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Hamburg, den 16ten
Nov.
1773.

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In sehr langer, langer Zeit habe ich keinen Brief mit mehr Vergnügen

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gelesen, als den Ihrigen, mein sehr hochgeschätzter Freund! (Diese Benennung

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erlaube ich mir, durch unsern gemeinschaftlichen Freund, Herrn Herder.) Ich

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will Ihnen aber nichts weiter darüber sagen, weil es Ihnen vorkommen

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möchte, als hätte mich Ihr Lob völlig schwindlicht gemacht; und das möcht’

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ich doch nicht gerne von mir
sagen
, wenn es auch wirklich
wahr
wäre.

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Ich wußte Ihre Absonderung von der Welt, als ich Ihren Namen unter

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die Beförderer meiner Subscription setzte. Da ich von Herder so viel erfuhr,

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daß S
ie
es nicht übelnehmen würden, wenn S
ie
auf der Liste stünden: so

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that ichs mehr aus Ehrgeitz, als aus Gewinnsucht. Und wenn S
ie
auch keine

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Gelegenheit haben sollten, mir einen einzigen zuzuweisen: so habe ich schon

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mehr, als ich erwartete erreicht, daß es mir Ih
re
schriftliche Bekanntschaft

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verschaft hat.

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Auch den Herrn Profeßor
Kant,
dem ich nicht die Ehre habe bekannt zu

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seyn, habe ich auf das Wort eines Freundes, der ihm darüber schreiben wollte,

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hineingesetzt. Wenn die Kanterische Buchhandlung einige Liebhaber

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gesammlet hat: so wünschte ich, daß sie mir bald Nachricht davon gäbe. Indeßen bin

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ich entschloßen zu drucken, wenn ich auch Etwas dabey wagen sollte. Klopstock

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ist ziemlich weit ins dritte Tausend mit seinen Subscribenten gekommen.

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Wer sollte das gedacht haben! Die Buchhandler werden bitterböse auf ihn

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werden. Ich denke aber, die Lust zum Nachdrucken werde ihnen vergehen.

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Ihre Handschriften, mein sehr hochgeschätzter Freund, sollen mir sehr

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willkommen seyn, wenn sie kommen. Ich bestrebe mich, nicht unter dem

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gewöhnlichen Haufen von Verlegern zum Teufel zu fahren. Ich hoffe, S
ie
verstehen

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mich, sonst muß ich mit meinem Freunde Sancho sagen:
Gott versteht mich
!

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Wie sehr S
ie
Claudiu
s ehrt und liebt, das glauben S
ie
nicht! Wenn S
ie

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dem Wandsbecker Bothen einige leser mehr zuweisen konnen, so werden S
ie

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ihn, als den Hauptverfasser, und mich als den Verleger und Nebengänger

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einen grossen Dienst erweisen. Auch (S
ie
wißen ja, wir Erdensohne haben an

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Wünschen keinen Mangel) würden wir zuweilen einen Beytrag von Ih
nen,

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als ein Höchst angenehmes Frauenzimmer, aus dem Monde bewillkommen!

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Ich habe deswegen nicht ehe geschrieben, weil ich erst erfahren wollte, ob

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Schmidlin
Ihr Packet empfangen, und itzt weiß ich, er hat. Wenn S
ie
den

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Mann und seine
Umstände
ganz kennten: so würden S
ie
sich wundern, wie

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er noch
so viel
leistet. Er hat seit langer Zeit, mit Frau und Kindern ganz

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allein von Schreiben leben müßen; da bleibt denn nicht viel Zeit zum Lesen,

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oder gar zum Studiren übrig.

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Ich brenne itzt vor Begierde
Adelung
s Deutsches Worterbuch zu lesen. Es

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wäre unendlich viel, wenn Ein Mann uns ein im hohen Grade gutes gäbe!

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Ohne Ihre philosophische Muße stöhren zu wollen, S
ie
um Briefe zu

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bitten, werden S
ie
mir es zuweilen erlauben, daß ich Ih
nen
schreibe. Das bitte

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ich auch für
Claudiu
s, der sich Ih
nen
herzlich empfiehlt. Glauben Sie mir,

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daß ich ganz inniglich bin Ihr ganz ergebener

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J J C Bode


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Adresse mit rotem Lacksiegel:

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a Monsieur / Monsieur
Hamman
/ sçavant très célèbre / à /

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Königsberg
/ Franco /


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Vermerk von Hamann:
Erhalten den 4
Xbre
73.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 29.

Bisherige Drucke

ZH III 64 f., Nr. 397.