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Trutenau
15km nördlich von Königsberg
Königsberg
Trutenau. den
12.
Jul:
1759.

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Herzlich Geliebter Bruder,

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Ich bin heute frühe in Gesellschaft Zöpfels und Nuppenau hieher gegangen

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um des Sommers zu genüßen. Frau Belgerin wird heute auch vermuthlich

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segelfertig geworden seyn. Mein Vater hat mir Hofnung gemacht hier

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abzuholen. Gott Lob! leidlich gesund aber von häusl. Verdruß so umringt, daß

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er kaum Luft schöpfen kann. Was machst Du denn? heute wird hoffentlich ein

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Brief von Dir ankommen, auf den Du uns schon lange hast warten laßen.

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Bete und arbeite! Die Menge Deiner Geschäfte und Stunden siehe Dir durch

S. 362
Ordnung und Mäßigkeit zu erleichtern. Ordnung ist die innere Oekonomie,

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Mäßigkeit die äußere. Die erste ist der Kunst gleich dasjenige zu zerlegen, was

3
in der
Schüßel
ist, die letzte ist der Art gleich das zu zerschneiden, was auf

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dem
Teller
für uns liegt; jene muß
regelmäßig
, diese
sittlich
seyn.

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Ehe ich vergeße, mein lieber Bruder, besorge doch den Schlafpeltz für Herrn

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Lauten
Musikalien (Noten etc.),
HKB 145 ( I 333/23 )
Putz; ich habe Dich schon daran erinnert. Geht es mit den Lauten Sachen an;

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so wäre es gut. Ich will die Hälfte der Kosten gern tragen. Die Fracht

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könntest Du auf das genaueste
accordiren
mit dem Fuhrmann und hier bezahlen

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laßen. Suche aber was
gutes
aus, und siehe auf die Breite, weil Du weist

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daß er nicht lang seyn darf. Wenn meine Lautenstücke noch nicht abgegangen,

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möchte wohl
Johnsons Dictionaire
beygelegt haben. Sind sie schon fort, so

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denke nicht einmal daran; falls nicht, so wird es das einzige Buch seyn, das

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ich hier brauchen könnte um das engl. nicht ganz zu vergeßen.

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Ich bin am Anfange dieser Woche in Gesellschaft des Herrn B. und

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Mag. Kant in der Windmühle gewesen, wo wir zusammen ein bäurisch

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Kruge
Gaststätte
Abendbrodt im dortigen Kruge gehalten; seitdem uns nicht wieder gesehen. Unter

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uns – unser Umgang hat noch nicht die vorige Vertraulichkeit, und wir legen

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uns beyde dadurch den grösten Zwang an, daß wir allen Schein deßelben

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vermeiden wollen. Die Entwickelung dieses Spieles sey Gott empfolen, deßen

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Regierung ich mich überlaße und von ihm Weisheit und Gedult dazu bitte

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und hoffe.

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Ich habe schon vorige Woche der Frau
Consistor.
Rath L. versprochen zu

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schreiben, ich weiß nicht, wie es mir unter unsern häusl. Verwirrungen, die

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durch Besuch p veranlaßt worden entfallen; daher sehe mich genöthigt jetzt

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zu schreiben um Einlage zu befördern. Ich bin hier nicht gesammelt noch

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muthig dazu. Müdigkeit vom heutigen Gange, die warme Witterung, das

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faselnde Vergnügen zerstreut mich zu sehr. Wie lang ich hier bleiben möchte,

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weiß noch selbst nicht. Gott wolle mir auch diese Landluft in Seiner Furcht

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genüßen laßen. Hat Herr Magister schon die lyrische, elegische und epische

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Gedichte, die zu Halle diese Meße ausgekommen? Ich hätte sie gern hier gelesen,

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aber der Buchbinder ist nicht fertig geworden sie zu hefften. Melde mir doch,

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ob ihr sie dorten durch Kayser erhalten habt.

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Schreibe uns doch bald, laß Baßa und Lindner dort bey Gelegenheit an

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mich erinnern. Grüße Deinen liebreichen Wirth und Wirthin –

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Ich empfehle Dich Göttlicher Obhut und ersterbe Dein treuer Bruder.

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Joh. George Hamann


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Von Johann Christoph Hamann (Vater):

S. 363
Beilage vom
Vater
Königsb. den 13 Julii 1759

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Hertzvielgeliebter Sohn!

3
Brief
nicht überliefert
Deinen Brief habe gestern mit viel Freude und Vergnügen erhalten ob er gleich

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nicht an mich sondern an Deinen Bruder war, die
attresse
aber an mich. Ich freue

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mich Deines Wohlbefindens, Gott erhalte Dich dabey und gebe Dir was Dein Hertze

6
Trutnau
nördlich von Königsberg, vgl.
HKB 155 ( I 386/23 )
wünscht Dein Bruder ist gestern frühe nach Trutnau gereiset, und zwar zu Fuß u.

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hat HE.
Zöpel
u HE.
Liborius
mit genommen, die aber gestern Abend wieder

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gekommen. Er will den Sommer gernen genissen und gerne Erdberen essen. Gott bringe

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Ihn bald gesund zu rücke. Gestern ist auch die Fr.
Adv.
Belgern von uns mit Lohrgen

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abgereiset. Gott begleite Sie. Heute 14 Tage fanden wir Sie als wir aus

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Catharinenhefen
Ortschaft wenige Kilometer südöstlich von Königsberg, vgl.
HKB 149 ( I 355/1 )
Catharinenhefen
kamen, alda ich den HE.
Kade
zur Ader ließ. Die Fr.
Hartung
en hat am

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Dienstag Hochzeit gehabt und zwar am Ruschischen Feste, mit HE.
Woltersdorff.

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Ich habe heute noch einen Brieff aus Riga erhalten an Deinen Bruder, ich weiß

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aber nicht von wem, ich werde Sie nebst Deiner inlage behalten biß er wieder kompt.

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Gott sey Dir doch genedig und gebe Dir Seinen Seegen in Zeit u ewigkeit.

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Den 14 Julii.
Gleich ietzo bekomme einen Packetgen von dem Herrn
Mag. Lindner

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von 3 Studirenden die von Riga kommen sindt welches auch an den Bruder soll,

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und nun habe 3 Brieffe die auf Ihn warden, Gott Seegne Dich und Sey Dir Gnädig

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in Zeit und ewigkeit und laß es Dir wohl gehen.

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Gedenke auch an mich und Schreibe mir wen Du Zeit hast. ich ersterbe Dein

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treuer Vater

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Joh Christoph Hamann.


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Gemahlin
Marianne Lindner
Grüße alle gute Freunde absonderlich den HE
Mag. Lindner
u. seine Gemahlin

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adieu.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (57).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 408 f.

ZH I 361 f., Nr. 151.

Zusätze fremder Hand

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–24
Johann Christoph Hamann (Vater)