217
123/24
Königsberg den
19
Χ
stm. 1761.

25
Geliebtester Freund,

26
Einen Kalender für unsern alten Schulbruder Lauson auf das künftige

27
Jahr, und abermal einen von 1758. deßelben
Formats.
Bedingt sich dies

28
jetzigen Aspecten
Vll. die Besetzung Ostpreußens durch russische Truppen
WeynachtsGeschenk so lange aus, als die jetzigen
Aspect
en dauren werden.

29
Ein für allemal.



30
Auf! auf! …
Hamann zitiert ein Billet an
Johann Jakob Kanter
Auf! auf! mein lieber Verleger, gehen Sie für mich auf die Spur.

31
Hamb. Nachrichten
im 87. und 88. Stück der
Hamburgischen Nachrichten
vom 10. bzw. 13 November 1761 (S. 691–701) sind Hamanns
Chimärische Einfälle
teilweise abgedruckt. Soviel Raum wird in diesem Jahr kaum einem anderen Text in den
Hamburgischen Nachrichten
eingeräumt.
Abaelardus Virbius
ist glücklich
recensi
rt in den Hamb. Nachrichten – – – Anfang

32
Ihres Briefes
nicht ermittelt
eines
Billets
nach Erhaltung Ihres Briefes.

33
Hab ich Sie recht verstanden, liebster Freund, ich bin recht neugierig dies

S. 124
zu wißen. Noch habe nichts davon gehört. Auf allen
Fall
, wenn
Sie mir bald

2
schreiben
, bitte wo nicht
eine Abschrift
, doch eine
Anzeige des Stückes
aus.

3
Kurl.
Kurland
Einlage bitte nach Kurl. zu befördern. Machen Sie keine Entschuldigung

4
Frau ConsistorialR.
Auguste Angelica Lindner
mehr, wenn Sie mir welche einschließen. Es thut mir leyd, daß ich der Frau

5
ConsistorialR. nicht habe Nachricht geben können, daß ich heute schriebe.

6
Theils Vergeßenheit von meiner Seite, theils das elende Wetter, daß ich

7
Mercur
wohl der Stubenbursche
meinen gewöhnl.
Mercur
nicht schicken kann. Ich gehe gar nicht aus, nicht

8
Sonntags, nicht Montags, nicht Donnerst.

9
Die
Commission
an meinen Bruder werde durch
Lauson
bestellen laßen.

10
Er ist vorgestern als 3.
Collega introduci
rt worden und gestern zum 2.

11
gewählt. Das geht ziemlich hitzig.

12
Ich habe vorgestern meine Andacht in Gesellschaft meines Vaters gehabt

13
und gestern meine hebräische Bibel zum 2 mal glücklich zu Ende gebracht.

14
Mit dem N. J. möchte ich wohl Stückweise selbige vornehmen und mit den

15
Propheten den Anfang machen.

16
Platons
vgl.
Platon,
Opera
gl.
Groschen (in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch)
Stellen Sie sich mein Glück vor. Eine herrl. Ausgabe des Platons für 31 gl.

17
erhalten und die besten von
Proclus
und
Plotinus
theol. Werken. Text und

18
Theophrastus Kräuterbuch
Theophr.
hist. plant.
Uebersetzungen. Auch eine Ausgabe von
Theophrastus
Kräuterbuch mit den

19
stärksten
Commentariis Scalig. cet.
mit Ihrem
Athenaeus
von gl. Gewichte;

20
Cabbala […] Reuchlinus
vll.
Reuchlin,
De arte cabalistica
noch einen großen
Foliant
en von der
Cabbala,
wo
Reuchlinus cet.
darinn

21
Thrl.
Taler, meist ist der 24 Silbergroschen entsprechende Reichstaler
stehen. Das ist eine reiche Erndte, zu der ich 10 Thrl. aufgenommen und im

22
fl.
Gulden, Goldmünze, hier aber 1 polnischer Gulden, eine Silbermünze, entsprach 30 Groschen
gl.
Groschen (in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch)
Nothfall auf mehr Geld gefaßt war, unterdeßen ich mit 6 fl. v einigen gl. für

23
alles
davon kam, die mein Vater mit Freuden bezahlte. Nun ich wünsche

24
Ihnen auch ein einträgl. Fest an allem Nothwendigen und Ueberflüßigen.

25
Meine Bibliothek wächst, ich weiß selbst nicht wie – Noch ein arabisch

26
Lexicon
und ein
Alcoran
fehlen mir zwar, ich brauche sie aber noch nicht,

27
weil ich sie habe.

