gelesen. Es ist so schlecht als möglich. Es wird zu

28
Journal de commerce
(18 Tle. 1759–62, ab 1762 fortgeführt als
Journal de commerce et d’agriculture
; Brüssel: Van den Berghen, dann Brüssel: De Bast); die Anzeige zur Praenumeration erschien in
Formey,
Lettres sur l’état
.
Bruxelles
ein
Journal de Commerce
und wo ich nicht irre zu Koppenhagen

29
Savary,
Dictionnaire universel de commerce
; die Anzeige zur Praenumeration erschien in
Formey,
Lettres sur l’état
.
eine neue Ausgabe von
Savary Dictionnaire
auskommen, auf welchen noch

30
Zeit seyn wird zu
praenumeri
ren, falls sich Liebhaber zu
Riga
dazu finden.

31
Eine Abhandlung des
Voltaire
war gleichfalls eingerückt, die eine

32
Im
Journal Helvetique
(seit 1738) waren im Okt. 1758 anonym Verdächtigungen gegen den 1730 gest.
Jaques Saurin
publiziert worden.
Schutzschrift des
Saurin
gegen das
Journal Helvetique
in sich hielt. Dieser
Saurin

33
war der Feind des
Rousseau; Voltaire
kann also nicht anders als ein

34
patheti
scher Menschenfreund und Sittenlehrer die Asche dieses Mannes rächen. Ich

35
will Ihnen den Beschluß dieser beredten
Apologie
hersetzen:
Par quel excès

36
incomprehensible avez Vous pû Vous laisser emporter jusqu’à taxer de

37
Deisme et d’Atheisme le service charitable rendu à la memoire d’un mort

S. 337
et à la reputation de ses enfans
(der
Paedagogus
dieses Jahrhunderts hat

2
dies in der Geschichte des vorigen gethan).
Sentez Vous toute l’absurdité et

3
toute l’horreur de Vos raisonnemens? Vous qui ne songez qu’à nuire, Vous

4
appellez Athée celui qui ne songe qu’à servir. Vous qui croyez faire

5
des Syllogismes, vous confondez ceux qui adorent la Divinité avec

6
Hamanns Hervorhebungen
ceux qui la nient; et ne connoissant ni la
force
des
termes
, ni les

7
bienseances
, ni les hommes, dont Vous osez parler ni les
loix
, qui

8
peuvent Vous
punir
, vous couvrez du nom de zele la temerité barbare de Vos

9
outrages.

10
Nous n’avons que deux jours à vivre sur la terre. Dieu ne veut pas que

11
ses enfans consument ces deux jours à se tourmenter impitoyablement les

12
uns les autres. Nous sommes prets de paroitre Vous et moi devant son

13
Tribunal. J’espere que je n’y
tremblerai
pas d’
avoir
secouru mes
Freres

14
et qu’il Vous pardonnera à Vous, quand Vous aurez gemi de leur avoir mis

15
le couteau dans le coeur et d’avoir dechiré leurs blessures.

16
P. S. L’auteur de cette Declamation n’a repondu au Libelle anonyme

17
inseré dans le Journal Helvetique que parcequ’il s’agit de defendre

18
l’honneur d’une Famille. On lui a dit qu’il y a d’autres articles personnels

19
contre lui inserés dans le meme Journal; il ne les a jamais lus et d’ailleurs

20
il n’y repondroit jamais parceque’ils ne regardent que Lui.

21
Rousseau, Citoyen de Geneve à Monsieur Alembert, l’homme à longue

22
queue
weil alle
Academi
en darauf folgen deren Mitglied er ist über den

23
Article Geneve
im
Dictionaire Encyclopedique.
Dieser Brief ist die

24
Abschiedsschrift des Autors aus der gelehrten Welt. Wenn ich bekomme, will Ihnen

25
selbige schicken. In der Vorrede vertheidigt er die Genfer Theologen gegen die

26
Socinianismus
Christliche, antitrinitarische Bewegung in Polen, Mähren und Siebenbürgen, im 16. Jhd. von Sienese Fausto Sozzini begründet, im 17. Jhd., nach ihrer Bekämpfung, in kleine Reste zerstreut. Im 18. Jhd. verallgemeinert zu einem vagen Schimpfwort gegen Unitarismus, moralisch-vernünftig verstandene Religion.
Beschuldigung des
Socinianismus;
der Brief streitet gegen die Errichtung

27
eines Schauplatzes in seiner Vaterstadt, thut dafür andere wunderl.
Projecte

28
von öffentl. Bällen in Gegenwart der Aeltesten und die Errichtung einer
Cour

29
d’honneur
um die
Duelle
abzuschaffen.

30
Ein junger Parlaments Rath, der kürzl. gestorben
Mr. Goguet
hat 3

31
Quartanten de l’origine des Loix, des Arts et des Sciences et de leur

32
Progrès chez les Anciens
voriges Jahr ausgegeben. Das Werk wäre neugierig zu

33
sehen. Wenn es ihr Nachbar sich verschreiben sollte so melden Sie mir doch

34
etwas davon.

35
So viel von gelehrten Neuigkeiten. Der
Serg.
soll abgereiset seyn hat

36
gewis versprochen uns zu besuchen ist aber nicht gewesen. Er begleitet die

37
vll. Martha Philippine Stoffel, vgl.
HKB 150 ( I 361/9 )
General.
Stoffeln
nach Riga. Ich bin einmal in seinem Qvartier gewesen mich

S. 338
nach ihm zu erkundigen. Der
Maj.
soll seine Sachen gepfändet haben wie und

2
warum, weiß ich nicht. Ob er sie zur Reise ausbekommen, kann auch nicht

3
sagen.

4
Leben Sie gesund v. zufrieden, Geliebtester Freund. Ein gesegnetes

5
Pfingstfest. Ich habe alle Lust verloren auf Land zu gehen; mein kleiner Garten ist

6
mein Gut; mit HE.
Trescho
habe den Morgen darinn zugebracht, und schreibe

7
jetzt darinn. Mein Vater läßt Sie herzlich grüßen, ist ziemlich gesund und

8
gutes Muthes. HE.
Justitiarius Wulf
hat mich 2 mal besucht, bin aber noch

9
nicht bey ihm gewesen, nach dem Fest will ihn auch besuchen und einen Kuß

10
von seiner jungen Frau abholen, die sich mit Ihrer lieben Hälffte tröstet.

11
Umarmen Sie Sie in meinem Namen. Ich ersterbe mit der redlichsten

12
Hochachtung und Ergebenheit Ihr verpflichtester Freund.

13
Hamann.


14
Habe heute mit viel Vergnügen unter der Sammlung des Trescho ein

15
Lindner,
Empfindungen der Freundschaft
; die Sammlung erschien erst 1761, Hamann hatte also hier wohl ein Manuskript vorliegen.
HKB 148 ( I 349/5 )
,
HKB 149 ( I 357/22 )
.
Gedicht von Ihnen gelesen über entfernte Freundschaft, das ich mir Mühe

16
geben werde noch ein wenig näher zu untersuchen. Leben Sie wohl. Gott

17
befohlen. Schlüßen Sie Uns auch in Ihr Gebet ein.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (36).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 385–390.

ZH I 333–338, Nr. 145.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
333/20
reformée
]
Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988):
reformé
335/3
so witzigen
]
Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955):
lies
so
einer
witzigen
335/22
fände, zu
]
Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955):
lies
und
statt
zu

Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): fände, u
337/13
secouru mes
]
Geändert nach Druckbogen (1940); ZH:
secour u mes

Korrekturvorschlag ZH 1. Aufl. (1955):
lies
secour u mes