257
232/20
Königsberg den
1
ten
Februar 64.

21
Herzlich geliebtester Freund,

22
Jetzt hoffe ich bald wieder Othem schöpfen und wieder für meine Freunde

23
Der Herr hat …
Str. 9 des Kirchenlieds von Johann Crüger „Sei Lob und Ehr dem höchsten Gut“
leben zu können. Der Herr hat alles wohl bedacht

24
Und alles alles recht gemacht.

25
Zu neuen Kreutz giebt er auch neue Stärke und zu neuen Bürden

26
Zuschrift
nicht überliefert
sine die et Consule
dt. ohne Briefdatum
breitere Schultern. Montags erhielt Ihre gütige Zuschrift
sine die et

27
Entlaßungs Supplique
HKB 256 ( II 231/32 )
Consule,
eben da ich im Begrif war meine Entlaßungs
Supplique
zu

28
mundi
ren, nach einer halbjährigen Probezeit auf der Cammer Canzley. Bey

29
erhaltnem Bescheide werde ein mehrers mittheilen. Dieser Entschluß ist

30
beschleunigt worden durch eine plötzl. Krankheit meines Vaters, der am

31
Mittwoch Abends als den 25ten
p.
einen Schlagfluß auf der rechten Seite bekam,

32
der durch göttl. Gnade und schleuniges Aderlaßen so erleichtert worden, daß

33
sie
wir zu seiner völligen Genesung Hofnung haben können. Eben jetzt den

S. 233
Anfang gemacht sich die halbe Stube auf und nieder tragen zu laßen, daß er

2
also schon ein klein klein wenig den Fuß brauchen kann. Gott helf weiter!

3
Dieser Zwischenfall hat den Knoten glückl. schneiden helfen, und mich in ein

4
einen guten Sprung ... Die Zeitungen
Lindners Mitarbeit bei
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
ander Joch gespannt, zu deßen Erleichterung Sie schon einen guten Sprung

5
zur rechten Zeit gethan haben. Die Zeitungen nehmen Uebermorgen den

6
Anfang, durch eine Nebensache, welche Sie aus dem ersten Stück errathen

7
werden, die aber zum Fortgange unserer öffentl. und privat Absichten etwas

8
beytragen kann. Wir müßen aus der Hand in den Mund leben, unterdeßen ruffen

9
die jungen Raben
Hiob 38, 41
die jungen Raben nach Speise nicht unerhört.

10
Ich hoffe also vor der Hand dies Zeitungswerk einzurichten und in Gang zu

11
bringen. Wie lang das währen wird, weiß Gott. Uebermäßig Vertrauen und

12
Lust habe wol nicht dazu; unterdeßen wird Zeit mehr lehren.

13
Kants Beobachtungen
Kant,
Beobachtungen über das Gefühl des Schönen und Erhabenen
; Hamanns Rezension in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 26. St. vom 30.4.1764 (N IV,289ff.)
Eben jetzt arbeite an Kants Beobachtungen über das Gefühl, die ich gern

14
ein wenig umständl. und vorzügl.
recensi
rt sehen wollte.

15
2ten Theil von Voltaires Geschichte Rußl.
Voltaire,
Histoire de l’empire de Russie sous Pierre le Grand
Ihnen überlaße den 2ten Theil von
Voltai
res Geschichte Rußl. falls sie

16
selbigen nicht haben, kann er ehestens HE. Hartknoch zugeschickt werden, der

17
ihn weiter besorgen wird. Vom letztern können Sie auch näher den

18
Hypochondristen und Mosers Samml. erhalten. Vergeßen Sie dies nicht, liebster

19
Freund. – – –

20
Marianne
Marianne Lindner
Das Siechbett Ihrer lieben
Marianne
geht mir nahe. Ich kann mir alles

21
übrige leicht vorstellen. Tauschen Sie ja nicht mit einer gesunden Henriette –

22
(Unter uns gesagt) – Wenn uns der Himmel nicht andre Schumacher

23
beschert, so bleibt kein gesunder Fuß im Lande.