28
Mit dem
I.
Buch der politischen Werke des Platons habe eine Pause

29
gemacht, und werde erst künftig aber ganz gemächlich fortfahren, weil man sich

30
auch den Magen am Honig verderben kann, und man seinem Appetit Genüge

31
thun aber auch halten machen muß.

32
Näschereyen
Trescho,
Näschereyen
HE
Trescho
hat mir vorige Woche geschrieben und
Näschereyen in die

33
Visit
enzimmer am Neujahrstage
zu besorgen geschickt, die gedruckt

34
Sendschreiben
Trescho,
Keith an den Weltweisen von Sanssouci
, erschien dann 1762. Auf Friedrichs „Epistel an Keith [James Keith, 1696–1758]“ (in:
Poësies Diverses
, 1760, S. 215), worin mittels lukrezischer Motive die Unsterblichkeit der Seele verneint wird, spielt auch Hamann in den
Wolken
an (N II S. 106/16f., ED S. 63). Mendelssohn verteidigte im 98. und 99. der
Briefe die neueste Litteratur betreffend
die poetische Nachahmung antiker, epikureischer Topoi. Auf diese Verteidigung wiederum bezieht sich Trescho polemisch.
HKB 241 ( II 187/33 )
worden aber kleiner gerathen, weil das letzte Stück wegfällt; ein Sendschreiben

35
des Keith an den Philos. von
S. S.
Er hat theils nicht Herz genung dazu,

36
theils Lust es mit mehr Witz auszuarbeiten. Man muß sehen – Ich habe ihm

37
gestern geantwortet und seinem Verlangen Genug gethan.

S. 125
Sterbebibel
Trescho,
Sterbebibel
Von sr. Sterbebibel habe auch die zweyte Durchsicht übernehmen müßen,

2
die vielleicht den Götz ausstechen möchte und den Verlag reichlich bezahlen.

3
Warm Brodt
schaft Beckern und
Ärtzten
Kunden.

4
neuen Journal
nicht ermittelt
Seine ersten Gedichte sind sehr weitläuftig in einem neuen
Journal

5
recensi
rt, das zu Berl. geschrieben v. zu Jena auskommt; den Titel weiß nicht

6
mehr. Es ist eins der neusten. Die Recensenten wollen was sagen und sagen

7
nichts, mit den besten Regeln von der Welt aber sagen sie nichts. In eben

8
diesem
Journal
ward eine kleine Sammlung poetischer v prosaischer Gestalt

9
als einem
Genie
zuerkannt. Die Probe, die sie anführten, bewieß das

10
Gegentheil. Ich ließ mich verleiten, weil ich es eben wo fand, ein wenig

11
durchzublättern. Das Mittelmäßige ist keinem
genie
eigen. Was meine Mühe

12
gewißermaßen belohnte war nichts mehr als eine einzige
Note
, eine
anecdote

13
L.
vll.
Lauson
scandaleuse
von L. Gedichten. Die Verfaßer müßen Landesleute seyn, an

14
Porsch dachte, den Comödianten, doch von sr. Schreibart fand keine Spur mehr.

15
Ich habe ein Haufen neue Sachen durchlaufen, wenigstens eher zu viel als

16
zu wenig, weiß aber fast nichts mehr davon. Bar ist mir ganz unkenntl. Den

17
ersten Theil sr.
valsoles
habe nur gelesen.
nomen et omen
ist auch hier. Die

18
Abhandl.
„Sur l’ironie“, in:
Bar,
Babioles littéraires et critiques
, Tl. 1, S. 61–72.
kleine Abhandl. von der
Ironie
ist noch die beste. Sein Styl in
prosa
komt

