340
390/15
Kgsberg den
28 März 67.

16
Herzlich geliebtester Freund,

17
hier an
Hamann kam aus
Mitau
, wo er bei
Christoph Anton Tottien
gelebt hatte, nach Königsberg, um das Erbe seines im September 1766 gestorbenen Vaters zu klären.
Den 25
Jan.
kam ich hier an und fand in unserm Hause eine Leiche die im

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Begriff war zu verscheiden, neml. den seel. Zuckerbecker
Nuppenau,
den der

19
Auction
wohl der Verkauf von Hausrat aus der Wohnung von Hamanns Vater, anscheinend vor seiner Ankunft in Königsberg
Schlag am letzten Tage unserer
Auction
gerührt hatte; auf meiner

20
Sechswöchnerinn
Nichte und Ehefrau von
Johann Peter Nuppenau
, den Hamanns Vater in seinem Testament mit der Badstube und einem großen Teil des Hausrats bedacht hatte
Bücherstube aber eine junge frühzeitige Sechswöchnerinn mit ihrem Sohn – Hierauf

21
die Häfen des Winters ein 14 Tag auf dem Lande
genoßen
– Meine übrige

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Zeit vergeht unter Warten und damit daß ich einer Theilung zusehe, von der

23
mir blutwenig übrig bleiben wird. Bey solchen Umständen kann man sich

24
der heidnischen u jüdischen Gedanken nicht entschlagen: woher nehmen wir

25
Brodt …
Mt 15,33
und
Mt 6,31f.
Brodt in dieser Wüste? und womit werden wir uns kleiden? Unter diesen

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Dünsten benebelt läßt sich wenig edles, freyes, witziges denken. Wenn ich

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also heute an Sie schreibe, so geschieht es blos, Liebster Freund, um theils nicht

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vergeßen zu werden
Herders letzter Brief war von Anfang Januar 1767,
HKB 337 ( II 387/11 )
.
gantz von Ihnen vergeßen zu werden, theils Sie an einige Kleinigkeiten zu

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erinnern, woran mir gelegen ist 1.) Erstlich sorgen Sie dafür, daß Ihr HE

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Verleger, unser Freund Hartknoch, das dem jüngsten HE
Lindner
gethane

31
Versprechen erfüllt in Ansehung des
Spence,
und
Muratori;
davon der erste auf

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Ihr Verlangen Ihnen überschickt werden muste unter der Bedingung, daß die

33
Remise
Übergabe
Remise
davon aufs beste u sicherste besorgt werden sollte. Ich verlaße mich also

34
gewiß darauf, daß diese beyde Bücher gut nach Braunschweig u ohne Kosten

35
oder Schaden des Eigenthümers, der uns gedient hat, wird
spedi
rt werden.

S. 391
Verzeichnis
Auch darum bat Hamann bereits mehrfach, vgl.
HKB 339 ( II 390/4 )
.
2.) Bitte ich mir ein schriftl. Verzeichnis aus von den Büchern, die mir

2
gehören u die ich Ihnen zu Ihren Arbeiten
communici
rt habe. Besonders

3
beding ich mir wegen der engl. aus daß Sie selbige nicht verliehren, und was

4
HE. Pastor Patz
Christian Gottlieb Patz
Sie nicht mehr nöthig haben sollten, bey guter Gelegenheit an HE.
Pastor

5
Patz remitti
ren. Ich habe bereits vor meiner Abreise aus Curl. um eine

6
genaue
Specification
gebeten, bitte daher nicht gar zu saumseelig zu seyn

7
und erwarte eine pünctl. Erfüllung meiner Willens
Bitte
von Ihrer

8
Freundschaft, weil ich alle meine Sachen in Ordnung bringen u. einen beträchtl.

9
Ausschuß meiner Bücher verkaufen will.

10
HE George Berens
Georg Berens
3.) Besorgen Sie doch bey HE George Berens einen wichtigen
Defect
in

11
meiner Bibliothek entweder selbst oder durch Ihren lieben HE Verleger; neml. von

12
Richardson’s Traité de la peinture
von
Tom. III.
premiere partie
.
Er ist in

13
groß 8. in türkisch Papier
eingebunden
geheftet, und ich habe schon neul.

14
deswegen mit ihm gesprochen, weiß aber nicht, warum ich es nicht auf der Stelle

15
mitgenommen. Es liegt da unter den Büchern u ist gleich kenntlich an seiner Größe

16
u türkischem Bande. Ich verspreche mir gantz gewiß, daß HE Hartknoch so gut

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seyn und mir selbiges hieher mit bringen wird, weil die übrigen Theile hier sind.

18
dieser Meße
Messkatalog für Ostern 1767
, S. 803 listet
Herder,
Fragmente über die neuere Deutsche Literatur
, 3. Sammlung unter den erschienenen Büchern.
Werden wir eins oder 2 Stück von Ihren Fragmenten sehen mit dieser

19
Meße? HE Steidel, dem ich unmögl. antworten können, meldete mir, daß

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Sie krank gewesen. – Wenn Sie durch HE Hartkn. wenigstens ein paar

21
Zeilen an mich schreiben sollten, so geben Sie mir doch einige Nachricht von

22
HE
Secr. B.
– auch so viel ich wißen darf von Ihren Verbindungen mit

23
Nicolai
Herder berichtete in seinem letzten Brief an Hamann (
HKB 337 ( II 387/17 )
), von
Friedrich Nicolai
einen Brief mit Schmeicheleien erhalten zu haben (vgl.
Hoffmann: Herder’s Briefwechsel mit Nicolai
, S. 1f.). – Herder bot Nicolai am 19. Februar 1767 eine Rezension zum Druck in der
Allgemeinen deutschen Bibliothek
an (vgl.
HBGA
, Bd. 1, S. 70–72).
Nicolai.
Laßen Sie Ihre alte Liebe und Freundschaft gegen mich nicht gantz

24
erkalten. Wenn ich gegenwärtige Verwirrung werde ins reine gebracht

25
haben
und überstanden haben auch meine Möglichkeit absehen kann hier

26
noch eine Zeitlang zu
subsisti
ren; so erwarten Sie von mir beßere Briefe.

27
caute et sobrie
vorsichtig und nüchtern
Spiegeln Sie sich an mir u arbeiten Sie
caute et sobrie.
Ich umarme Sie

28
und bin Ihr abgelebter Freund u Diener
Hamann.


29
Adresse:

30
à Monsieur / Monsieur Herder / Candidat du S. Ministere, Colle- /

31
gue vicaire du College Cathe- / dral de et /
à /
Riga
. p. fav.

Veränderte Einsortierung

Die Einsortierung wurde gegenüber ZH verändert, sie erfolgt chronologisch zwischen Brief Nr. 341 und 342.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 54.

Bisherige Drucke

Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 246.

Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, I 438 f.

ZH II 390 f., Nr. 340.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
390/21
genoßen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
genoßen.
391/31
à /
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
à