343
394/24
Kgsberg den
10
Jun.
767.

25
Liebster Freund,

26
Eben verläßt mich unser ehrl. Hartknoch und so spät es ist, schreibe ich

27
gleichwol noch an Sie. Die Nachricht von Ihrem Ruff in den Weinberg hat

28
mich sehr erfreut und ich wünsche Ihnen Glück dazu. Ihr Herr Verleger hat

29
mir den dritten Theil Ihrer Fragmente versprochen und Sie werden so gut

30
seyn ihn daran zu erinnern, daß er sein Wort erfüllt,
ein
Exemplar auf

31
Schreibpapier, und nicht vergißt das Kupfer des
Sterne
einzulegen; weil dies zu

32
meinem kleinen
ameublement
unumgängl. nöthig ist. Sie können leicht

33
erachten, wie ich hier lebe und die Verlegenheiten die aus der Lage meiner

34
Umstände, welche Sie genau genug kennen, natürl. Weise haben erfolgen müßen.

S. 395
Der Niederträchtigkeit u Habsucht meiner Verwandten ausgesetzt
such
ich

2
nichts als einen nothdürftigen Unterhalt und einen Raum mich ihrer Nähe

3
zu entziehen. Ich habe daher eben so sehr aus Verzweifelung als Wahl und

4
Geschmack mich bey der gegenwärtigen
Accise Regie
oder
Direction
mich

5
zu
engagi
ren gesucht, und den 25.
May
mich daselbst auf die Probe gegeben

6
für einen Monath. Der gegenwärtige
Directeur Mr. Magnier
ist ein

7
liebenswürdiger Mann für mich. Ich hatte mir Staat auf 25 thlr. den Monath
gemacht;

8
werde aber Gott danken müßen, wenn ich 15 bekomme. HE.
M. Kant
u

9
Geheimen
Commerci
en Rath
Jacobi
habe diese Versorgung zu danken. Mein

10
Väterliches wird mir kaum die
Interessen
von 250. fl. einbringen und ich

11
werde durchaus genöthigt seyn mit meinem Bruder gemeinschaftl. Wirthschaft

12
zu führen seinet und meinetwegen, wenn ich bestehen will. Doch gnug hievon.

13
Ich zweifele sehr, daß Sie mit der
Götting
schen
Recension
im 38sten Stück

14
dieses Jahres zufrieden seyn werden. Ob noch eine vorhergegangen weiß nicht.

15
Was Ihre
καλοκαγαθια
anbetrifft, so habe nach der Hand 2 entscheidende

16
Stellen im
Aristoteles
gefunden, die ich jetzt nicht anweisen kann, weil es

17
Nacht ist, aber die mir Anlaß gegeben haben Ihre Fragmente über diesen

18
Punct nachzulesen und ich befürchte, daß Sie bald selbige strenger als das

19
Publicum beurtheilen werden.

20
Ich beschwöre Sie nochmals bey aller der Freundschaft die Sie mir schuldig

21
sind, daß Sie mir meine anvertrauten Bücher aufs heiligste in Acht nehmen

22
u was sie nur können mir wieder durch HE Hartknoch zu übermachen suchen,

23
besonders Engl. u. Griech; weil ich beyde noch zu brauchen denke.

24
Des Moses Mendelssohns Vorrede zum Phädon habe eben durchgelesen

25
und denke immer daß selbige schöner geschrieben als gedacht ist.

26
An meinen alten Freund HE
Secr. Berens
denke auch eine Beyl. Ihnen

27
anzuvertrauen, und einige Bücher durch ihn zu erhalten. Ich hoffe daß Sie

28
so gut seyn werden Sie mit den Ihrigen zu besorgen. Sie werden aus Curl.

29
einen
Catalog
erhalten, deßen Austheilung Sie so gut seyn werden auch zu

30
übernehmen. Sollten sich
Commissiones
finden; so bitte mir selbige nebst

31
angesetzten Preisen anzuvertrauen. Der Verkauf möchte vielleicht 8 oder 14 Tage

32
später als das angesetzte
Datum
vor sich gehen.

33
An das
Publicum,
liebster Freund, ist nicht eher zu denken biß ich mit mir

34
selbst u dem Meinigen fertig bin, weil sich doch die
Χ
stl.
Liebe nach dem alten

35
Sprichwort von sich selbst anfängt; unterdeßen hoffe ich doch noch immer den

36
Moses Mendelssohn u – – – ihre
Extreme
mit meinem T. einzuholen. Denn

37
Sokrates der mit Plato unzufrieden war u den jungen Mann schalt, würde

S. 396
das jüdische
Eloge academique
vielleicht eben so wenig billigen als Sie die

2
Recensionen
der Kanterschen gelehrten Zeitung
sign
irt
Ad.

3
Vergeben Sie mir, liebster Freund. Ihr Herr Verleger hat mir die Last von

4
einer
Bouteille
Bischoff gantz allein überlaßen und sie hat mich übermannt,

5
daß ich die Buchstaben die ich ziehe, selbst nicht lesen kann. Ich bin mit dem

6
besten Herzen und dem schlechtesten Kopff unter dem Mond, wenn es Tag war,

7
würd ich im Gleise der Sprache bleiben Ihr alter aufrichtiger Diener u Freund

8
Hamann.


9
Seyn Sie so gütig Einlage zu bestellen, in der ich um einige französische

10
Bücher bitte um der Sprache wieder mächtig zu werden, der ich gantz

11
entwöhnt bin; und mich besonders zu meinem Fach zuzustutzen. Denken Sie doch

12
bey der Gelegenheit an den mir fehlenden Theil des
Richardson
schen
Traité

13
de la peinture et Sculpture.
Winkelmanns Schriften möchte auch gern

14
alsdenn wieder zurück haben um selbige binden zu laßen weil ich die übrigen

15
Schriften hier noch dazu gekauft. Leben Sie wohl.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 55–56.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 372 f.

Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 255.

ZH II 394–396, Nr. 343.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
394/30
ein
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
ein
395/7
gemacht;
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gemacht,
395/34
Χ
stl.
]
Druckkorruptel. ZH:
× stl.