396
62/22
Kgsberg den 13
Nov.
773.

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Diesen Augenblick um 7 Uhr des Abends verläst mich Ihr Freund
Merk,

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der im grösten Sturm es sich hat einfallen laßen vom Roßgarten bis nach dem

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alten Graben eine
Wallfahrt
zu thun um den alten Ziegenpropheten in

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Norden zu sehen – Nun Gott gebe ihm eine glückliche Heimkunft nach seiner

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Herberge. Ich verlange sein Reisegefährte nach dem Roßgarten nicht zu seyn;

28
nein lieber nach dem
Pays le Vaud
über
Bückeburg
um die Frau

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Consistorialräthin
Herdern
kennen zu lernen und ihr mit brittischer Freyheit

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Wangen und Stirn zu küßen.

31
Nun Sie arbeiten vermuthlich an Ihrem
Chef d’œuvre,
daß Sie Ihrem

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alten Freund Hamann seit so langer Zeit nicht geschrieben haben. Es sey ein

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Männlein oder Fräulein: so hoff ich sein Path im Geist zu seyn. Ew.

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HochEhrwürden werden die Gießkanne für die kleine Pflantze nicht vergeßen und

S. 63
als ein treuer Arbeiter im Weinberge sich weniger um die allgemeine deutsche

2
Bibliothek bekümmern, von der ich das neueste Kupfer unsers Landsmanns

3
gesehen ohne noch den Innhalt gelesen
zu
haben, der voller Herderschen

4
Solöcismen seyn soll.

5
Ey! liebster Freund! nehmen Sie sich für den alten Henrich Schröder in

6
der Weißgerbergaße wohnhaft zu Pisa in Preußen in Acht, daß er sich nicht

7
in den Sinn kommen läßt außerordentl. Betrachtungen über die Etymologie

8
und Syntaxin seiner deutschen Mutter Sprache zu schreiben. Doch der gute

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einäugichte Cyclope sieht zu Ihrem Glück über die Rechtschreibung nicht

10
weit heraus.

11
Formido male

12
Ne ego hic nomen commutem meum et QVINTVS fiam e Sosia. Amph.

13
Act.
1.
Scen 1.

14
Ich hoffe daß Sie bereits die
Lettre perdue d’un Sauvage du Nord
werden

15
erhalten haben
je suis devenu
müßen Sie auf der ersten Seite am Rande

16
verstehen.

17
Nachdem ich lange gnug den
Offensiv-
Krieg gespielt; werd ich wol andere

18
Waffen und Maasreguln zu meinem
Defensiv-
Plan nehmen müßen.

19
Als ein alter Schachspieler werd ich wie Ihr
Nachbar
mitbedacht
! im

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Nothfall gewärtig seyn; weil ein Zuschauer immer beßer sieht als ein

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Mitmacher.

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Antworten Sie doch unserm alten Schwager, die Postsprache zu reden, der

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Ihnen Ihr Stillschweigen übel nimmt. Sie kennen dies
irritabile genus
der

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HE Verleger unsers Jahrhunderts.

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Gegenwärtig ist er nach Marienwerder in seinen neuen Geschäften

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gegangen. Er dient noch als Buchdrucker Geselle, wird aber ehstens zum Meister

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gemacht werden.

28
An Ihren Freund Bode hab ich vorigen Sonntag einen tollen Brief
à la

29
Shandy
geschrieben voller Kummer, Verdruß und Sorgen – Entschuldigen

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Sie mich bey Gelegenheit bey ihm. Ich habe hier nichts zu seinem Vortheil

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anfangen können; und meine gehabte Verlegenheit ist überstanden.

32
Ich erwarte wenigstens einen langen
Pastoral-
Brief von Ihnen zum Neuen

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Jahr, wenn wir das Beyde erleben sollten.

34
Sagen Sie mir selbst auf Ihr schriftstellerisches und kunstrichterl.

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Gewißen; ob ich dem
M. Coelius Serotinus
seine
impertinente
gedruckte

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Antwort habe schenken können ohne an die
privat
Beleidigungen zu denken in

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seinem Handbrief. Ich habe 3 Plane nicht geschickter vereinigen können.

S. 64
1. in seinem eignen Namen zu antworten
u
sich selbst

2
2. für seine mir gegebene Antwort und

3
3. sein
αποριαγκυροβολ
aei
sches Geschenk (wie er mir neulich im

4
Vertrauen gesagt) ein wenig abzustrafen.

5
Weder mein
Hederich Ernestini
sches
Lexicon
noch mein
Pollux
haben

6
dieses Wort; und ich wäre doch neugierig zu wißen wo er es herhätte. Wenn

7
es claßisch wäre; so würd ich es doch in dem erstern wol gefunden haben.

8
In Bremen wird sein
kindischer
Magister
Αποριαγκυροβολαιος
heißen. Nun

9
ehrl.
Pratje
! bald wird die Reyhe an dich auch kommen zu lachen.

10
Ich habe Ihrem Bode geschrieben, daß bey der
verbeßerten neuen

11
Auflage des
ersten Theils ich wie jener
Link-boy
über
Popens Euphemismum:

12
God
mend
me!
gedacht. Ob Sie und er das Histörchen wißen, steht dahin.

13
Damit Sie aber nicht mehr unleserliches und unverständl. Zeug von meiner

14
erstarrten Faust zu lesen bekommen, will ich Ihnen auf heute eine gute Nacht

15
zur Seite Ihrer liebenswürdigen
(relata refero)
Hälfte aus meiner
Bouteille

16
trinken, die mir so gut als dem Schulmeister in der Weißgerber Gaße sein

17
Pfeiffchen u Kännlein schmecken wird.
Vale!
Mein Freund
Von
Kortum
ist

18
wirklicher Geheimter Rath des Königs von Polen geworden und einer von

19
meinen
Subscribent
en zu meinen
Opusculis omnibus. Vale!

20
Weil Ihnen dieser Brief kein
Porto
kostet, mache ich mir kein Gewißen

21
daraus diese Seite leer zu laßen.
Sapienti sat!


22
Adresse:

23
Pour / Mon Ami Herder /
à Buckeburg
. /
par Fav
.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 97–98.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 44–46.

ZH III 62–64, Nr. 396.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
62/23
Merk,
]
Geändert nach der Handschrift; in ZH Druckkorruptel:
M rk,
62/28
Pays le Vaud
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Pays le Vaud
63/13
1.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
1
63/19
mitbedacht
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
mit
Bedacht
64/1
u
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
u.
64/12
mend
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
mind
64/17
Von
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
von
64/23
Pour […] Fav.]
Hinzugefügt nach der Handschrift.