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Mein liebster Freund,
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Endlich breche ich mir einige Augenblicke ab, mich in Ihre Armen
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zurückzuzaubern. Wie stehts, mein guter Hypochondrist mit Ihnen; mir war im
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Anfange
die Einsamkeit
nach ihnen so bange, als wenn ein Gatte sein
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liebes Weib bei Tisch u. Bett mißt. Nachher hab ich gearbeitet, den ersten
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Theil ganz umgeschmolzen, u. bin im zweiten
Theil halb;
dieser soll von unsrer
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Poet. Litterat. handeln
:
;
so fern wir die Orient. nachgeahmt hier von
5
Klopstock, Michaelis, Cramer u. Breitenbauch; so fern wir die Griechen
studirt
,
6
übersezzt
, hier von Steinbrüchel,
Bitaube,
p u. nachgebildet: von Geßner,
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Willamov, dem Schweizer. Theatergeschmack p; wiefern wir
Originalzüge
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die Römer, von Ramler Lange p Originale sind: Gleim p Frzos. u. Engländer
9
copi
rt. – Sie sollen Ihr
Imprimatur
mit 3!!! geben.
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Von den Kön. Zeit. habe mich getrennt. Sch., der einen elenden Roman
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nett genannt, u. seine Recens. schon eingerückt, fand sich durch meine ihm
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wiedersprechende Critik die unwißend ankam, aufgebracht, u. beantwortete sie
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an K. mit einem groben Hofmeisterton. K. schickte sie
bei
an mich u. ich
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antwortete noch gröber. Den folgenden Posttag schickte ich an Kant. die
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Kantische Recension, u. trat sehr höflich ab. Von L. bekam ich durch Sie einen
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Brief, der uns zu vereinigen suchte, u. schrieb. Da Sch. eine lärmende Ode
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in den Zeit. lächerl. gemacht: so hätte er meine Osterode, zu ihrer Zeit
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geliefert, compromittiren wollen: Dies bewegte mich zum sanften Abschied;
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u. es scheint, ich werde so einen Schand- u. Liebespfal
gesezt
bekommen, als
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Sie bei Ihrem Abzuge von den Zeit. – Ich erwarte, weil Sch. nicht
das Maul
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hält
schweigen wird, vielleicht eine noch unhöflichere Antwort; alsdenn
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fertige ich ihn erhaben ab u. – – Ein artiges Vorspiel meiner Autorschaft.
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In Ihren Kommißionen bin genauer gewesen, als Sie mir zutrauen. Die
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Hüner sind überschickt; das Engl. Bier, das ich an einen Ort noch
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aufgetrieben, ist ganz sauer, ich u. G. Berens sind
deßwegen
dienstbare Geister gewesen.
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Glauben Sie sicherlich
.
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Daß Sie so aufmerksam auf meine Kommißionen sind, erfreuet mich; das
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mein lieber H. ist
schön
,
galant
,
vollk
.
artig
, u. den
guten Sitten
gemäß.
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Bleiben Sie in dieser guten
Lage
, bis ich Sie umarme, u. Ihnen davor danke.
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Fast entschloßen, mit Htknoch nach Pr. zu reisen, um meine ehrl. Mutter
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zu besuchen, die ich seit 62. nicht gesehen; aber auch fast wiederruffen, wenn
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ich meine wenige Zeit hieselbst zugebracht, mein weniges Geld hieselbst
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gesamlet, u. meine wenige Verdienste um diesen Ort rechnet.
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Trescho hat an mich einen bis zur Raillerie oder Ekel höflichen Brief
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geschrieben; in jeder Zeile spöttisch
u.
oder
lächerlich.
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Eine Stunde jetzt, da die Tage wachsen, mehr in der Schule, v. 8–5. zu
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arbeiten, wenn ich nicht eccentrisch bin; außerdem ganz Autor – denken Sie
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meine Geschäftigkeit, die jetzt ganz von
I
ihrer Schwärmerei sich entwöhnt;
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in 3. Wochen 2. mal bei A. Berens, sonst nirgends gewesen.
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Von dieser guten Frauen, einen Gruß: je mehr ich
S
sie kennen lerne,
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je mehr ist Sie auch bei Ihren Fehlern für mich liebenswürdig –
nil admirari
5
bei Namenspersonen; aber bei Frauenzimmern
eo plus amare!
ist das nicht
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curieuse.
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C. Berens ist an seiner Hyp Hyp. gefährlich krank gewesen; wenn anders
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eine Krankheit gefährlich seyn
kann
, die Jahreszeit, und Ordnung hält, u.
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also nicht nach
I
ihrem Bruder, dem Tode schlachtet.
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Noch mehr solche Briefe voll Auszüge, u. Bemerkungen, wo der Philolog
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gelesen, gedacht, beobachtet, u. treulich angeführt hat, – alles beßer als Ihr
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Freund H.
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P.S.
Einen Brief über die
καλους, κ’ αγαθους,
u. die Bekanntschaft
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Homers, aus Ihres Freundes Bibliothek wünsche mir. Grüßen Sie das ganze
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Haus. Ihre Gedanken u. Einfälle, u. Zugaben u. Ratschläge über das Buch,
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das ich jetzt gebäre.
H.
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Adresse mit Siegelrest:
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à Monsieur / Monsieur
Hamann
/ homme de lettres / à /
Mitow
/ Franco /
19
bei
HE.
Hofrath Tottin
/ abzugeben.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 27–28.
Bisherige Drucke
Herders Briefe an Joh. Georg Hamann. Im Originaltext hg. von Otto Hoffmann. Berlin 1889, 20 f.
ZH II 358–360, Nr. 316.
HBGA I 49–51, Nr. 18.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
359/3 |
Theil halb; ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Theil; |
359/4 |
: ; ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: handeln; |
359/6 |
Bitaube, ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: Bitaube |
359/19 |
gesezt ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: gesetzt |
359/25 |
deßwegen ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: deswegen |
359/35 |
u. oder ]
|
Geändert nach der Handschrift; ZH: oder |
360/8 |
kann |
Geändert nach der Handschrift; ZH: kann |
360/19 |
HE. |
Geändert nach der Handschrift; ZH: HE. |