365
463/9
Kgsberg den
27
Aug.
769.
10
S. T.
Wolgeborner Herr Kriegsrath
11
HochstzuEhrender Herr BürgerMeister,
12
Ich trete heute in mein vierzigstes Jahr mit einer vollkommenen
13
Beruhigung über die Labyrinthe meines Schicksals, in denen ich den Plan einer
14
höheren Hand verehre und ihrer Entwickelung mit Muth und ahndungsvoller
15
Hofnung entgegen sehe.
16
Gewiße
Umstände verbinden mich
Vorfälle die Ew Wolgeboren zum
17
Theil bekannt sind legen mir leider! die Nothwendigkeit auf mich um meine
18
zeitl. Umstände mehr als es mir lieb ist zu bekümmern. Ich nehme mir daher
19
die Freyheit Ihnen den wahren Zustand unsers Vermögens, so wie ich
20
selbiges alle Augenblick im stande bin nachzuweisen, in gegenwärtiger
21
Zuschrift auseinander zu setzen.
22
Ich erinnere mich Ewr Wolgeboren den 24
May
1767. meinen Entwurf
23
eine gemeinschaftl. Wirthschafft mit meinem Bruder zu
führen
übernehmen
24
in einem Briefe, von dem ich entweder keine Abschrift genommen oder selbige
25
verworfen, untergelegt zu haben.
Den Michael
ej. anni
ist dieses Vorhaben
26
von mir vollzogen worden,
Nachdem das Vermögen eines jegl.
gehörig
27
gewißermaaßen auß
einander
gemittelt
gesetzt
worden, hab ich
bisher
28
seit Michael 1767. von unsern gemeinschaftl.
Interessen
und meinem Gehalt
29
meine
unsere jährl. Ausgaben als ein
ehrlicher
guter Haushalter
und
30
ein gemein
bestritten.
31
Ew. Wolgeboren wißen, daß ich die 5000 fl. meines Muttertheils nicht
32
eben verzehrt, sondern vielmehr angewandt zu einer Aussaat, von der ich die
33
Erndte vielleicht je später desto reichlicher erwarten kann; ich habe mir aber
S. 464
jederzeit ein Gesetz daraus gemacht mein väterliches Erbtheil desto strenger zu
2
erhalten, und wenn es auch nur einige 100 fl. betragen hätte, so wäre mir
3
das Andenken von meines seel. Vaters Schweiß und Blut so heilig gewesen,
4
als mein Pathenpfennig und gewiße Familienurkunden, für die ich fast meine
5
gantze Bibliothek aufopfern möchte.
6
Gemäs unsern
Inventar
belief sich das für mich
liquidi
rte Väterl.
7
Erbtheil auf 4716 fl. 25 gr. weil ich aber an 833 fl. 17 gr. an Münzen und einigen
8
Effec
ten an mich behalten: so hab ich 4000 fl. als meinen väterl.
Fonds
9
ausgesetzt. Das Vermögen meines jüngeren Bruders, so ich unter meiner
10
Verwaltung beläuft sich 10034 fl. Hievon machen die jährl. Zinsen ungefehr
11
jährlich
600 fl. Auf diese
Summe
habe also bey unserer gemeinschaftl.
12
Wirthschafft Rechnung gemacht und selbige als den Beytrag meines Bruders
13
dazu angesehen. Der meinige bestand aus
14
240 fl.
an
Interessen
und
15
476 fl.
an meinem damaligen
16
Gehalt zu 16 rth monathl.
17
716
18
600
19
1316
war also der gemein-
20
schaftl.
Fonds
mit dem ich
21
das erste jahr meiner
22
Wirthschafft ein
ge
rich-
23
ten
t
und alle Ausgaben
24
derselben bestr
itten
eiten
25
habe
müßen; so wie un-
26
ser gantzes Vermögen aus
27
4000 fl
28
10034
29
14034 fl. bestund.
30
Der gegenwärtige Bestand. Unser
gegenwärtiges
Vermögen wird aus
31
nachfolgendem erhellen, wovon ich jederzeit den Beweiß vor Augen legen kann
32
Ein Wechsel 3000 fl. an HE
Commercien
rath
Hoyer,
dem ich dies
Capital
33
seit dem 24
Dec.
1767 zu 6
pC
% anvertraut,
wieder
34
meinen Willen aber
bis zu
Johanni a. c.
verlängert,
35
gegenwärtig aber mit meinem guten Willen als das
36
Meinige sehr gern bis 1772 überlaßen will ohne über
S. 465
den Verlust der halben
Interessen
noch gegen
2
Abgebrannte zu murren.
3
4000
an Wechseln auf das
Saturgus
sche
Comptoir.
4
1000
der
Nuppenau
sche Wechsel, für den Ew Wolgeb. die
5
Caution
übernommen, sowie Kirchenrath Buchholtz für
6
die
Interessen
gut gesagt aber wegen 10 fl. noch einige
7
Schwierigkeit macht und
nur
unserer Abrede
8
zuwieder nur 5
pC
% bezahlen wi
o
ll
en
.
9
500
Schönsche
Obligation
}
10
2000
Blocksche –
}
liegen
11
3000
eine
cedi
rte
Obligation
auf der Wittwe
}
in
12
Henrici
Gründen
}
deposito
13
1100
an ebendieselbe. Es hängt aber bisher von der Gnade
14
es.
