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187/30
Herzlich Geliebtester Freund,

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Jetzt kommt Büffon zurück. Den Augenblick höre von einer Gelegenheit,

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die morgen früh abgehen wird. Ich bin schon dafür besorgt gewesen. Ist die

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Zeit zu lange gewesen. Ich habe ihn dafür jetzt zum 2ten mal geschloßen.

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Werd ich auf den 2ten Theil mit dieser Gelegenheit hoffen können? Wie geht

S. 188
Auction
HKB 72
es mit Ihrer Auction. Hab ich noch Hofnung etwas daraus zu bekommen.

2
Wie unruhig muß es bey Ihnen seyn. Haben Sie noch Zeit zu leben? Ich sehe

3
mich gegen die Last Ihrer Geschäfte wie einen Müßiggänger an, v es fehlt mir

4
daran. Gestern habe von Königsberg Sachen erhalten, wo auch Einlagen an

5
Sie sind. Beykommende Briefe.
Voltaire Pucelle d’Orleans,
die ich gestern

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Abend zu Ende gebracht, ohne sie aus der Hand zu legen um meiner unnützen

7
Jean Henri Maubert de Gouvest
, der vmtl. eine entstellte, Voltaire diskreditierende Ausgabe besorgte (Frankfurt 1755).
Neugierde nur loß zu werden. Ich glaube nicht, daß es
Maubert
Ausgabe ist,

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Laurent Angliviel de la Beaumelle
, der vmtl. ebenfalls eine entstellte, Voltaire diskreditierende Ausgabe besorgte (Louvain [fingiert] 1755). Wie stark die Ausgaben von Maubert und/oder Beaumelle von Voltaires Manuskript abwichen, ist nicht abschließend zu klären.
wenn dem
Baumelle
zu glauben; sondern vielmehr die Frankfurter, die er

9
Salomon de Nord cet.
Friedrich II. v. Preußen
; die
Pucelle
enthielt eine starke Polemik gegen den preußischen König, bishin zu diskreditierenden Andeutungen auf dessen vermeintl. Homosexualität.
selbst veranstaltet. Nichts auf den
Salomon de Nord cet.
finden können;

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Gelehrten Beylagen zum Hamb. Correspond.
meint vmtl.
Allgemeine gelehrte Nachrichten aus dem Reiche der Wissenschaften
(unter diesem Titel 1751–1758 erschienen) zu
Staats- und gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten
.
wovon jener redt. Zu den Gelehrten Beylagen zum Hamb.
Correspond.
habe

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Schles. Zeitungen
vmtl.
Schlesische Privilegirte Staats- Kriegs- u. Friedens-Zeitungen
schon zum voraus aus den Schles. Zeitungen eine lange
Recension
gelesen,

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worinn einige
Anecdotes
zu finden sind, die aber nicht deutlich genug erklärt

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werden. An Greßet ist daselbst auch gedacht. Dies ist vermuthlich das Stück,

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Menoza
Pontoppidan,
Menoza
, worin der XXIII. Brief in Bd. 1 von Voltaire handelt, dort S. 385 wird
Pucelle
erwähnt, jedoch kann nur das als Manuskript kursierende Gedicht gemeint sein.
welches
Menoza
anführt unter dem Titel
Pucelle
auf die Mutter Maria

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er aus Frankr. vertrieben
Voltaire beaumelle-voltaire
warum er aus Frankr. vertrieben worden. Es bleibt ein scandalös Gedicht voller

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frechen Bilder v schändl.
allegorien
oder
Parodien.
Was urtheilen Sie von

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dem Briefe dieses alten Zahnbrechers v dem unglückl. v in seinem Unglück

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großmüthigen
Baumelle.
2 Theile
gratis; gratis;
das lohnt zu subscribiren.

19
Wie aufgebracht die armen Schriftsteller durch das Geschmeiß von

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Buchführern werden können, davon hab ich Ihnen auch eine kleine Probe neul.

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gegeben. Mein Bruder hat mir die Uebersetzung geschickt; so weit sie fertig ist.

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Ich will noch heute darüber hergehen. Das äußerl. könnte zur Noth ein wenig

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beßer seyn. Vom 5. April ist nichts als der erste Bogen vom Spanier fertig

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gewesen. In einer neuen Verlegenheit. Ich weiß nicht, warum ich keine

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Antwort mit der Post aus Königsb. erhalte. Ich zweifle liebster Freund, daß P.

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das
Mst
hingeschickt. Entdecken Sie mir doch, was er Ihnen darüber gesagt;

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vielleicht hat er es Ihnen gar zur Durchsicht erst gebracht. Meinem Bruder

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habe einige mal über ein paar Stellen auf der Post geschrieben; v ihn dringend

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um Antwort gebeten, die ich schon wenigstens vor 10 Tage hätte erhalten

30
können. Das
Mst
muß noch nicht abgegangen. Ein paar wichtige

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Rigische Schriften
ein Manuskript, das von dem Handelsethos der Familie Berens in Riga berichtet, wovon Hamann Teile in
Hamann,
Beylage zu Dangeuil
zitiert, N IV S. 239/21ff., ED S. 393ff., vgl.
HKB 74 ( I 190/16 )
.
Veränderungen dazu, weil ich die Rigische Schriften über den Handel für öffentl. hielte,

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v ich wollte
sie in
meine Handschrift niemanden gern in dem Zustand worinn

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sie ist, lesen laßen. Sehen Sie mein letztes Schreiben als keine Wirkung eines

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aufgebrachten Affects an. Der
Autor
Herr
Doctor
hat mir Nachrichten

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gegeben, die mir vielleicht die Gesinnungen des HE. P. etwas näher entdecken in

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Ansehung meiner Beylage; welche mir sehr gleichgiltig sind und seyn