24
In Ansehung der Bücher bleibt es bey der Abrede; so bald ich ausgehen

25
kann werde alles abzumachen suchen. Das Geld von HE. Kanter werde haben,

26
und so bald es bekommen, melden. Wegen des
Transports
auch mit sorgen

27
helfen. Falls die Abschrift an HE
Fiscal
noch nicht geschehen, kann sie

28
unterbleiben. Falls sie schon geschehen, kann sie Ihnen oder ihm zu weiterer

29
Communication
an gute Freunde dienen.

30
Da Muße und gemeinschaftliche Arbeiten uns wieder verbinden, so hoffe ich,

31
daß Sie bald in die vorige Ordnung unsers alten Briefwechsels treten und

32
nichts von dem versäumen werden, was zum allgemeinen Besten der

33
gemeinschaftl. Sache gereichen kann.

34
Schulhandlungen
vll. eine Rezension von
Lindner,
Beitrag zu Schulhandlungen
So bald von ihren Schulhandlungen was aufstoßen wird, werde melden.

35
Prof. Murray
Johann Philipp Murray (1726–1776), Prof. der Philosophie in Göttingen
Wochenschrift oder Monatsschrift
nicht ermittelt
Hat HE
Prof. Murray
nichts näher berichtet, wo diese Wochenschrift oder

36
Lindausche Nachrichten
Ausführliche und kritische Nachrichten
; Hamanns Rezension in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 9. St. vom 2.3.1764 (N IV,275ff.)
Monatsschrift erscheinen wird. Die
Lindausche
Nachrichten unterscheiden sich.

37
Schulzeitung
Vll. ist das in Berlin bei Birnstiel ab 1762 erschienene
Wochenblatt zum Besten der Kinder
gemeint.
Daß jetzt eine Schulzeitung herauskommen wird, muß Ihnen schon bekannt

S. 234
seyn. Der Sammler in Erlangen scheint gleichfalls viel hinter sich zu haben;

2
in der Ankündigung herrscht ein eben so
solider
als poßierlicher Ton.

3
An eben dem Mittwoch, da mein Vater sn unglückl. Zufall bekam, hatte

4
die 3 ersten Bände des Zachariä erhalten; heute einen neuen
Praenumeranten

5
bekommen und hoffe noch ein Paar.

6
Hintzens Cousine
vll. die Schwester von
Carl Daniel Reusch
An HE Hintzens
Cousine
habe das Ihrige sogl. übersandt. Ich verlaße mich

7
auf die Erfüllung seiner Zusage.

8
Nach Ihrem
Caviar
wäßert mir der Mund. Gott wird sn reichen Segen über

9
Philosophe de Sans Soucy
Friedrich II. v. Preußen
Ihre zeitl. Umstände auch ferner walten laßen. Bey mir ist der
Philosophe de

10
bienfaisant
wohltätig
Sans Soucy
etwas mehr als ein Titel. Daß
er
Jener ein
bienfaisant
für

11
Aber Gedult ist …; Achtet es …
Hebr 10,36
;
Jak 1,2–4
mich werden kann, verzweifle noch nicht. Aber Gedult ist euch noth, laß ich

12
gestern und heute: Achtet es eitel Freude pp. Diese 2 Hügel sind höher und mehr

13
werth als Roms 7 Berge. Nebst Kant ist Mosers Sammlung v Winkelmann

14
Schreiben an einen jungen Liefländer über Bildung des Geschmacks auf

15
diesen Monat meine schwerste Arbeit. Die übrigen mögen gerathen, wie sie

16
Lausons vom letzten Theil des Artzts
Johann Friedrich Lauson
, wohl eine Rezension von
Unzer,
Der Arzt. Eine medicinische Wochenschrift
Philippi Briefe
Philippi,
Anmuthige und Satyrische Briefe
; eine Rezension erschien in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 2. St. vom 6.2.1764
wollen. Lausons vom letzten Theil des Artzts geht an; Philippi Briefe verdienen

17
ein wenig mehr als seinen Leisten, unterdeßen würde sich auf seinem Gleise

18
fortfahren laßen.
D
Bock, Borowsky versprechen Lieferungen – und wer weiß

19
mehr. Im Musicalischen ist Marpurg hier bey der Lotterie und steht auch zu

20
Diensten. Kypke im Philologischen; und der Zusage eines Ministers nach,

21
coge intrare
dt. nötigen, hereinzukommen
wird ein
coge intrare
vielleicht gar an den
Senat
kommen. Sie können leicht

