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Königsb. den
5 May. 1759.
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Herzlich geliebtester Bruder,
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Briefe
nicht überliefert
Deine Briefe haben mir ungemeine Zufriedenheit gegeben, da ich
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Deinetwegen eine Zeit lang recht schwermüthig gewesen; und in Schulzens Garten
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gestern an Dich am meisten gedacht. Wie ich zu Hause kam wurde ich von
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meinem Vater mit einer Nachricht von Dir erfreuet. Gott laße den Tisch des
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Herren an Deiner Seele geseegnet seyn und Deinen Glauben an Liebe und
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guten Werken – die in Gott geschehen, fruchtbar seyn. Er wird Dir
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Gesundheit, Eyfer und Weisheit schenken, und will Dich an Erfahrung, Gedult und
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Examine
an der Rigaer Domschule
Hofnung reich machen. Zu Deinem bevorstehenden
Examine
wünsche ich Dir
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herzlich Glück. Wenn Du eine Rede zu halten hast; so rede so, daß Dich die
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Kinder verstehen können; und siehe mehr auf die Eindrücke, die Du ihnen
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mittheilen kannst als den Beyfall gelehrter und witziger Maulaffen. Du nennst
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Deine Arbeit ein Joch – Es ist ein köstlich Ding einem Manne, daß er das Joch
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in seiner Jugend trage. pp.
Thren. III.
Vielleicht hättest Du die Erinnerung
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Deines und meines Lehrmeisters, Beichtvaters und Vormundes nicht so
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bald vergeßen sollen; Dich ja nicht im Anfange mit Arbeit zu überhäufen.
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Hänschen
Johanna Sophia Berens
Ich weiß, und habe es gewußt, wie viel ich Dir an Hänschen schon
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aufgegeben, und die hätte Dich etwas entschuldigen können. Doch
alles
muß uns
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zum Besten dienen, wenn wir nur unsere Fehler erkennen, und auf Gott uns
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verlaßen, der andere und uns regiert, und ihnen und uns öfters den Zügel schießen
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1 Kor 15,43
u.ö.
läßt – nicht uns zu stürzen, sondern Ehre an unserer Schwachheit einzulegen.
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Wo ist
Madame B.
hingezogen? Vergiß nicht meinen ergebensten Empfehl
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an beyderseits zu vermelden. Daß HE.
Christ.
an mich nicht denkt, ist mir ein
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Gefallen. Er wird schon wieder an mich denken, wenn es
Zeit
ist. Für Deine
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Aufmunterung danke herzlich – Gott Lob! ich bin sehr ruhig und zufrieden,
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und habe die besten Tage. Meinem Vater ist ein Sohn zur Seite
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unentbehrlich und es würde ein Fluch für mich seyn, wenn ich jetzt an etwas anders als
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an ihn denken wollte.
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Ich werde meine Briefe mit der Zeit so nutzbar als mögl. für Dich
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einzurichten suchen; und es soll Dir an Auszügen nicht fehlen. Ich wollte heute
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etwas an HE. Mag. abschicken; es ist nicht gar zu beqvem. Für Dich habe
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nichts gefunden – ich erwarte aber mit der Meße etwas das ich bestellt und
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Dir zugedacht. Ich sage es Dir zum voraus, damit Du nicht meynst, daß ich
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Dich vergeße
, und für
andere mehr
sorge als für meinen Bruder. Willst
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Du etwas haben; so melde mir. 6 Unterhemde sind hier für Dich gemacht; an
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feiner Wäsche wird es Dir nicht fehlen, weil hier noch viele ganze Stücke
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feiner Leinwand von uns. seel. Mutter liegen. Noch haben wir beyde eben
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nicht nöthig. Das Silberzeug ist nicht rathsam, weil Du es nicht aufheben
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kannst. Der
St. Omer
ist schlecht und Du hast an Deinen Lübecker wie ich
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hoffe noch einen
Spediteur.
Wo nicht; und Du willst, so melde mir. An
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Büchern will ich Dir nicht erst was schicken, da Du ohnedem alles brauchen
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kannst, was der HE Mag. bekommt. In der Historie könnte ich noch eine
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Tabelle
beylegen, die Du in der Schule anschlagen, oder auf Pappe geklebt,
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Gedicht
Kleist,
Cißides und Paches
brauchen könntest. Von Kleist werde ein neues Gedicht beylegen, das zu den
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übrigen Werken von ihm, die bey Dir oder mir sind, gehört. Das übrige wird
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an HE. Mag. und B. seyn, dem noch ein Paar franzosische Bücher, die hier
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liegen geblieben, zukommen.
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Der junge Kade besuchte mich vorigen Sonntag und brachte den
Spectator
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zu Hause. Wo hast Du
Mancini
Reden gelaßen aus dem ital. übersetzt. HE.
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Trescho
hat mir schon einige mal darnach gefragt – Er besucht mich heute mit
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dem jungen
v. Korm.
