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Mitau den
19 April 66.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Da ich Ihren Besuch mit großem Hunger und Durst erwarte: so werd ich
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jetzt nicht weitläuftig seyn dürfen. Einlage, die ich erbrochen und woraus
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meine Zuschrift
suppli
ren können, legt mir die Nothwendigkeit auf an Sie
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zu schreiben –
Dii Deaeque me perdant,
wenn ich weiß was. Ich wühle
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unter einer Menge von Büchern ohne etwas zu finden, daß meinem
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Verlangen angemeßen wäre. Aus Verzweifelung hab ich das Lettsche auch
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angefangen seit Ostern; wir werden uns also die Stenderschen Fabeln
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überhören können. HE
Pastor Ruprecht,
der sich Ihnen empfehlen läßt, hat uns
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diese gantze Woche Gesellschaft geleistet, und wird einen neuen Band des
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Fabricius einbringen, in Erwartung, daß Sie den ersten wieder zurück bringen
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werden. Auf des
Spence Retour
verlaß ich mich auch. Ich hab ihn wieder
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Willen des Eigenthümers zurück behalten müßen, und nur seinem Bruder
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davon gesagt.
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Schon vor 6 Wochen meldt man mir, daß die verlangten Bücher von
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Hause abgegangen, und habe gleichwol noch nichts erhalten.
S. 367
Seit meiner Hiesigen
Wirthschaft
weder an meinen Vater geschrieben noch
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ihm geantwortet auf seine zärtliche Erinnerung darüber. Laßen Sie sich dies
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einen
Barometer
meines Ueberdrußes seyn und wenn Sie keinen Ehrgeitz
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zu Erfüllung Ihres Versprechens in sich finden; so laßen Sie sich das
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Mitleiden dazu bewegen.
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Grüßen Sie HE. Steidel. Ich bin in seiner Schuld für das Papier zu einem
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Manual.
Alles das Vergnügen und die Zufriedenheit, die mir fehlt, wünsch
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ich Ihnen zwiefältig.
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Mündlich mehr. Leben Sie recht wohl, Bester Freund!
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Ich habe Ihnen noch neulich wegen des
Vives
geschrieben, daß ich denselben
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nicht erhalten habe. HE. Hartknoch wuste von nichts; das Buch muß daher
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in Riga geblieben seyn.
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Adresse:
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à Monsieur / Monsieur Herder / Collegue Vicaire du College /
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Cathedral de la ville Impe / riale de et / à /
Riga
/ p:
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 35–36.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 353 f.
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 132 f.
ZH II 366 f., Nr. 323.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Wirthschaft ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Wirtschaft |