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werden. Ich bekümmere mich nicht einmal um sein Urtheil, geschweige daß es

S. 189
mich rühren könnte. Wenn ich mich fürchte; so erstreckt sich meine Furcht nur

2
auf Kenner v Richter; es ist mir niemalen im Scherz eingefallen ihm nur den

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Schatten davon einzuräumen. Von dieser Seite bin also ganz ruhig. Hätte er

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nicht wenigstens das Recht offenherzig gegen mich zu seyn; wie ich es gegen

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ihn gewesen bin. Nur dies verdrüst mich am meisten daß er mich allenthalben

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schon mit sm. Verlag v künfftigen ausgeschrien; da doch meine Arbeit

7
vielleicht durch die Dunkelheit des Verfaßers hätte gewinnen können, wenigstens

8
darnach eingerichtet ist besonders an denjenigen Orten, wo sie am ersten

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vielleicht gelesen werden könnte, v wo sie noch am verständlichsten seyn könnte.

10
Melden Sie mir wenigstens, Liebster Freund, alles was Sie wenigstens in

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Ansehung derselben von ihm haben ausbringen können; an dem Glück seiner

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Freyerey
Hochzeit
Freyerey ist mir wenig gelegen. Ich würde mich am meisten freuen, wenn ich

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mich in meinen Gedanken über ihn betrogen hätte v mich gern ihm zu

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Gefallen zum Lügner wünschen um ihm mein Unrecht mit einer wahren

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Freundschaft ersetzen zu können. Ja ich würde mir aus meiner Freymüthigkeit einen

16
Vorwurf machen, wenn
ich
die Möglichkeit zur Beßerung bey einem

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Menschen zu hoffen wäre, der so geneigt ist sich selbst als andere zu betrügen.

18
Nun ich komme auf ein ander Muster. Lesen Sie doch die kleine Misgeburth

19
von Watson. Um sich zum Krüpel zu
m
lachen, was uns dieser große Mann

20
Friedrich Rudolf Ludwig Frh. v. Canitz
vom Fabricius erzählt v wie ästhätisch er seinen Canitz v Haller anzubringen

21
Nicolas Boileau-Despréaux
Que diable…
Was zum Teufel hat er gegessen?
auch den Boileau v Juvenal.
Que diable a-t-il mangé?
sagt der Franzose.

22
Dieser Junge, der die Ruthe vor den H… haben sollte, wird den steifen Bock

23
einmal
succediren;
v ist schon
Prof. Poes. extraord.

24
Johann Christoph Wolson
;
Zeilen
nicht überliefert
Wolson hat mir fünftehalb Zeilen geschrieben v verlangt mich in seinem

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Leben nicht in Königsb. zu sehen. Der ehrliche Kerl sieht sich mit viel

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Gelaßenheit als das Sühneopfer aller seiner verlornen Freunde in seinem Vaterlande

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an. Er seegnet uns alle wie ein sterbender älterer Bruder seine jüngern, die

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er für glücklicher glaubt, ohne Neid v Misgunst.

29
Warum halten Sie die
abeille du Parnasse
nicht. Ich verdenke es Ihnen

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sehr. Der König
Stanislaus
ist der Verfaßer des
entretiens d’un Europeen,

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die das Geschrey verdienen was man von ihnen gemacht. Wenige Bogen, die

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vielleicht so schwer als der Machiavell v Antimachiavell zusammengenommen

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sind. Noch kann ich sie nicht mißen. Erst heute den Anfang gemacht. Und

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Zachariä Tageszeiten‥ mich an ihren Kupfern erfreut. Verzeyhen Sie es mir.

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Ich wollte Sie am liebsten in Ihrer Gesellschaft lesen. Was macht HE.

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Berens? Umarmen Sie ihn für mich. Schreiben Sie mir mit erster Post, wenn es

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Ihnen mögl. wenigstens mit dieser Gelegenheit. Jetzt gehe mit vieler

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Besorgnis an die Durchsicht meiner Uebersetzung; ich zittere für das Misvergnügen,

2
was mir Druckfehler oder die zweite v eine zu späte
Correctur
machen werden.

3
Ist P. noch da. Im Fall fragen Sie ihn im Ernst aus, ob meine Beylage…

4
Briefe
nicht überliefert;
Johann Christoph Hamann (Bruder)
Courage.
Den Augenblick erhalte Briefe von meinem Bruder v Berens.

5
Leben Sie wohl. Ich laße diesen zumachen um in Ruhe das Vergnügen zu

6
genüßen. Das
Mst
ist da; so viel ersehe aus der ersten Zeile. Ich küße Sie v

7
Ihre liebe Frau v Bruder mit der aufrichtigsten Freundschafft. Leben Sie wohl,

8
leben Sie wohl.

9
Noch eine Nachschrift. Einen herzlichen Gruß von Hause. Meine Mutter

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befindet sich schlecht leider! Gott helf Ihr. Meines unruhigen lieben Vaters

11
Brief
nicht überliefert
Brief hat mich sehr gerührt. Wer tröstet mich, mich einsamen, mich traurigen,

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der mit seinem Leben sich selbst so wenig als andern zu dienen bisher beruffen

13
zu seyn scheint. Mit wenig Hofnung angewandt; mit desto mehr Hofnung

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aufgegeben. Leben Sie beßer.


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Längs am linken Rand der ersten Seite:

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Mst.
vll. die „Rigische Schriften“,
HKB 74 ( I 188/31 )
Zuzu nächstens. Beylage nebst dem
Mst.
bitte an HE Berens zu bestellen.

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Meinen ergebensten Gruß an die HE. P. P. Gericke.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (24).

Bisherige Drucke

Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 31.

ZH I 187–190, Nr. 74.