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Kgsberg den 23
Sept.
74.

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Mein lieber Freund und Landsmann Hartknoch!

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Hier haben Sie eine Einlage von einem vergnügten und zufriednen Vater

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in Bückeburg, die ich gestern erhalten. – Ihr Herr Schwager Rappolt, der

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mich heute beym Heimgehen begegnete, da ich meines Lebens satt mehr

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taumelte als gieng, hat mir die Nachricht Ihrer glücklichen Ankunft mitgetheilt.

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Ich wünsche Ihnen und Ihrer empfindseeligen Hälfte den Genuß der Ruhe –

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nach so viel Unruhe, woran es auf der gemächlichsten Reise und in der

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ordentlichsten Haushaltung niemals fehlt, nach meinen kleinen Erfahrungen von

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beyden zu urtheilen.

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Herr Reichard ist während Ihres Hierseyns angekommen, aber sogl. auf

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das Land gegangen seine jüngste Schwester zu besuchen, von da er den Tag

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Ihrer beyderseitigen Abfahrt angekommen. Er hat mich vorige Woche

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besucht, um mir einen Gruß u Wink von
Claudius
aus Wandsbeck einzureichen.

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Seine Absicht ist nach einigen Monathen erst zu seiner Bestimmung nach

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Petersburg abzugehen. Aber, wie ich gestern gehört, liegt er an einem Fieber

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gefährlich krank. Seine Bestimmung geht auf kein Instrument, sondern blos

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auf die
Composition

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Auf unsern alten Freund, Autor und jungen Vater in der Wüste zu

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Bückeburg zu kommen: so schreibt er mir unter andern: „Die
lettre perdue
habe

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wie ein
Luchs
oder
Adler
in einem
Catalogo
aufgespürt und beynahe durch

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Courier
kommen laßen – Es ist doch nicht recht, daß ich kein Einziges Ihrer

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Stücke von Ihnen alles von und aus
Catalogen
habe.“ Sorgen Sie doch

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liebster Freund, daß
Hintz
mit der neuen vermehrten Ausgabe alle

5
Courier
kosten zuvorkommt.

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Item:
„Wegen der 2 andern Stücke, die mit der Urkunde hätten

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herauskommen sollen und (unserm Htkn. zu danken!) noch nicht heraus sind,

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halten Sie sich an
I
ihn – Er hatte sie ihnen schon vor ½ Jahr schaffen

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können. Von hier ists zu theuer und habe für mich selbst kein Ex.“

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Vestigia me terrent!
lieber Herr Verleger! möchte ich wie der Fuchs zu des

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Löwen Majestät sagen. Steigen doch nichts als Autor-Seufzer nach dem

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Olymp! Ach
Madame Hartknoch
sagen Sie mir im Vertrauen, woran man

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am sichersten unsere
respectiven
Herrn Verleger bey seinem Wort halten

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kann. Laßen Sie ihn auch die Rolle eines Autors spielen und rächen Sie unser

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ganzes Volk an ihm als seine Frau Verlegerinn.

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Auf meine Kleinigkeit zu kommen; so ist meine Hand über die
Essais

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litteraires
ziemlich erkaltet, woran der frühzeitige Herbst und Vorsprung des

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Winters schuld seyn mag. Ueber die Ehe hab ich auch noch keine Zeile weiter

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schreiben können, als ich vor Ihrer Abreise gekommen bin. Es wird dem

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Essay on Woman
des berühmten
Wilkes
nichts nachgeben; und der Text ist

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Gen. II.
– und er
schloß die Stätte zu mit Fleisch
. Womit Ihnen eine gute

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Nacht wünsche, und das Wort dem jungen Ehpaar nicht umsonst gesagt

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haben will – zu einer guten Nacht und
geseegneten
Ruh zum
Gratias.

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Hamann.
Grüßen Sie Ihre Reise Gefährtinn aufs ergebenste u. s. w.


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Adresse:

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à Monsieur / Monsieur Hartknoch / Marchand-Libraire très celèbre / à /

27
Riga
. / par
fav
.


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Vermerk von Hartknoch:
HE Haman in Königsberg. Empf.
d.
17
Sept.
1774.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1943. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 5.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, V 91 f.

ZH III 107 f., Nr. 413.

Zusätze fremder Hand

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Johann Friedrich Hartknoch