167
S. 441
Königsb: den 20. Nov. 1759.
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Hom.
Od.
1,102: „Eilend fuhr sie hinab von den Gipfeln des hohen Olympos“
Βη δε κατ’ ουλυμποιο καρηνων αϊξασα
3
βῆ ἀίξασα: sie eilte fort
Die blauaugichte
Minerua
stieg von den Scheiteln des Olympus – –
αϊξασα
4
– stracks war sie da – geschwinder wie die Räder des
Sturms
rollen, und die
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Gemsen
klettern. Mit eben so einem
αϊξασα
! melde ich Dir, heute das dritte
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Buch der
Odyssee
angefangen zu haben. Homer ist also mein erster Autor,
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und es thut mir nicht leyd ihn gewählt zu haben. Ich könnte Dir schon einen
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ganzen Brief von den 2 Büchern schreiben; ich will aber so lange warten, biß
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Du die dreybogichte griechische Grammatick erhalten wirst, die mit den übrigen
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Büchern erst abgehen soll.
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Dem HE.
Rector
melde vor der Hand, daß ich den Posttag darauf einen
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Imperial
russische Goldmünze, zuerst unter Zarin Elisabeth 1755 geprägt (Vorderseite: Büste der Herrscherin; Rückseite: aus fünf Schilden gebildetes Kreuz mit Jahreszahl in den Winkeln), Wert: 10 Rubel.
HKB 167 ( I 441/12 ) Imperial
von HErrn Kade ins Haus geschickt bekommen, daß ich 2
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Qvittungen darüber unterschrieben, und so gleich eine Nachricht davon an die Frau
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Consistorial
R. nach Steinbeck; daß heute Mag.
Siebert
durch einen Gesellen
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Acken
vmtl. Kaufmann in Königsberg
des HE. von Acken auf seine Handschrift den
Imperial
erhalten, und alles
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jetzt seine Richtigkeit habe. Ich habe es für überflüßig geachtet bloß wegen
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dieser Kleinigkeit zu schreiben, da ich gedacht, daß er die Nachricht davon durch
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Johanningk
wohl ebenfalls Kaufmann
HE. Ältest. Johanningk am besten erhalten könnte, dem meine Qvittung
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vermuthlich wird überschickt seyn.
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Ich war darüber aufgebracht, weil ich den klugen Kaufmann und seine
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Gratial
Dankgeschenk oder Entgelt
Leute in dem Irrthum sah, als wenn mir der
Imperial
als ein Gratial
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überschickt würde. Sie hätten also keine
Complimen
te zu machen, und ein
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litteratus
nähme das erste das beste Geld für lieb. Ihre Einbildungen mögen
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gewesen seyn wie sie wollen, so hätte es sich für ordentl. Leute geschickt mir zu
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sagen: Wir haben kein solch Geld, wollt ihr den Werth davon annehmen, aber
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Rubel
Das russische Besatzungsheer handelte und bezahlte Löhne in Rubel. Da Königsberg mit allerlei minderwertigen Münzen vor allem preußischer Provinienz überschwemmt war, wurde seit 1759 in mehreren Schritten die Umrechnungskurse neu zu bestimmen versucht.
nicht das letztere mir aufdringen wollen, als wenn Rubel und
Imperial
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einerley wären. Ich habe mit zu wenig Aufmerksamkeit die Qvittung angesehen
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und hatte doch gleich wol die Neugierde zu wißen wie hoch der
Imperial
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angerechnet. HE Kade hat zu meinem Vater von 10 Rubel gesagt; ob HE Kade
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sich verredet oder der letztere unrecht verstanden, weiß nicht.
Lauson
hat mir
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vll. der Kaufmann Georg Gotthilf Schwinck
Rthrl.
Reichstaler, eine im ganzen dt-sprachigen Raum übliche Silbermünze, entspricht 24 Groschen (Groschen: Silbermünze [ca. 24. Teil eines Talers] oder Kupfermünze [ca. 90. Teil eines Talers]; in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch)
von Schwink
Comptoir
zu 10 Rthrl. für ganz gewiß angeboten. Hat HE
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Mag. Gelegenheit oder Lust unter der Hand darnach zu fragen: so möchte wol
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den rechten Grund wißen.
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Die lateinischen Grammaticken sind ausgegangen werden aber in 8 Tagen
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Philippe-Néricault Destouches
; vll.
Des Herrn Nericault Destouches, sämmtliche theatralische Wercke aus dem Französischen übersetzt
(2 Tle., Leipzig u. Göttingen 1756), vgl.
HKB 166 ( I 440/13 ) .
aus der Preße kommen; in welcher Zeit das verlangte erfolgt. Destouches ist
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gewiß da; von Andrews weiß nicht. HE
Rector
kann sich verlaßen daß alles
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richtig bestellt werden soll.
S. 442
Popowitsch ist nicht hier; ich wünschte, wenn er sich seine Grammatick so wohl
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als insbesondere sein Buch vom
Meer
aus Hamburg verschriebe. An dem
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letzten wäre mir viel gelegen, daß
er es
hätte.
