231
160/31
Königsberg den
10
Jul.
1762.

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Herzlich geliebtester Freund,

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Elbing
heute Elbląg.
Vetter Nuppenau
Joachim Anton Nuppenau
Vorigen Sonntag Gott Lob! aus Elbing zurück gekommen. Mein Vetter

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Rathskyper
-Küper: ursprünglich Bez. eines Faßbinders
Schwester
Magdalena Dorothea Zöpfel, siehe Familie
Zöpfel
Nuppenau
dortiger Rathskyper holte mich und seine Schwester Zöpfelin

S. 161
seiner Ruhestätte
Joachim Anton Nuppenau
erlag während Hamanns Besuch einer Krankheit,
HKB 230 ( II 159/8 )
.
nebst ihren 2 Töchtern gesund ab, und wir haben ihn dort zu seiner Ruhestätte

2
gebracht. Den Tag vor seiner Beerdigung kam ein Bruder von ihm aus Lübeck

3
an, der in schwedischen Diensten Feldscherer gewesen – Sie können sich selbst

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die Unruhen vorstellen, die mit meiner Spatzierfahrt verknüpft gewesen. Gott

5
Lob! für das, was überstanden, Er helfe weiter. Dieser blühende muntere

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Jüngling ist von allen bedauert worden die ihn gekannt haben. Er starb an

7
einer hitzigen Krankheit, und ich habe mein Theil Beobachtungen auch machen

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können, so entfernt ich mich auch immer gehalten habe. Mein Leib ist ziemlich

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gesund, mein Gemüth leidt jetzt aber mehr als jemals – Verwirrungen, die

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ich weder erklären noch ihre Entwickelung absehen kann. Mein seel. Freund

11
wurde durch eine recht sichtbare Kraft zu seinem Ende zubereitet und in seiner

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letzten Arbeit unterstützet.

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Leiche
Vll. der Tod eines Kindes, vgl.
HKB 228 ( II 157/25 )
.
Sie haben auch Liebster Freund, eine Leiche währender Zeit in Ihrem Hause

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Wille …
Joh 1,13
gehabt, die Ihnen Kummer genung gemacht haben wird. Des HE. Wille

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geschieht auf der Erde, nicht der Wille eines Mannes, noch des Fleisches; sondern

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was Gott thut …
Anfang des gleichnamigen Kirchenliedes von Samuel Rodigast (1649–1708).
was Gott thut, das ist wohl gethan.

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mit einer halben Verzweifelung
HKB 233 ( II 166/27 )
Ich gieng mit einer halben Verzweifelung nach Elbing und mit der grösten

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Bedürfnis Luft zu schöpfen, mich zu zerstreuen, zu besinnen und wieder zu

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erholen. Drey Wochen hab ich zugebracht, ich weiß nicht wie? Sie werden

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mich entschuldigen, daß ich die Beylage des Rigischen Katechismus nicht habe

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durchsehen können. Der erste Bogen kam eben an, wie ich aufsitzen sollte; ich

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wollte ihn noch durchsehen, mein Vater jagte mich aber zum Hause heraus,

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weil mein seel. Vetter auf meinen Abschied drung. Ich hoffe, es wird nichts

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dadurch versehen seyn, was zur Hauptsache gehört. HE Wagner übernahm

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es, durch HE
Daubler
alles aufs sorgfältigste besorgen zu laßen.

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Leser und Kunstrichter
Hamann,
Leser und Kunstrichter
Mit dem letzten Briefe ist ein klein Versehen vorgegangen, weil Leser und

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Kunstrichter demselben beygelegt werden sollten. Sie erhalten diesen Bogen

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nebst einigen französischen Sachen, die ich für Sie aufgesucht habe.
Tant-

29
Tant mieux pour elle
Voisenon,
Tant mieux pour elle
mieux pour elle,
ein klein Hexenmährchen. Falls es nichts taugt, ist
ein
es

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Au Roi Philosophe
Vmtl. ist das anonym erschienene
Au Roy Philosophe
(London 1761) gemeint.
eine Kleinigkeit die Sie bald los werden.
Au Roi Philosophe
lohnt nicht sehr;

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Les songes d’Aristobule
Vll. Pierre-Charles Leveque (1736–1812):
Les rêves d’Aristobule. Philosophe Grec, suivis D’un Abrégé de la Vie de Formose, Philosophe Francois
(Karlsruhe/Dresden 1762).
doch des Titels wegen.
Les songes d’Aristobule
sind auch mittelmäßig –

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Noch habe nichts gefunden, was meiner Aufmerksamkeit recht werth

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gewesen wäre.

