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354/26
Mitau den
11
t.
Febr. 66.

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Unser Hartknoch wird Ihnen die Gleichgiltigkeit seiner Gesellschaft und

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unserer kleinen Reise bereits beschrieben haben. Er hatte Krämpfe und ich

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vapeurs.
Der Dritte konnte uns etwas von der Karschin und ihrem
Palemon

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erzählen, der ein reicher Kaufmann in Magdeburg Namens Bachmann

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seyn soll. – Ich bin hier mit einer Freundschaft und Zärtlichkeit bewillkommt

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worden, aber nicht im stande den geringsten Vortheil oder Gebrauch von

S. 355
meiner Lage zu machen. Dem sey wie ihm wolle, so ist es mir lieb in Riga

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gewesen zu seyn, und dort so viele Proben Ihrer Liebe und Gutherzigkeit

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eingeerndtet zu haben. – Nach Hause habe gleich bey meiner Ankunft

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geschrieben und Ihre Bücher
Commission
bestellt, unserm gemeinschaftl.

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Freunde aber
Winkelmanns Schriften
, die
Matinées
und die
kleinen

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Auszüge von Schwedenborgs Werken
mitgegeben. Behalten Sie das

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französische nicht gar zu lange, weil man hier auch darnach neugierig ist, und

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theilen Sie es unsern guten Freunden, besonders dem HE.
Pastor Gericke

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mit. Ihr Verleger wird diese verstümmelte Abschrifft kaum zu etwas brauchen

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können. Eines andern Gesichtspunct in Auszügen läßt sich schwerlich treffen.

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Ein Verzeichnis dieser Schriften müste nach den Jahren, wenn sie

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ausgekommen sind, eingerichtet werden.
Machenau
hat einige gehabt, die in

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Kanters Samml. fehlen; und die ich auch Gelegenheit gefunden anzusehen. Das

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wahrscheinlichste,
und
abgeschmackteste
in seinem
System
habe ich zu

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sammeln gesucht; in Ansehung der Ideen so wohl als der ewigen

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Kunstwörter, die so häufig als die Zahlen der Paragraphen wiederholt werden.

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Empfehlen Sie mich dem Arend Berensschen Hause, und bitten Sie HErrn

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Georg B. um ein Dutzend Bout. Engl. Oel zur Probe für den bewusten

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Preis. Wenn ich kann, schreib ich selbst nächstens an ihn. Wegen der

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Kleinigkeit lohnt es wohl nicht, und verlaß mich auf die Hofnung, die er
mir

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gemacht, bald selbst
nach
Mitau
zu kommen.

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Noch eine Bitte an Sie, mein liebster Herder! die es Ihnen leicht seyn wird

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durch Ihre gute Wirthin, die Fr. Hartmannin auszuführen. Dies betrifft

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2 oder 3 Paar Haselhüner, die so gut als mögl. seyn müßen. Ich hoffe daß

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die Zufuhr davon noch anhalten wird. Um ihr Gold zu schonen, wird HE

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Hartknoch die Auslage tragen, die ich hier so gleich im Buchladen erstatten

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werde.

28
Die
Memoires
des
Eon
machen mir mehr Vergnügen als ich mir davon

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anfängl. versprochen habe. Des kleinen Mannes verbranntes Gehirn, den

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Ehrgeitz und Schulden halb zur Schwärmerey halb zur Verzweifelung

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gebracht, ist wenigstens ein Gemälde der Menschheit. Grüßen Sie HE
Adv.

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Tesch
und seine liebe Familie bestens von mir; entschuldigen Sie mich wegen

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des mitgenommenen Buchs, das ich aber höchstens in 14 Tagen wieder zurück

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liefern werde, auch wohl eher.

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Die Frau
D. Lindner
ist einen Tag vor meiner Ankunft in Gesellschaft

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ihres Bruders, des OberAmtmanns nach Preußen abgereiset, und auch

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vorher in Riga gewesen während meines dortigen Aufenthalts.

S. 356
Allem Vermuthen nach werd ich Ihnen bald positive Nachricht von des

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HE. Hofr. Abreise nach Warschau geben können. Ohngeachtet er nichts

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davon wißen will: so wird doch der
Termin
dazu bald entschieden seyn müßen.

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Die Gerichte werden diesen
März
gewis gehalten – – Ich werde
allso

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vermuthl. den halben Sommer allein hier
zubringen
– Vergeßen Sie mich nicht

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und denken Sie fleißig an Ihren Freund, den Märtyrer seiner Laune.

7
Hamann.


8
Wenn Sie Ihren
Vives
durchgelesen haben und nicht mehr brauchen, so

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bitte mir solchen aus, weil er hier nicht ist. Ich habe Ihnen zu Gefallen den

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gantzen Catalog des HE. Hofr. durchgelaufen, aber noch nichts gefunden,

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das Ihnen vor der Hand nöthig wäre. Leben Sie wohl.


12
Adresse:

13
à Monsieur / Monsieur Herder / Collegue vicaire du College /

14
Cathedral etc. / à /
Riga
.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 23–24.

Bisherige Drucke

Vgl. Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 347 f.

Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 112–114.

ZH II 354–356, Nr. 314.

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
355/21
nach
Mitau
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
nach Mitau
356/4
allso
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
also
356/4
März
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
März
356/5
zubringen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
zubringen.