336
386/12
Mitau
den
22
Xber
66.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Ueberbringer dieses giebt mir seinen Pult, um Ihnen ein Paar Worte
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darauf zu schreiben. Erwarte mit ihm das mir zugedachte Exemplar Ihrer
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Wirth
Christoph Anton Tottien
Fragmente, und wünschte wenn Sie zugleich eins für meinen Wirth beylegen
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Ich zweifele nicht …
Herder hat in seinen
Fragmenten
, 1. Sammlung, S. 248–250 auch über die
Sokratischen Denkwürdigkeiten
geschrieben; vgl. zu Herders Enttäuschung über Hamanns Vermeidung einer Reaktion darauf
HKB 337 ( II 387/16 ).
könnten. Ich zweifele nicht, daß Sie mir im Grund des Herzens recht geben
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wenn ich mich jetzt weder zu denken noch zu urtheilen noch zu schreiben
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unterstehe. Vielleicht wird Ihr Period mit meiner
Crisi
einen gleichen
Termin
haben.
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Eine Kleinigkeit fällt mir ein, worüber ich mir einiges Licht wünsche. Sie und
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Moser
vgl.
Moser,
Treuherziges Schreiben eines Layenbruders
, S. 69: „Ich erkannte Sie an Gang und Miene, ohngeachtet ich weder ein Marcel, noch ein Freymäurer bin.“
Marcellus …
Herder behandelte in den
Fragmenten
, 2. Sammlung, S. 322f. die Darstellung des Sokrates in
Wegelin,
Die letzten Gespräche Socrates und seiner Freunde
(von der er annahm, sie wäre von
Christoph Martin Wieland
verfasst; im Hintergrund steht dabei die spöttische Rezension desselben Buchs von
Moses Mendelssohn
in den
Literaturbriefen
, VII, 115. Brief, 3.7.1760): Herder führt aus, man müsse „beinahe ausspeien, wenn Wieland auftritt und sagt: ‚Seht! den Kopf des Sokrates!‘ Hier kann man wie Marcell dreust antworten: Wie? das ist Sokrates? jener liebenswürdige Widersprecher, jener ehrwürdige Unwissende […] Nein! mein Herr! dieser unausstehliche Disputirer mit vollem Munde, dieser lächerliche Weisheit- und Tugendkrämer […] ist ein Geschöpf neuerer Zeit, ein Weiser aus den Schweizerischen Republiken. – Und doch hat W.[ieland] ja würklich die Griechen gelesen?“ (SWS I, 306f.). – Die Wendung „Wie Marcell dreust…“ bezieht sich auf
Moser,
Treuherziges Schreiben eines Layenbruders
, S. 69; dort schreibt Moser auf Hamann bezogen: „Ich erkannte Sie an Gang und Miene, ohngeachtet ich weder ein Marcel, noch ein Freymäurer bin.“ Herder bezieht „Marcel“ in den Fragmenten und in seiner Antwort an Hamann (
HKB 337 ( II 388/9 )) auf den „dreusten, kühnen Marcell“,
Marcus Claudius Marcellus
. – Gemeint ist bei Moser aber wohl Monsieur Marcel, Tanzmeister in Paris, wie in
Deutsche Bibliothek der schönen Wissenschaften
, I, 4. St., S. 177f. (wohl von
Friedrich Justus Riedel
) spöttisch berichtigt wird: „Monsieur Marcel, Tanzmeister zu Paris – Als Tanzmeister ist Marcel Hrn. Moser, mir und vielen andern Leuten bekannt. Wer es aber nicht weiß, der kann ihn – nicht aus dem Plutarch, – aber aus andern Büchern kennen lernen. Helvetius hat in seinem Buche de l’Esprit […]“. Hamann bemerkt diese Berichtigung auch in seiner Rezension des Bandes der Deutschen Bibliothek in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 97. St. vom 2.12.1768 (N IV,321/44). – Vgl. auch SWS, I, S. 542.
Moser denken an einen
Marcellus
,
den ich gar nicht kenne. Erklären Sie mir
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doch diesen Namen, wo er zu Hause gehört. Alles ist noch beym Alten mit mir.
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Hofraths
Christoph Anton Tottien
Nothfahrt nach Preußen
nach Königsberg, wohl um das Erbe seines im September verstorbenen Vaters zu klären
Ich erwarte des HE Hofraths Ankunft um eine Nothfahrt nach Preußen zu
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letzen
erfreuen (schon damals etwas veraltet)
thun, werde
aber mich
noch vorher mit Ihnen in Riga letzen. Sie und unser
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Hartknoch werden die Last unter sich theilen, wenn ich an statt Tage Wochen
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lang bleiben sollte. Unser Freund Patz, mit dem es auch schon auf das äußerste
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kommen war, und der aus Verzweifelung Gott weiß nicht was werden wollte,
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ist jetzt nicht nur geborgen sondern auch im Begriff sehr glücklich zu werden,
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und beynahe glücklicher als es seine
Constitutio
n aushalten kann. Ein
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erwünschtes
Pastorat
und die reichste Erbin in
Mitau,
ein stilles, sittsam
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erzogenes und musicalisches Mädchen, die einzige Tochter sehr gutgesinnter Eltern,
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die in ihren künftigen Schwiegersohn eben so verliebt sind, als er in sie.
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neul. Antrages
Hamanns Angebot an Herder, Hofmeister bei
Christoph Levin v. Manteuffel
zu werden; vgl.
HKB 334 ( II 383/15 ) und Herders Absage
HKB 335 ( II 385/30 ) Ich habe vor Ihrer Antwort und Erklärung die Thorheit meines neul.
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Antrages an Sie erkannt. – – –
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HE
Prof. L.
hat mir neulich geschrieben, daß Ihre Samml. in Berlin viel
S. 387
Aufsehen machte. Ich wuste damals noch nicht, daß selbige die Preße bereits
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Ostern
Der
Messkatalog für Ostern 1767
, S. 803 listet
Herder,
Fragmente über die neuere Deutsche Literatur
, 3. Sammlung unter den erschienenen Büchern.
verlaßen hätte. Werden die übrige Theile auf Ostern oder später erscheinen?
3
Alles übrige mündlich. Vergnügte Feyertage und Glück zum Neujahr. Ich
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bin Ihr
Hamann.
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Schicken Sie doch wenigstens den Pygmalion zurück. Meine Bücher sind
6
HE Berens
Johann Christoph Berens
schon eingepackt. Wird HE
Berens
bald aus Petersburg erwartet?
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Adresse mit Mundlackrest:
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à Monsieur / Monsieur Herder / Candidat du St. Ministere / et Collegue
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vicaire du College / Cathedral / à /
Riga
.
par ami
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 49–50.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 368.
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 214 f.
ZH II 386 f., Nr. 336.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
386/24 |
aber mich ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: mich aber |