Johann Ehrenfried
Wagner
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bezieht sich auf seine lateinische Grammatick, die auch nicht hergekommen. Sie muß
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nach der griechischen Sprachlehre zu urtheilen ein sehr nützlich Büchlein seyn.
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Keyser
nicht ermittelt
Ich weiß, daß er mit Keyser in
Corresp.
steht. Du könntest zugl. den letzten Theil
7
von
Pluche
Schaupl. der Natur mitkommen laßen, der hier gleichfalls nicht zu
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haben, und wer weiß wenn? einkommen möchte. In Popowitsch vom Meer
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sollen viel
Philologica
vorkommen.
Aichinger lese
ein wenig ehe er abgeht. Der
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Anfang hat mir gefallen. – Auf das Reisegeld wird hier gewartet. – Ich hoffe
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nicht daß HE
Rector Vechneri Hellenolexicon
hat; es kommt mit, weil ich es
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für ein sehr brauchbar Buch zur lateinischen Sprache und für einen
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Schulmann ansehe. Hat ers, so muß es mit erster Post abgeschrieben werden.
NB.
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Des sonderbaren Innhalts wegen habe noch Luthers merkwürdigen Brief
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vom Dollmetschen, den Peucer mit nicht zu verwerfenden Anmerkungen
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herausgegeben, für den HE. Mag. beygelegt. Es ist eine kleine Schrift und
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Gottesgelehrter […] Göttlich
Wolfgang Franz (1564–1628); in der Sendbrief-Ausgabe von Peucer, Vorrede, S.2.
gl.
Groschen (Silbermünze [ca. 24. Teil eines Talers] oder Kupfermünze [ca. 90. Teil eines Talers]; in Königsberg war der Kupfergroschen üblich; für 8 Groschen gab es ca. zwei Pfund Schweinefleisch)
kostet einige gl. Mit was für Recht ein alter Gottesgelehrter dieses
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Sendschreiben
Göttlich
genennt, und jedes Wort davon erhoben, möchte
manchem
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ein Räthsel seyn. Luther hat darinn seiner Heftigkeit und seinem Feuer recht
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den Zügel gelaßen. So wenig ich von des
Helvetius
Schrift
de l’Esprit
mache,
21
Ebd., die Kapitel des 3. Discurses
so sind doch einige Kapitel über die Leidenschaften nicht zu verachten. Der
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Franzos hat eine Geschichte seines eigenen uns beschrieben, der im Gedächtnis
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und einer physischen Empfindlichkeit besteht, die den herrschenden Ton der
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Modeschriftsteller in Frankr. ausmacht. Er weiß angenehm zu erzählen, und
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überhebt seine Leser der Mühe nachzudenken, weil diese Mühe mit seiner
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physischen Empfindlichkeit vermuthlich streiten muß.
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Was das für eine ungezogene Moral ist, die die Leidenschaften verwerfen
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Tochter
die Vernunft: Helvétius plädiert für eine Erziehung, die den Eigennutz (Kern des Esprit) fördert.
will, und ihrer Tochter die Herrschaft über sie einräumt. Die Leidenschaften
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müßen schon die Schule ausgelernt haben, wenn sie der zarte Arm der
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Politick
vll. bez. auf Helvétius’ Rechtfertigung der Prachtkultur der franz. herrschenden Klasse (bspw. S. 157f. in der dt. Übers.).
Vernunft regieren soll. Doch diese Moral wird eben so bewundert als die Politick,
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welche das Eigenthum der Güter aufzuheben sucht – von Papageyen, die ihr
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χαιρε
und sonst nichts dem Kayser zu sagen wißen. Brauch Deine
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Leidenschaften, wie Du Deine Gliedmaßen brauchst, und wenn Dich die Natur zum
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Longimanus
Beiname des persischen Königs Artaxerxes I. (Makrocheir, altgriech. μακρόχειρ, Langhand)
Vielfinger
Zu Beginn des ersten Discurses (
Helvétius,
De l’esprit
, S. 4f. in der dt. Übers.) behauptet Helvétius die Abhängigkeit der menschlichen geistigen Fähigkeiten vom Gliederbau, insbesondere der zum Greifen gemachten Hand.
Longimanus
oder Vielfinger gemacht, so wird sie und nicht Du verlacht; und
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Deine Spötter sind lächerlicher und mehr zu verdammen als Du mit Deiner
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längeren Hand oder mit deinen sechs Fingern.
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Trescho hat mir wieder geschrieben; nichts als witzige Wendungen. Noch
S. 443
keine Antwort auf das was ich schreibe, bisher von ihm gesehen. Er trägt mir
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immer eine Liste von Titeln auf, über deren Innhalt er mein Urtheil wißen
3
will, so wenig ich Lust habe selbige selbst zu lesen. Ich werde mir Zeit laßen
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an ihn zu schreiben; weil ich einem solchen Briefwechsel wol das Beywort
5
ατρυγετον
unfruchtbar, ruhelos;
Hom.
