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394/24
Kgsberg den
10
Jun.
767.
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Liebster Freund,
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Eben verläßt mich unser ehrl. Hartknoch und so spät es ist, schreibe ich
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gleichwol noch an Sie. Die Nachricht von Ihrem Ruff in den Weinberg hat
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mich sehr erfreut und ich wünsche Ihnen Glück dazu. Ihr Herr Verleger hat
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mir den dritten Theil Ihrer Fragmente versprochen und Sie werden so gut
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seyn ihn daran zu erinnern, daß er sein Wort erfüllt,
ein
Exemplar auf
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Schreibpapier, und nicht vergißt das Kupfer des
Sterne
einzulegen; weil dies zu
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meinem kleinen
ameublement
unumgängl. nöthig ist. Sie können leicht
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erachten, wie ich hier lebe und die Verlegenheiten die aus der Lage meiner
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Umstände, welche Sie genau genug kennen, natürl. Weise haben erfolgen müßen.
S. 395
Der Niederträchtigkeit u Habsucht meiner Verwandten ausgesetzt
such
ich
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nichts als einen nothdürftigen Unterhalt und einen Raum mich ihrer Nähe
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zu entziehen. Ich habe daher eben so sehr aus Verzweifelung als Wahl und
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Geschmack mich bey der gegenwärtigen
Accise Regie
oder
Direction
mich
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zu
engagi
ren gesucht, und den 25.
May
mich daselbst auf die Probe gegeben
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für einen Monath. Der gegenwärtige
Directeur Mr. Magnier
ist ein
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liebenswürdiger Mann für mich. Ich hatte mir Staat auf 25 thlr. den Monath
gemacht;
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werde aber Gott danken müßen, wenn ich 15 bekomme. HE.
M. Kant
u
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Geheimen
Commerci
en Rath
Jacobi
habe diese Versorgung zu danken. Mein
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Väterliches wird mir kaum die
Interessen
von 250. fl. einbringen und ich
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werde durchaus genöthigt seyn mit meinem Bruder gemeinschaftl. Wirthschaft
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zu führen seinet und meinetwegen, wenn ich bestehen will. Doch gnug hievon.
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Ich zweifele sehr, daß Sie mit der
Götting
schen
Recension
im 38sten Stück
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dieses Jahres zufrieden seyn werden. Ob noch eine vorhergegangen weiß nicht.
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Was Ihre
καλοκαγαθια
anbetrifft, so habe nach der Hand 2 entscheidende
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Stellen im
Aristoteles
gefunden, die ich jetzt nicht anweisen kann, weil es
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Nacht ist, aber die mir Anlaß gegeben haben Ihre Fragmente über diesen
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Punct nachzulesen und ich befürchte, daß Sie bald selbige strenger als das
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Publicum beurtheilen werden.
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Ich beschwöre Sie nochmals bey aller der Freundschaft die Sie mir schuldig
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sind, daß Sie mir meine anvertrauten Bücher aufs heiligste in Acht nehmen
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u was sie nur können mir wieder durch HE Hartknoch zu übermachen suchen,
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besonders Engl. u. Griech; weil ich beyde noch zu brauchen denke.
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Des Moses Mendelssohns Vorrede zum Phädon habe eben durchgelesen
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und denke immer daß selbige schöner geschrieben als gedacht ist.
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An meinen alten Freund HE
Secr. Berens
denke auch eine Beyl. Ihnen
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anzuvertrauen, und einige Bücher durch ihn zu erhalten. Ich hoffe daß Sie
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so gut seyn werden Sie mit den Ihrigen zu besorgen. Sie werden aus Curl.
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einen
Catalog
erhalten, deßen Austheilung Sie so gut seyn werden auch zu
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übernehmen. Sollten sich
Commissiones
finden; so bitte mir selbige nebst
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angesetzten Preisen anzuvertrauen. Der Verkauf möchte vielleicht 8 oder 14 Tage
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später als das angesetzte
Datum
vor sich gehen.
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An das
Publicum,
liebster Freund, ist nicht eher zu denken biß ich mit mir
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selbst u dem Meinigen fertig bin, weil sich doch die
Χ
stl.
Liebe nach dem alten
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Sprichwort von sich selbst anfängt; unterdeßen hoffe ich doch noch immer den
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Moses Mendelssohn u – – – ihre
Extreme
mit meinem T. einzuholen. Denn
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Sokrates der mit Plato unzufrieden war u den jungen Mann schalt, würde
S. 396
das jüdische
Eloge academique
vielleicht eben so wenig billigen als Sie die
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Recensionen
der Kanterschen gelehrten Zeitung
sign
irt
Ad.
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Vergeben Sie mir, liebster Freund. Ihr Herr Verleger hat mir die Last von
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einer
Bouteille
Bischoff gantz allein überlaßen und sie hat mich übermannt,
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daß ich die Buchstaben die ich ziehe, selbst nicht lesen kann. Ich bin mit dem
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besten Herzen und dem schlechtesten Kopff unter dem Mond, wenn es Tag war,
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würd ich im Gleise der Sprache bleiben Ihr alter aufrichtiger Diener u Freund
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Hamann.
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Seyn Sie so gütig Einlage zu bestellen, in der ich um einige französische
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Bücher bitte um der Sprache wieder mächtig zu werden, der ich gantz
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entwöhnt bin; und mich besonders zu meinem Fach zuzustutzen. Denken Sie doch
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bey der Gelegenheit an den mir fehlenden Theil des
Richardson
schen
Traité
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de la peinture et Sculpture.
Winkelmanns Schriften möchte auch gern
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alsdenn wieder zurück haben um selbige binden zu laßen weil ich die übrigen
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Schriften hier noch dazu gekauft. Leben Sie wohl.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 55–56.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 372 f.
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 255.
ZH II 394–396, Nr. 343.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
394/30 |
ein ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: ein |
395/7 |
gemacht; ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: gemacht, |
395/34 |
Χ stl. ]
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Druckkorruptel. ZH: × stl. |