34
Sie erhalten den hiesigen
Catalogum,
und werden mir Ihren dortigen

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Einkauf melden.
Golii Lexicon
und
Hinckelmanni Alcoran
habe recht nach

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Wunsch von Leipzig erhalten. Arbeitsgeräthe und wenig Lust dazu. Aus Elbing

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habe einen jungen Menschen mitgebracht eines polnischen
Majors
Sohn,

S. 162
Brodowski
nicht ermittelt
Brodowski
mit Namen, der künftig hier studieren soll, und die jetzigen

2
Feyerlichkeiten
Namenstag von
Katharina II.
am 10. Juli, die sich am 9. Juli als Zarin und Peter III. für abgesetzt hatte ausrufen lassen; zudem Friedensfest von Russen und Preußen am 14. Juli.
HKB 232 ( II 164/7 )
feriiren
müßig sein
Feyerlichkeiten mitanzusehen Lust hatte. Zeit seines Hierseyns werde wohl
ferii
ren.

3
Bock
ist als
Magnificus
vorgestern gestorben,
Lauson
hat sich gemeldet,

4
diese Stelle
als Professor der Dichtkunst in der Nachfolge von Johann Georg Bock
Watson
wird auch erwartet – Es sind Freunde, die Ihnen diese Stelle

5
Ihre Stunde
Joh 2,4
gönnten, wenn
s
Sie Lust dazu hätten. Noch scheint Ihre Stunde nicht gekommen

6
zu seyn.

7
der Friede
Der Friedensschluss zwischen Peter III. und Friedrich II. vom 5. Mai 1762 wurde am 5. Juli in Königsberg publiziert.
Montags ist der Friede hier
publici
rt worden. Lauson und der alte

8
Schulmeister, von dem ich Ihnen ein
Colloquium
und Weynachtswunsch einmal

9
Schröder
nicht ermittelt
Regierung
die zurückkehrende preußische Verwaltung in Königsberg
beygelegt, Schröder haben ihn besungen. Gestern Abend traf die Regierung

10
hier, heute von einem jungen
Jester
ein groß
Compliment
bekommen, deßen

11
Titel ich nicht weiß. Wenn
Hennings
doch nachfolgte, der jetzt einen einträgl.

12
Prinzen von Würtenberg
nicht ermittelt
Posten haben soll bey dem Prinzen von Würtenberg.

13
Prof. Poes.
Professur für Dichtkunst
Lausons Wunsch ist erfüllt. Er hat immer gebeten, daß der
Prof. Poes.
nicht

14
Pr.
Preußische Regierung
eher sterben sollte, biß die Pr. Regierung käme, und meine Autorschaft ist

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jetzt auch zu Ende – Gott Lob! Wo der eine anfängt, hört der andere auf.

16
Gedicht auf den Kayser
Lindner,
Der Thron Peters des Dritten
Ihr Gedicht auf den Kayser habe weder gesehen noch gelesen. Ist mein

17
Name nicht auch auf den langen Listen von Freunden gewesen, die bedacht

18
worden sind?

19
Für Ihre Schulhandlungen danke ergebenst. Noch habe selbige bloß

20
durchblättert.
Trescho
hat mir geschrieben, dem ich heute zu antworten gedenke.

21
Recension in den Thornschen Zeitungen
im 5. St. der
Thornische Nachrichten
(15. März 1762) steht eine Rezension von
Trescho,
Näschereyen
.
Ich will ihm die
Recension
in den
Thorn
schen Zeitungen empfehlen, von

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denen wöchentl. ein Stück herauskommt.

23
Prof. Scubovius
Gymnasialprofessor in Elbing
In Elbing habe keinen Gelehrten als einen
Prof. Scubovius
kennen gelernt,

24
Disputation
Schubert,
Unterricht
. Schubert, dem Wolffianismus nahestehend, vertritt darin die Ansicht, vernünftige Einsicht der in der Schrift erzählten Gehalte, nicht eine übernatürliche Kraft ihrer Worte bewirke die Bekehrung. Das provozierte heftige Entgegnungen von Lutheranern.
der die berüchtigte
Disputation
unter Abt
Schubart
gehalten von der Kraft

25
purus putus
dt.: ein ganz Reiner; d.h. einer, der nur sein eigenes Fach kennt
des göttl. Wortes. Ein starker
Hypochondr
ist und
purus putus.
Die
Biblio
theck

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Senior Rittersdorf
Daniel Rittersdorf
auf dem
Gymnasio
habe auch besehen und den alten
Senior Rittersdorf

27
seel. Freundes
Joachim Anton Nuppenau
parentiren
gehört bey der Leiche meines seel. Freundes.

28
Sie haben mir lange nicht geschrieben. Ersetzen Sie es durch einen desto

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weitläuftigern Brief, liebster Freund. – Ich bin so zerstreut von innen und

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von außen, daß ich zu nichts geschickt bin. Gott wird mir meine gewöhnl.

31
Gedult …
Hebr 10,36
Heiterkeit und Ruhe aus Gnaden wiederschenken. Gedult ist uns noth – Ich

32
empfehle Sie Göttlicher Obhut, und bin nach der herzlichsten Begrüßung von

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meinem alten Vater Ihr aufrichtig ergebenster Freund.

34
Hamann.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (83).

Bisherige Drucke

Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 156–158.

ZH II 160–162, Nr. 231.