Od.
II,370: „Lieber, was zwingt dich, / Auf der wütenden See in Not und Kummer zu irren?“
ατρυγετον
geben möchte, was Homer dem Meer anhängt, wo weder Erndte
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noch Weinlese statt findet, nichts für die Tenne, nichts für die Kelter, nichts
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für den
bon-sens,
nichts für den Geschmack oder das Herz; nichts fürs
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Gedächtnis, nichts für die sinnl. Empfindsamkeit.
9
Lauson
läßt HE. Mag. herzl. grüßen und ist zu faul ihm noch zu antworten.
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Von Gundling weiß er vor der Hand nichts. Weil meine Augen vom
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Griechischen zieml. mitgenommen werden, so habe das Nöthige für ihn an Dich
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addressirt.
So bald ich an HE. B. schreibe, werde auch an Ihn schreiben.
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Nicht ehe, meines Erachtens. Vermelde beyden meine freundschaftlichsten
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Grüße, und wünsche Deinem HE Wirth gute Beßerung seines Fußes.
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M. Weimanns Disput.
werde ihm nächstens beylegen; ich habe sie nicht
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gelesen, und halte es nicht der Mühe werth, weil die Materie außer meinem
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Bezirck liegt. Ich habe mein
Organon
verlernt; und es thut nichts zur Sache.
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Luther,
Sendbrief vom Dollmetschen
: „Und daß ich wieder zur Sache komme: Wenn euer Papist sich viel Beschwer machen will mit dem Wort ‚sola-allein‘, so sagt ihm flugs also: Doktor Martinus Luther will’s so haben, und spricht: Papist und Esel sei ein Ding. Sic volo, sic iubeo, sit pro ratione voluntas. Denn wir wollen nicht der Papisten Schüler noch Jünger, sondern ihre Meister und Richter sein …“; dort Variation von
Iuv.
saturae
6,223: „Hoc volo, sic iubeo; sit pro ratione voluntas“.
Sic volo sic iubeo;
das konnte
Doctor
Luther sagen, ohne daß er einen
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Schuldienst nöthig hatte es zu lernen. Lies seinen
despotischen
Brief vom
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Dollmetschen;
er ist recht lustig theologisch geschrieben. Luther wäre eher ein
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Abraham von St.
Clara
geworden, aber kein Melanchthon ein Luther, weil Philipp
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ein gelehrter feiner Mann war aber ohne Leidenschaften; oder von sehr
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mannigfaltigen, die sich untereinander selbst vernichteten, oder von kälterer Vernunft
24
und gesetzteren Wesen als sein ehrlicher A
große Lust habe
diese Epoche
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für – einen Staatsmann.
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Pr.
nicht ermittelt
Ich habe an Pr.
dazu geborgt; noch
sich gegen meine
weiter zu trei
27
Immanuel Chry
nicht ermittelt
ich selbst dem
trauen kann. Immanuel Chry
Europäischen Für
nicht
28
fortkam, blie
Verfall der Phil
verächtlich gema
Wiedervergeltung
29
besonders eines
muß, so fin
theils
erleichter
nöthig; s
und für uns
30
ses nicht ge
31
Ich habe sch
besucht, au
thek und Beyhn
ben, daß die
Wunder von
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hoffen wede
fällt eben s
werden. I
schen Regier
also fast nich
ebenso
33
Aoristen
grammatische Vergangenheitsform, die individuelle einmalig abgeschlossene Handlungen bezeichnet.
we
und
formar
der
Aoristen.
34
Wo so e
Oeconomie
Sprachen ei
nicht genau
Neuigkeiten. Eine
35
Plan, Collin, Com
re gefallen von
Prof. Kyp
iechisch lernen solltest,
36
den. Ich müste jedes
kranz herbeten; kindische oder ge-
mpf werden. Jetzt
37
Kinder von ihren
hat werden lernen
,
S. 444
Tele
-machos, griech. Τηλέμαχος, ‚Kämpfer in der Ferne‘, Sohn des Odysseus und der Penelope,
Hom.
Od.
I–IV
zu legen als
Tele
stieg voran in
setzte da den
2
losen West,
3
1752. Zu Halle
änzen des ganzen
Seiten davon
ausgegeben.
4
lich mittheilen
pfen folgst,
hschießen laßen.
Deinen Brief an
5
gesagt, daß
ewesen; jetzt
6
Wenn dem
schlecht er
Was sagt
so bleibe ich
hmen zu laßen, weil
7
er meine Sprache versteht. –
8
äßest und das
it er nicht fort
beiten mir
bersetzen, et-
Abhandlung
9
nicht zur Haupt-
euer Bruder.
10
Vor dem Datum:
11
Baß
George Bassa
Grüße meinen lieben General Baß in Berenshof.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (62).
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, I 514–516.
ZH I 441–444, Nr. 167.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
442/18 |
manchem ]
|
Druckbogen 1940: namchem ; Druckfehler. |
443/20 |
Dollmetschen; ]
|
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: Doll metschen; |