Notarii
und
Secretarii
ab,
daß diese beyde
15
Capital
seit
denen ihrer überhäuften Geschäfte wegen
16
auch ein
Curator ex officio
gesetzt zu werden verdient,
17
daß diese 2
Capitalia
seit einem halben Jahr auf die
18
Ingrossation
warten müßen.
19
100
an einen Zimmermannsgesellen, deßen Familie seit des
20
seel.
Kuhns
Zeiten an unser Eltern Haus verpflichtet
21
gewesen
22
= 14700 fl.
23
Hiezu kommen noch einige 100 fl die ich einem abwesenden Freunde
24
vorgeschoßen, mit dem ich noch einige Abrechnung führen möchte daß ich also
25
dieses
Capital
nicht genau bestimmen kann, für die Sicherheit deßelben und
26
die
Interessen
aber
personelle
und
reelle
Pfändung in Händen habe; anderer
27
Kleinigkeiten nicht zu denken, die ich als verlorne Schulden, und
28
außerordentl. Allmosen p ansehen
will
muß.
29
In diesem
Capital,
das ich wenigstens
über
15000 fl. und darüber
30
beträgt
rechnen kann sind 250 fl. mitbegriffen, die meines seel. Vaters Magd
31
und gegenwärtigen Haushälterinn gehören, welche 120 fl. als ein
Legat
ihres
32
seel. Brodtherren von uns erhalten,
33
54 fl. die ihr sein Nachfolger an Lohn schuldig geblieben, hab ich mit
34
letzterm berechnet und das übrige hat sie theils in
unsers seel. Vaters
des
35
seel. Altstädtschen Baders theils in seiner
Kinder
Erben Dienste sich ehrlich
36
v. redlich erworben.
S. 466
Ich überlaße es E. Hochweisen
Magistrats
strengen Gerechtigkeit soviel
2
Zeugen als man will gegen mich verhören zu laßen, würde aber immer
3
demjenigen frechen Lügner Trotz bieten können der mich irgend einer großen
und
4
oder kleinen Schuldforderung wegen in Anspruch nehmen wollte, da ich mit
5
keinem einzigen Handwerker noch Kaufmann in Rechnung stehe, einen
6
einzigen hiesigen Buchhändler ausgenommen.
7
Ohne mich weiter um dasjenige zu bekümmern, was Ew. Wolgeb. für
8
Wahrheit
halten, die einem größeren Richter und selbst einem römischen
9
Landpfleger eine Frage war hat mir ein
Protocol
E.
Dirigi
renden
10
Bürgermeisterl.
Pupillen
Amt vom 14
Octobr.
767. immer sehr auf dem Herzen
11
gelegen, weil ich es niemals begreifen können wie Ew Wolgeb. einen so
illegal
en
12
actum
haben unterzeichnen können, der offenbar
Unwahrheiten und
13
Ungereimtheiten
Unrichtigkeiten in sich hält. Z. E.
14
1.) Es ist nicht wahr, und ich möchte fast sagen niederträchtig, und
15
unanständig daß man meinem Bruder in diesem
Protocol
ein vorzügl. Vertrauen
16
auf den Kirchenrath Buchholtz angedichtet und zugl: ein sehr bösgeartetes
17
Mistrauen gegen sn ältern Bruder aufbürdet. Wenn man aber bedenkt, aus
18
weßen Gehirn und Feder das
Hibriden-Instrument
gefloßen: so kann man
19
Ew Wolgeboren kaum mehr als eine kleine Uebereilung in der Unterschrift
20
deßelben zur Last legen.
21
2.) Es ist
nicht
eben so wenig wahr, daß ich
aus Vertrauen
ein
22
freywilliges Vertrauen zum Kirchenrath Buchholtz gehabt; indem ich den 20
May
23
1767. an einem Mittwoch mir die Freyheit genommen meine
24
Bedenklichkeiten gegen einen Mann, der unser Lehrmeister, Beichtvater, Miterbe p
25
gewesen
anzu
gegen Ew. Wolgeb. auszulaßen, und Ihnen nicht mein
26
Vertrauen sondern mein ganzes gegründetes Mistrauen gegen einen Geistl.
27
vorstellte, weil
ihn
das öffentl. Gerüchte für einen offenbaren Wucherer, der
28
nach Paulo ein Abgötter ist, und für etwas noch ärgeres erkennt, für einen
29
Mann der die Fischerey wie Petrus, und vorzügl. im trüben Waßer versteht,
30
wie ich 10 Proben an statt eine erlebt, ohne daß ich die geringste Spur einer
31
evangelischen noch moralischen Standhaftigkeit bey allem meinem Suchen v
32
Forschen jemals sollte entdeckt haben, und der sich beßer zum Wetterhahn
33
eines Kirchth
als zum Grundstein der Kirchen v Schulen schickt v.s.w. Ich
34
wurde aber ohngeachtet meiner redl. Absichten zum
Curator
meines Bruders
35
aufgenommen zu werden mehr
als ein
Dictator-
als
Consul
mäßig von Ew.
36
Wolgeboren abgewiesen.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 86.
Bisherige Drucke
ZH II 463–466, Nr. 365.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
465/12 |
deposito |
Die Angabe „liegen in deposito“ bezieht sich auf Z. 9–12 „Schönsche Obligation“ bis „Henrici Gründen“. |
466/27 |
ihn ]
|
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: in |