323
366/18
Mitau
heute
Jelgava
(40 km südwestlich von Riga)
Mitau den
19 April 66.

19
Herzlich geliebtester Freund,

20
Da ich Ihren Besuch mit großem Hunger und Durst erwarte: so werd ich

21
Einlage
nicht überliefert
jetzt nicht weitläuftig seyn dürfen. Einlage, die ich erbrochen und woraus

22
meine Zuschrift
suppli
ren können, legt mir die Nothwendigkeit auf an Sie

23
Dii Deaeque me perdant
dt. mögen mich Götter und Göttinnen verderben; nach
Tac.
Ann.
6,6
ein Briefanfang des Tiberius voller Selbstvorwürfe
zu schreiben –
Dii Deaeque me perdant,
wenn ich weiß was. Ich wühle

24
Menge von Büchern
in der Bibliothek von
Christoph Anton Tottien
unter einer Menge von Büchern ohne etwas zu finden, daß meinem

25
Lettsche auch
vgl.
HKB 304 ( II 339/14 )
Verlangen angemeßen wäre. Aus Verzweifelung hab ich das Lettsche auch

26
Stenderschen Fabeln
Stender,
Fabeln
angefangen seit Ostern; wir werden uns also die Stenderschen Fabeln

27
HE Pastor Ruprecht
Johann Christoph Ruprecht
überhören können. HE
Pastor Ruprecht,
der sich Ihnen empfehlen läßt, hat uns

28
diese gantze Woche Gesellschaft geleistet, und wird einen neuen Band des

29
Fabricius einbringen, in Erwartung, daß Sie den ersten wieder zurück bringen

30
werden. Auf des
Spence Retour
verlaß ich mich auch. Ich hab ihn wieder

31
Bruder
Eigentümer des
Polymetes
war
Gottlob Immanuel Lindner
; mit dessen Bruder, dem Hamann den Verleih verriet, ist vmtl.
Johann Ehregott Friedrich Lindner
gemeint, bei dem sich Hamann in
Mitau
aufhielt.
Willen des Eigenthümers zurück behalten müßen, und nur seinem Bruder

32
davon gesagt.

33
verlangten Bücher
Sie trafen erst im August 1766 ein, vgl.
HKB 329 ( II 375/16 )
.
Schon vor 6 Wochen meldt man mir, daß die verlangten Bücher von

34
Hause abgegangen, und habe gleichwol noch nichts erhalten.

S. 367
Seit meiner Hiesigen
Wirthschaft
weder an meinen Vater geschrieben noch

2
seine zärtliche Erinnerung
nicht überliefert
ihm geantwortet auf seine zärtliche Erinnerung darüber. Laßen Sie sich dies

3
einen
Barometer
meines Ueberdrußes seyn und wenn Sie keinen Ehrgeitz

4
Ihres Versprechens
Hamann über Ostern in
Mitau
zu besuchen, vgl.
HKB 320 ( II 363/13 )
zu Erfüllung Ihres Versprechens in sich finden; so laßen Sie sich das

5
Mitleiden dazu bewegen.

6
Grüßen Sie HE. Steidel. Ich bin in seiner Schuld für das Papier zu einem

7
Manual
vgl.
Krünitz
, s.v. Manual: „das Buch, welches sich Kaufleute und Rechnungsführer halten, die täglichen Vorfälle aufzuzeichnen, aus welchem die Jahresrechnung gezogen werden muß. Für die erste Bedeutung haben wir die Wörter Handbuch und Handlungsbuch. Es ist bey Kaufleuten aber sehr gewöhnlich, dafür Memorial zu sagen.“
Manual.
Alles das Vergnügen und die Zufriedenheit, die mir fehlt, wünsch

8
ich Ihnen zwiefältig.

9
Mündlich mehr. Leben Sie recht wohl, Bester Freund!

10
Ich habe Ihnen noch neulich wegen des
Vives
geschrieben, daß ich denselben

11
nicht erhalten habe. HE. Hartknoch wuste von nichts; das Buch muß daher

12
in Riga geblieben seyn.


13
Adresse:

14
à Monsieur / Monsieur Herder / Collegue Vicaire du College /

15
Cathedral de la ville Impe / riale de et / à /
Riga
/ p:

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 35–36.

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 353 f.

Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 132 f.

ZH II 366 f., Nr. 323.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
367/1
Wirthschaft
]
Geändert nach der Handschrift; ZH: Wirtschaft