22
erachten, daß ich mehr damit zu thun haben werde mich in gute
Positur
zu

23
ihr Auffsatz
unklar, ob von
Johann Gotthelf Lindner
oder
Johann Ehregott Friedrich Lindner
. Vll. handelt es sich um den in den
Ausführliche und kritische Nachrichten
(2. St. vom 6.2.1764) erschienenen Artikel über die Petersschule in St. Petersburg (geleitet von
Anton Friedrich Büsching
).
setzen als
selbst
zu arbeiten. Da ihr Aufsatz das 2te Stück ausmachen soll; so

24
hoff ich doch wol, daß ich
verstorbenen Candidaten Gebhardi
recht gelesen

25
habe. Wegen der Hand sorgen Sie daß besonders Namen und Titel leserlich

26
sind, streichen Sie lieber gantz aus und schreiben noch einmal oder hängen Sie

27
hinten durch deutl. Zeichen an.

28
Das Magazin sollte eine Unternehmung des HE Mag. Kant werden, die

29
Gen. Meyer und se. Officier
vll. Karl Friedrich von Meyer (1707–1775), preußischer Generalleutnant und Chef des Dragonerregiments Nr. 6
aber noch ausgesetzt worden – Er hält jetzt ein
Collegium
für den
Gen.

30
Meyer
und se.
Officier,
das ihm viel Ehre und Nutzen bringt, weil er fast

31
Mathesi und Geographia physica
Mathematik und Physische Geographie
tägl. speist und mit einer Kutsche zu sn Vorlesungen geholt wird in
Mathesi

32
und
Geographia physica.
Durch einen Strudel gesellschaftl. Zerstreuungen

33
fortgerißen, hat er eine Menge Arbeiten im Kopf,
Sittlichkeit
, Versuch einer

34
neuen Metaphysik, einen Auszug sr. Geographie Physik, und eine Menge

35
kleiner Ideen, von denen ich auch zu gewinnen hoffe. Ob das wenigste

36
eintreffen wird, muß noch immer zweifeln.

37
Silentium Pythagoricum
d.h. wie Pythagoras zwei Jahre schweigen und zuhören
Auf das
Silentium Pythagoricum
ding ich so viel ich kann, ohngeachtet

S. 235
ich vielleicht tauben Ohren predige. Von ihrer Seite verspreche ich mir ein

2
freundschaftlich Gehör. Mein alter Vater grüßt herzl. und nimt als ein

3
Mitgenoße des Leidens an dem ihrigen aufrichtigen Antheil. Erwiedern Sie

4
Marianne
Marianne Lindner
Ihrer Marianne und erinnern Sie selbige durch Gruß und Kuß an die

5
Zärtlichkeit Ihres alten Freundes. HE Hinz schreibe ehstens selbst, wenn er nicht

6
M. Reusch
Carl Daniel Reusch
schreiben will. Melden Sie daß HE M.
Reusch
mich heute besucht hat, und daß

7
wir uns beyde gewundert haben nicht eine einzige Zeile seit – – Ich habe

8
dreymal darnach gefragt, ehe ichs glauben wollte, daß es wahr sey, nicht eine

9
einzige Zeile… O mein lieber Bruder Hintz, Du bist noch gröber als dein alter

10
Socius
dir vorkommt. Für den Streich will ich ehstens an Dich schreiben – –

11
Diesen Posttag habe versäumen müßen.


12
den 2
Februar.

13
Der HE
Doct.
ist gestern Abend angekommen und heute frühe gleich nach

14
Peterhoff
in Kurland
Peterhoff
gereist. In ein Paar Tagen wird er hier seyn und uns besuchen – –

15
Heute ist mein
erster Posttag.
Leben Sie wohl.

16
13te Stück Ihrer Schulhandl.
nicht ermittelt
Lauson bittet um das 13te Stück Ihrer Schuldhandl. das ihm fehlt, aber

17
lieber ungebunden als gebunden.


18
den 4ten.

