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Mitau den
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Marz 66.
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Mein liebster Herder,
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Ich bin vorige Woche mit Schnupfen und Flußfieber ein wenig besucht
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worden, und leide heute wieder einen zieml. starken Kopfschmertz auf der rechten
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Seite nach dem Schlaf und dem Auge zu. – Unterdeßen
habe
von HE Arndt
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und dem jüngsten HE Lindner Zuspruch genoßen. Der erste kam in der
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Absicht her von mir Abschied zu nehmen, auf die falsche Nachricht, daß ich wieder
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abreisen würde. Letzterer aber hat seine Bücher zum Theil eingepackt und mir
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einen kleinen Riß in meine Rechnung gemacht. Alle
Autores Classici
sind fort,
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Herodot, Lucian, Homer & etc.
Mit genauer Noth hab ich des
Muratori
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Quartanten della perfetta poesia Italiana
zurück behalten können, weil der
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Verf. darinn
i primi principi, le ragioni fondamentali et il Bello interno
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dell’Arte poetica
aufzusuchen verspricht. Ich habe erst 3 Kap. darinn lesen
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können, davon das letzte am weitläuftigsten und bloß historisch ist. Sollte ich
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in der Folge etwas für Sie brauchbares finden: so werde Ihnen damit
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zuvorkommen.
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Beyliegenden Brief bitte zu bestellen; weil ich die Post versäumt mich in
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Ansehung des engl. Biers wenigstens für die deshalb angewandte Bemühung
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zu bedanken, welches ich auch in Ansehung Ihrer thue. Da Sie nichts gutes
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finden können ist es mir lieber, daß Sie mir nichts als schlechte Waare
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geschickt. HE Hofr. und Fr. Hofräthin sind gestern Mittag nach Warschau
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abgereiset. Ich bin jetzt also Wirth und melde es Ihnen nicht umsonst, weil ich
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gewiß glaube, daß Sie unsern Hartknoch bis hieher begleiten werden. Mein
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Tisch ist bey HE
Doct. Lindner
ausgemacht; und ich denke auf diesem Fuß
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recht vergnügt und zufrieden zu leben.
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Um Ihr Verlangen nach Mitau noch mehr zu würzen, hab ich auch des
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Spence Polymetis
für Sie und mich zurück behalten, den ich aber
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schlechterdings
nicht
aus den Händen geben kann. Sie sehen daß es mir an keinem
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Vorrecht fehlt, aber noch an Zeit und Mühe mich einzurichten.
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HE
Past Ruprecht
der
s
Sie
grüßen läßt hat mir den ersten Band des
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Fabricius
eingebracht, mit Bitte ihn zu schonen. Sie sollen selbigen bey erster
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Gelegenheit haben. Halten Sie ihn aber nicht zu lange auf.
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Für Ihre Treue in
Commiss.
bin nicht so völlig eingenommen als Sie zu
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seyn scheinen; denn ich weiß noch nicht, ob Sie die
Memoires d’Eon
abgegeben
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haben u ob ich die
Matinées
bald Hofnung haben kann wiederzusehen.
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Unterdeßen da Sie Ihren Mann kennen; haben Sie wenigstens für Mund und
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Magen treulich gesorgt.
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Da Sie Ihren ersten Theil umgeschmoltzen haben: so erwarte desto mehr
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Neues bey Ihrer Ankunft zu hören. Wenn die Ausführung so glücklich geräht
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als Ihre
Disposition:
so wünsch ich Ihrem Verleger zum voraus Glück.
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Gute Nacht, schlafen Sie wohl – Ich werde unterbrochen und kann nicht
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weiter aus der Stelle kommen. Leben Sie wohl, grüßen Sie alle Freunde und
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lieben Sie mich als den Ihrigen
H.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 29.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 348.
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 122 f.
ZH II 360 f., Nr. 317.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Geändert nach der Handschrift; ZH: 4 |
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habe ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: hab |
361/13 |
Spence Polymetis |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Spence Polymetis |
361/14 |
nicht |
Geändert nach der Handschrift; ZH: nicht |
361/16 |
s Sie ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Sie |
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Commiss. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Commiß. |