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        383/5
Mitau
 den 
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/
10
Novbr
 66.
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Liebster Herder, 
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Ich habe eben so öfters Ihre freundschaftl. Zuschrift in Gedanken 
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beantwortet als Sie an mich in Gedanken geschrieben. Da ein gewißer 
Impulsus
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zu meiner Thätigkeit gehört: so erhalt ich diesen Augenblick Kraft dazu. Ich 
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Ihren Brief
 nicht überliefert 
nehme an Ihren Klagen Antheil und 
Patz
 ist Zeuge davon, daß ich Ihren 
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Brief mit aller Sympathie, die Freundschaft und Schicksal geben können, 
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gelesen habe. Jetzt findt sich unvermuthet ein Vorfall, wo ich mich Ihrer 
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Pharaos Mundschenk
1 Mo 41,9
 erinnert habe, wie Pharaos Mundschenk seines Mitgefangnen Josephs. Ich 
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werde unverdienter Weise in eins der besten Häuser von Curland für einen 
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Hofmeister – zu dieser Stelle aufgefordert. Wenn es möglich ist, so entschließen 
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von Szoege von Blanckenfeld
 vmtl. 
Christoph Levin v. Manteuffel
 (Blankenfelde, heute Blankenfeldes muiža, Vilce, ist der Name seines Gutes in Kurland) 
Sie sich aus Liebe für mich und Sich selbst. Herr von 
Szoege
 von 
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Blanckenfeld,
 wo 
Lindner
 gestanden bey seinem Bruder, deßen Hofmeister er gewesen, 
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ist der Mann, der alles mögl. thun will meinen Einfall Ihnen angenehm zu 
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gegenwärtigen Posten
 Herder war Hilfsprediger am Dom in Riga; seine Klagen über seine Lage äußerte er entweder in einen nicht überlieferten Brief oder mündlich (vgl. dazu 
HKB 335 ( II 385/37 )). 
machen. Da Ihre Gesundheit und Gemüthsruhe bey Ihrem gegenwärtigen 
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Posten leiden, und ich eine Aenderung als das einzige Hülfsmittel für Sie für 
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nöthig halte: so melden Sie mir, ob es Ihnen möglich seyn wird dort 
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loszukommen. Der junge Herr ist von 13 Jahren und hat einen jüngern Bruder, 
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der den Anfang unter Ihrer Aufsicht machen soll. Eine Verbindung wo Sie 
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Ihre Absichten zu reisen erfüllen können ist also hier abzusehen; und soviel ich 
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von der 
Physiognomie
 und der Genealogie des Hauses verstehe, haben Sie 
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keinen undankbaren Grund und Boden. Herr von 
Szoege
 ist ein Mann der 
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seinem Hofmeister beßer als seinem Sohn und Bruder begegnet, und beyde 
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der erstern Verhältnis aufzuopfern im Stande ist. Sollte es Zeit kosten zur 
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Ausführung Ihres Entschlußes; so wird es wohl der Mühe lohnen auf Sie 
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zu warten – wenn Ihr Wille nur genehmicht. Das Landleben, die Muße 
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deßelben, und andere Vortheile, deren Sie bey Ihrer gegenwärtigen 
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Verfaßung entbehren müßen, werden allen Ihren gegenwärtigen Bedürfnißen 
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abhelfen. Gesundheit und Muse wird dabey gewinnen. Kurz ich würde diesen 
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Antrag gar nicht wagen, wenn ich nicht hoffen könnte, damit bey Ihnen so gut 
S. 384
zu bestehen als in Ansehung des Hauses, wo man mir eine Stelle einräumen 
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und aufdringen wollen. Es kommt blos auf die Entschließung an, ob Sie eine 
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vorteilhafte Veränderung Ihrer gegenwärtigen Umstände unternehmen 
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können
 und 
wollen
. So bald ich – und dies in aller mögl. Eilfertigkeit – Ihre 
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Antwort und männl. Erklärung darauf erhalte: so überlaßen Sie mir das 
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übrige, und wenn Sie in Ansehung des Gehalts ppp. Bedingung 
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vorzuschlagen haben: so melden Sie mir Ihre völlige Neigung darüber – als ein 
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Freund ins Gesicht des andern Freundes. 
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Ja Ja …
Mt 5,37
 Hans zu Grethe …
 Hans und Margarete waren die Vornamen von Luthers Eltern; in seinem 
Traubüchlein für die einfältigen Pfarrherrn
 (WA 30 III, 43–80) gibt es einen Vorbild-Dialog für die Hochzeits-Zeremonie: „Fur der Kirchen trauen mit solchen Worten: ,Hans, willt Du Greten zum ehlichen Gemahle haben?‘ Dicat: ,Ja.‘ ,Greta, willt Du Hansen zum ehelichen Gemahle haben?‘ Dicat: ,Ja.‘“ – Von dieser Tradition gewordenen lutherischen Hochzeitszeremonie sind Hans und Grete sprichwörtliche Brautleute geworden, vgl. auch Adelung (Bd. 2, Sp. 545, s.v. 
Gemahl
): „Hans willst du Greten zum ehlichen Gemahl haben? Luther im Traubüchl.“, vgl. auch N III, 289/7 (Metakritik) 
Ruprecht
Johann Christoph Ruprecht
 Hierauf erwarte Ja Ja oder Nein – wie Hans zu Grethe und sie zum 
Hans
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– Herr Pastor 
Ruprecht
 ersucht mich Seiner gleichfalls im Brief zu gedenken 
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und seine Wünsche Sie zum Nachbarn seiner Selbst und seiner Freunde zu 
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haben mitanzuführen. Daß es Ihnen in Curland leichter werden möchte mit 
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Ihren Absichten die Landessprache zu erlernen und ein festeres 
Etablisse
ment 
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zu erhalten, will ich nicht erwähnen. Ich umarme Sie und bitte um eine 
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promte
 Abfertigung. Muß schließen, weil ich HE von 
Szoege
 selbst erwarte, 
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ohngeachtet ich Seinen Besuch verbeten habe. Meine gantze Anfrage gründet 
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sich auf die Freundschaft, mit der ich der Ihrige bin. 
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Hamann.
Provenienz
 Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 45–47. 
Bisherige Drucke
 Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 363 f.
 Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 208–210.
 ZH II 383 f., Nr. 334. 
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
                geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
                vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
                vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
                Quellen verifiziert werden konnten.
            | 384/9 | Hans] |   Geändert nach der Handschrift; ZH:  Hans. | 