19
erste Stück unsrer Zeitung
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 1. St. vom 3.2.1764
Das
erste Stück unsrer Zeitung
ist zieml. verhudelt. Ihre Nachricht,

20
falls es nach meinem Sinn geht, wird in dem nächsten Stück folgen. Ich

21
habe selbige aber wieder meinen Vorsatz verkürzen müßen. Unter 100

22
Verdrüslichkeiten die ich zum voraus sehe erwarte ich keine größere als von dem

23
Artikel von Philippi
Rezension von
Philippi,
Anmuthige und Satyrische Briefe
in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 2. St. vom 6.2.1764
Temperament
meines Verlegers. Ich habe gestern Abend den Artikel von

24
Philippi
anmuthigen Briefen durcharbeiten müßen. Von
Borowsky
habe

25
über die Briefe eines
Chinesers
und
Baumgartens Erklärungen des

26
Briefs an die Hebräer erhalten
.

27
Kanter will nichts haben als Mittel, die Bücher abzusetzen, welche er

28
per Düttchen trödeln
billig verkaufen
überflüßig hat, und Artikel, womit man
per
Düttchen trödeln kann, und die alle

29
alte Weiber auf der Fischbrücke von Rechts wegen lesen müßen. Darauf geht

30
sein TiefSinn, ohne daß er es selbst weis; und diese eigennützige und niedrige

31
Absichten verheelt er sich selbst unter den prächtigen Redensarten vom

32
Geschmack des
Publici
und dergl. mehr. Jetzt verspricht er sich alles von einem

33
Ziegenpropheten
Jan Pawlikowicz Zdomozyrskich Komarnicki, vgl. Hamanns Beitrag in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 3. St. vom 10.2.1764 (N IV,269f.), ebenso Kants fortgesetzten Aufsatz
über die Krankheiten des Kopfes
, ebd. St. 4–8 vom 13.–27.2.1764.
Stücke, das den so genanten
Ziegenpropheten
angehen wird, dem zu gefallen

34
Caravane
hier wohl im Sinne der Kreuzritter
morgen
eine philosophische Caravane angestellt werden soll.

35
unter der Rose
lat. sub rosa, dt.: unter dem Siegel der Verschwiegenheit
Ich vertraue Ihnen diese Angelegenheiten unter der Rose. Ohngeachtet man

36
sich für Dinge, die man abgewartet hat, nicht sehr fürchten sollte: so ist es doch

37
unangenehm dergl. Erwartungen so plötzl. erfüllt zu sehen. Mein alter Vater

S. 236
hat eine elende schlaflose Nacht gehabt, woran eine
Colic
schuld ist. Arm und

2
Bein bekommen schon Gottlob! ein wenig mehr Bewegung und Lebhaftigkeit.

3
Er schlummert jetzt ein wenig – – Grüßen Sie aufs zärtlichste Ihre liebe

4
kranke Frau und HE Hintz. Bald ein Mehreres. Ich ersterbe Ihr treuer Freund

5
und Diener

6
Hamann.


7
Schulhandl.
nicht ermittelt
Caviar
und Schulhandl. sind glückl. angekommen. Bald vergeßen den

8
erstern zu kosten und dafür zu danken. Morgen ist Sonntag um das Fäschen

9
zu erbrechen. Letztere habe den Anfang zu lesen gemacht, bin aber immer

10
unterbrochen worden.



S. 500
Handschriftliche Anmerkungen von Johann Gotthelf Lindner am Rand:

2
Zu HKB 257 (II 232/22):
Extr.
aus uns.
Intelligenz

3
Extract
der
Intelligenz

4
Erlaubnis von Brief

5
Zu HKB 257 (II 236/10):
Hypoch. Recht.

6
Lieblings Ton.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (100).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 211–215.

ZH II 232–236, Nr. 257.

Zusätze fremder Hand

500/2
–4
Johann Gotthelf Lindner
500/5
–6
Johann Gotthelf Lindner

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
234/21
coge intrare
]
Druckbogen 1940:
loge intrare
; vmtl. falsche vermutete Lesung.
234/23
selbst
]
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH:
selbst
500/1
–6
Handschriftliche […] Ton.]
In ZH im Apparat.