HE M. Brief an
Scheffner
habe ihm abgegeben heute;
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Prinzen v. Holstein
Herzog Karl von Holstein-Beck, der mit einer Pension aus Dänemark versehen in Königsberg lebte.
er ist aufs Land gereist und
Secret.
bey dem Prinzen
v. Holstein,
Herzog
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Dumocalaners
Stanislaw I. Lesczynski,
Gespräch eines Europäers
Michel genannt. Ist das Gespräch eines
Dumocalan
ers nicht hier gewesen –
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Denkwürdigkeiten
Friedrich II.,
Mémoires pour servir à l’histoire de Brandebourg
hast Du es ausgeliehen –
it.
die Brandenburg. Denkwürdigkeiten? Für
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Lilienth.
3. Theil habe Sorge getragen aber noch nicht erhalten. Marpurgers
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Journal
habe hefften und werde bey Gelegenheit
continui
ren laßen. Bitte den
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Danziger Beyträge
, No. 50 erschien Ende 1758
HE. M. daß er HE. B. erinnert die 2 ersten Stücke der Danziger Beyträge
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nicht zu verwerfen, weil ich die
Continuation
davon hier habe biß
No.
50.
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und fortsetzen werde.
Das Musikale
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Der jüngste und mittlere L. sind wie Du. Schreibe doch an HE.
Trescho
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bey erster müßigen Stunde; weil ich sein guter Freund hier bin, und mir viel
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von Deinem Umgange mit ihm weiß gemacht.
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Baut HE A. B.? Wenn Baßa gewiß Johann sein Haus verläßt, so laß ihn
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kein anderes wählen als das Vertrauen zu ihm hat, und ihn schätzen und
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vergelten kann. Ich denke selbst an ihn zu schreiben, vertrete meine Stelle und
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erzeige ihm alle Gefälligkeit, die Du im stande bist.
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fl.
Gulden, Goldmünze, hier aber vmtl. 1 polnischer Gulden, eine Silbermünze, entsprach 30 Groschen.
Du machst
Compl.
mein lieber Bruder, wegen der 11 fl. und beschwerst
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Dich doch in Ansehung des Postgeldes. Warum hat die Frau
Consistor.
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Räthin Deinen Brief einschließen müßen, wo fr.
Mummel
aufgestanden.
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Ich habe
Bassa
eine Kleinigkeit vorgeschoßen, denkt er daran, so
nimm das
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Geld; hat er es vergeßen
, so habe ich es auch vergeßen und Du.
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Brief
nicht überliefert
HE.
B.
hat meinen letzten Brief nicht beantwortet, und thut recht klug daran.
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Der letzte
Der letzte an unsern Freund L. wird auch einige Bewegungen bey ihm machen.
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Sie mögen ausbrechen, wozu sie wollen; so bin ich gefaßt dazu. Er wird
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verurtheilt
, heist es von dem Gerechten; aber der
Herr
verdammt ihn
nicht
.
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Ψ
37. Kehre Dich an nichts, gehe Deinen Weg fort; und siehe meine
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Angelegenheiten v Verbindungen als fremde Dinge lieber an, ehe Du Dich
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darüber beunruhigen oder Dich selbst irre machen solltest. Ich denke an Loths
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Weib; und werde nicht zurück sehen.
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Vom
Sergeant
en
habe nichts erfahren, und werde mich auch nicht so leicht
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darum bekümmern.
Sapienti sat.
Laß ihn seine Runde laufen, dies müßen
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wir alle, biß sich Gott unserer erbarmt. Wenn alte Leute sich recht kennten,
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so würden sie nicht über Kinder die Schultern zucken.
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Jgfr. Degner läßt Dich vielmals grüßen. Zöpfel ist völlig wieder gesund
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und ist ohne Frucht krank und wieder dem Tode nahe gewesen. So werden
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wir härter, anstatt weich zu werden. Wohlthaten und Züchtigungen
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Lieschen
Zöpfel
verderben und verstocken uns wechselweise. Lieschen kommt eine Stunde des
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Abends zu mir, oder vielmehr eine viertelstunde um lesen zu lernen.
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Der vorige blanke Brief ohne Aufschrift ist an den HE. Mag. gewesen,
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nicht an den Herrn
Doctor.
Entschuldige mich doch deswegen bey dem
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ersteren.
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Wenn Du etwas zu bestellen hast, mein lieber Bruder, so melde mir mit
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der ersten Post. Ich umarme Dich herzlich unter den zärtlichsten Wünschen
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alles Geistl. und leiblichen Guten. Meine freundschaftl. Grüße an HE. Mag.
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und Deine gütige Frau Wirthinn. Ich ersterbe Dein treuer Bruder und Freund
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Joh. Georg Hamann.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (56).
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 383 f.
ZH I 330–332, Nr. 144.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Sergeant en ]
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Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: Sergeanten |