19
mir ungeschickter vor; vielleicht liegt es an meinem Ohr. Die Lebensbeschreibung

20
Lebensbeschreibung
nicht ermittelt
epitres diverses
Bar,
Epitres diverses
des
Loyola
die er schon in sn
epitres diverses
lobt ist jetzt auch verdeutscht

21
granum salis
dt. mit einem Körnchen Salz, im Sinne von nicht ganz ernst zu nehmen
und das angenehmste Buch für mich gewesen. Es gehört aber mehr
granum

22
H. Engelbrecht
Hans Engelbrecht
salis
dazu als zum H. Engelbrecht.

23
Marmontels Erzählungen
Marmontel,
Contes moraux
, Tl. 1, S. 213–244 (1763)
In Marmontels Erzählungen hat mir der Abt von
Chateauneuf
am

24
Des Bücherschreibens …
Pred 12,12
meisten gefallen – und so weiter. Des Bücherschreibens ist kein Ende.

25
Pastor Ruprecht
Johann Christoph Ruprecht
BrodtHE.
Christopher Wilhelm Baron v. Witten
war im November 1761 gestorben.
Pastor Ruprecht hat mir den Todesfall meines gewesnen BrodtHE. am

26
Laß die Todten …
Mt 8,22
ersten angemeldet. Ich denk noch an ihn – Laß die Todten ihre Todten

27
begraben. Er ist Seinem Herrn gefallen, der wolle Ihm gnädig seyn.

28
Der erstere hat se.
defect
Bogen noch nicht erhalten auch nicht den Versuch

29
einer neuen Erklärung über einen Spruch des Jesaias. Wißen Sie nichts

30
davon? haben Sie sein Pack nicht eröfnet?

31
Mit meinen Arbeiten geht es Gottlob! langsam aber gut. Der Kern soll

32
eine
Rhapsodie
in
kabbalistischer Prosa
seyn von ungefehr 3 Bogen. Weil

33
cramben bis coctam
aufgewärmter Kohl (Iuv. 7,154)
es aber durchaus ein Bändchen seyn soll: so werde auch
crambem
bis coctam

34
zum Umschlage brauchen und Sie nachahmen, aber (nach meiner Art)

35
unverschämter, alles zusammenraffen biß auf GelegenheitsGedichte und ein

36
in effigie
dt. im Bildnis; vgl. in der Vorrede zu den
Kreuzzügen des Philologen
N II S. 117/15, ED S. a7r.
lateinisch
Exercitium.
Erschrecken Sie nicht, wenn Sie den Autor in
effigie

37
sehen werden. Werden wir uns diese Meße einander begegnen?

S. 126
nach Morungen
zu
Sebastian Friedrich Trescho
Ich vertraue Ihnen das; laßen Sie sich nichts davon nach Morungen

2
Freund K –––
vll.
Johann Jakob Kanter
oder an seinen Freund K – – – merken. Allen Zufälligkeiten vorzubeugen mag

3
ich lieber zu viel als zu wenig Vorsicht brauchen.

4
lieben Frau
Marianne Lindner
Gott schenk Ihnen und Ihrer lieben Frau ein fröhlich Neujahr und laß es

5
Ihnen an keinem Guten fehlen. Mein Vater sagt: Amen dazu. Ich umarme

6
Sie und bin nach der herzlichsten Begrüßung Ihr ergebenster Freund.

7
Hamann.



S. 492
Handschriftliche Anmerkung von Johann Gotthelf Lindner zu HKB 217 (II 126/3):

35
Prov.
? aufgew. Kohl

36
Von Lesern und Lehrern der Alten und Neuen

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (76).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 117–119.

ZH II 123–126, Nr. 217.

Zusätze fremder Hand

492/35
–36
Johann Gotthelf Lindner

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
124/1
Fall
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
Fall
125/17
valsoles
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
babioles
492/34
–36
Handschriftliche […] Neuen]
In ZH im Apparat.