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Herzlich geliebtester Vater,
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Ich habe mich innigst erfreut über die gute Nachrichten von Ihrem
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Wohlbefinden. Gott erhalte Sie und schenke uns ein glückliches Wiedersehen.
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Morungen
heute Morąg
Meine
Abr
Reise nach Danzig und Morungen war schon ganz aufgegeben,
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und diese Woche war noch willens mit meiner Reisegesellschaft nach Hause
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Vetter
Joachim Anton Nuppenau
zu kehren. Es hat dem Höchsten aber gefallen unsern lieben Vetter mit einer
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Rosenhafter Zufall
Wundrose (Erysipel), durch Bakterien ausgelöste Hauterkrankung; Nuppenau starb an dieser Krankheit:
HKB 231 ( II 160/33 ) schweren Krankheit heimzusuchen. Der Anfang war ein Rosenhafter Zufall
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am Fuß, worüber er schon in Königsberg klagte, und welchen er theils der
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Erschrecknis
nicht ermittelt
Erschrecknis auf der Hochzeit, theils dem engen Schuh zuschrieb. Unterwegens
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saß er auf dem Bock, und fuhr biß in die Nacht ohne die geringste Bedeckung.
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Wie sein Fuß nicht zur Rose ausschlug und wieder Vermuthen beßer wurde,
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bekam er Wehtage an den Mandeln mit Zahnschmerzen und fieberhaften
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Zufällen.
Freytags
Nacht nahm er ein
Rhabar
ber ein, das ihm sehr gute Dienste
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von Bergen
nicht ermittelt
that. Er hatte Lust zum Aderlaßen und HE von Bergen rieth ihm dazu, eine
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kleine
Portion
am Arm. Hierauf brach eine Entzündung an der Nase aus,
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Schlaf verlor sich und die Hitze nahm immer zu.
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Nachdem er so viel Nächte schlaflos zugebracht hatte, wurde gestern ein
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Doctor
angenommen, der ihm ein Aderlaßen auf dem Fuß erlaubte.
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Zur MittagsZeit fieng sich das Schrecken an, indem er auf einmal zu
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phantasi
eren anfieng, da die Frau Muhme allein mit ihm war, und ich unten
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mit ihren Kindern aß.
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Wir waren ganz allein, der
Paroxysmus
wurde so heftig, daß ich für Angst
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nach der Stadt lief, um die
Doctores
und die Hausgenoßen davon Nachricht
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zu geben.
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Diese Nacht hat er ein wenig Ruhe gehabt; und wir haben viel Hofnung, daß
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dies die
Crisis
der Krankheit gewesen ist. Puls, Urin, Schweiß, offener Leib geben
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lauter gute Kennzeichen. – Wir haben also Hofnung, daß er außer Gefahr ist, und
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sich bald wieder erholen wird. Mir hat die Zeit über ich weiß nicht was für ein
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Gewitter in Gliedern gelegen, von dem ich jetzt ziemlich erleichtert bin. Der
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Fuhrmann, der uns hergebracht, muste uns gestern zu gutem Glück aufstoßen. Er geht
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nach Danzig und versprach Freytags wiederzukommen. Die Frau Muhme ist also
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entschloßen mit ihm wieder zurückzugehen, und sie thut am besten daran. Ihr
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längerer Aufenthalt wird ihr selbst und den übrigen zur Last werden. Ob ich
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mitkommen werde, steht noch dahin. Sonnabends wills Gott! ist ihre Reise also
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festgesetzt, wenn der Fuhrmann Wort und Gott uns gesund erhäl
l
t.
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Da Sie den Fuhrmann schon kennen, und derselbe ein sehr braver Kerl ist,
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der mäßig und dienstfertig: so können sie ganz ruhig in seiner Begleitung
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seyn und würden mich füglich entbehren können.
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Ob meine längere Gegenwart hier noch nöthig seyn wird, weiß noch nicht,
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und werde mich darinn gänzlich der Göttlichen Regierung überlaßen, die alle
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Umstände zum Besten lenken wird.
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Kann ich; so komm ich lieber mit. Meynt man, daß ich hier noch zu
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gebrauchen bin; so werden Sie mir wohl erlauben, Herzlich geliebtester Vater, noch
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ein wenig hier abzuwarten. Weil ich zu beyden gleich viel Lust habe: so werden
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Umstände meinen Entschluß bestimmen.
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Auf den gestrigen Schreck nahm ein roth Pulver ein, und befinde mich Gott
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Lob! ziemlich munter. Ein klein
Laxativ
habe auch die Zeit meines
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Aufenthalts hier gebraucht, das mir gute Dienste gethan.
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Einer meiner hiesigen Bekannten, der sich die meiste Mühe gegeben uns zu
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bewirthen und mit Freundschaftsdiensten zu überschütten, hat mich um des
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Königs Gedichte
Friedrich II.,
Poësies Diverses
Kanters Laden
Johann Jakob Kanter
Königs Gedichte ersucht. Ich werde selbige aus HE Kanters Laden nehmen
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Blisters
Buchbinder in Königsberg
laßen, und ersuche, daß Sie so gut sind selbige bey Blisters
englisch
binden
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zu laßen, und so bald es möglich durch Vetter Bräutigam, dem ich herzlich
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Glück wünsche, hieher besorgen zu laßen je eher je lieber.
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Blindau
N. N. Blindau
HE Blindau wird so gütig seyn die Besorgung über sich zu nehmen.
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Ich küße Ihnen Herzlich geliebter Vater, die Hände unter Anwünschung
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des Göttlichen Seegens, und bin nach zärtlicher Begrüßung von meiner
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Reisegesellschaft an alle gute Freunde mit kindlichster Hochachtung Ihr
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gehorsamst ergebenster Sohn
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Johann George.
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Im Keller
Comptoir
voller Eile und Unruhe um mich herum.
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Mittwochs den heiligen Abend vor JohannisTag.
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Muhmchen Lieschen
Zöpfel
Muhmchen Lieschen trägt mir jetzt ein besonder
Compliment
auf, das ich
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noch nachholen muß.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (77).
Bisherige Drucke
ZH II 159 f., Nr. 230.