239
S. 181
Königsberg den
21 Christm. 1762.

2
HochEdelgeborner
Herr, /
HöchstzuEhrender Freund,

3
Ew. HochEdelgeboren habe die Ehre meinen Verbindungen gemäß die

4
Erstlinge meines Vaterlandes zu bewusten Gebrauche zu übersenden. Sollte

5
alles Maculatur in den Augen der Kunstrichter seyn: so ist wenigstens meiner

6
Pflicht und meinem Willen ein Genüge geschehen.

7
Das Wenigste von Beyliegendem habe bisher noch durchlesen können; und

8
der einzige
mögl.
Beweisgrund hat eben die Preße verlaßen. Eben der

9
Vorlesungen
Immanuel Kant
hielt Vorlesungen zur Physischen Geographie vom Beginn seiner Zeit als Privatdozent in Königsberg 1757 bis zum Ende seiner Lehrzeit 1796 stets auf der Grundlage eigener Arbeiten. Gedruckt erschien davon zunächst nur eine kleine Ankündigung unter dem Titel
Entwurf und Ankündigung eines Kollegii der physischen Geographie, nebst einer angehängten Betrachtung: Ob die Westwinde in unsern Gegenden darum feucht seyn, weil sie über ein großes Meer streichen?
(Königsberg: Driest 1757). Die gesamte Vorlesung wurde erst 1802 von Rink auf Grundlage von Manuskripten Kants, die dieser Rink zum Zwecke der Herausgabe zugeeignet hatte, veröffentlicht. Bekannt ist aber, dass Herder 1762 ausführliche Mitschriften der Vorlesung anfertigte, zu deren Veröffentlichung es aber nicht gekommen ist.
Verfaßer ist willens seine Vorlesungen über die
physische Geographie

10
drucken zu
laßen

11
Der Verfaßer der Rhapsodie heist
Hippel
und hat nebst HE.
Hinz
, meinem

12
näheren Freunde, jetzigen
Collaborator
an der Domschule in Riga, an der

13
Hochzeit Sammlung Antheil. Der Kroat ist ein gewißer
Lieutenant

14
Neumann,
von dem ein Paar Stücke in Schäfners jugendl. Gedichten stehen; die

15
ich nur ihrem Namen und dem Gerüchte nach kenne, weiter nicht.

16
Sommerstunden
Trescho,
Zerstreuungen
Die
Sommerstunden oder Zerstreuungen auf Kosten der Natur
sind

17
schon eine Weile heraus; habe aber
meinem
dem
Verleger zu Gefallen

18
kein Stück beylegen wollen, der durch eine vorläufige Anpreisung derselben

19
an ihrem Abgange leiden möchte. Ew. HochEdelgebornen werden diese

20
Achtsamkeit einem jungen Anfänger zum Vortheil anwenden, und vielleicht die

21
Recension
dieses
Buchs
, das ich bloß angesehen habe, biß nach der Meße

22
aufhalten können.

23
Briefwechsel
Lindner,
Briefwechsel
An dem
Briefwechsel
habe weiter keinen Antheil genommen, als daß ich

24
Juuenal
Vermutlich handelt es sich um das gleiche Zitat, dass auch
Hamann,
Fünf Hirtenbriefe das Schuldrama betreffend
als Motto dient:
Iuv.
saturae
1,17f: „dumm ist die Gelindheit mit dem flüchtigen Papier“.
Anfangsbuchstaben
vgl.
HKB 237 ( II 178/25 )
das
Imprimatur
aus
dem
Juuenal
dazugeschrieben und die Anfangsbuchstaben

25
der
respective
HE.
Correspon
denten vermittelst der Kabbala erfunden habe.

26
Ew. HochEdelgebornen werden es
mir
, und nicht dem HE.
M. Lindner
zur

27
Last legen, daß Einlage unversiegelt geblieben. Er ist mein ältester bester

28
Freund, der jedermann und mich auch durch alle mögl. Dienstbeflißenheit

29
verbindlich macht, mit Geschäften von aller Art überladen, theils über sich,

30
theils unter sich – Ich habe ihm kürzl. einen guten Schul- und Hausgehülfen

31
zugeschickt, von dem die Zeit vielleicht mehr lehren wird, und den ich im

32
Aeschylum und Timotheum
Die Rede ist von
Jakob Friedrich Hinz
.
Aischylos
wurde wegen angeblichen Verrats von Mysterien angeklagt. In
1 Tim 6,20f.
heißt es themenverwandt: „O Timotheus! bewahre, was dir vertraut ist, und meide die ungeistlichen, losen Geschwätze und das Gezänke der falsch berühmten Kunst, welche etliche vorgeben und gehen vom Glauben irre. Die Gnade sei mit dir! Amen.“
blinden Spott meinen Aeschylum und Timotheum
gehalten
gescholten
.

33
Falls Ew. HochEdelgebornen einige müßige Augenblicke finden sollten,

34
meinen Freund von dem richtigen Empfang dieser Einlage zu versichern: so

35
wird es mir angenehm seyn, und Ihnen am beqvemsten Dero Antwort durch

36
meine Hände gleichfalls gehen zu laßen.

S. 182
Was den Beytrag zu Schulhandl. anbelangt: so muß ich Ihnen freylich

2
im Vertrauen bekennen, daß meine Empfindungen mit des Unbekannten

3
Recens
enten seinen sehr
harmoni
ren (den man hiesiges Orts, wo ich nicht

4
irre, für den HE.
Moses
hält) und ich gleiches Schicksal mit ihm in Ansehung

5
der Stücke selbst, ein noch schlimmeres aber als er bey der Vorrede habe leiden

6
müßen. Der Schluß
aber
mit dem Dolch auf eine ganze Gattung ist mir

7
nicht eingefallen; auch hat mich der gelehrte Sermon über die Natur der Poesie

8
überhaupt und der dramatischen Poesie insonderheit, nebst dem zufälligen

9
Postscript
Beschluss des 232. der
Briefe die neueste Litteratur betreffend
, die Kritik von
Thomas Abbt
, S. 259–262, an
Lindner,
Beitrag zu Schulhandlungen
.
Postscript
leyder! mehr gekitzelt als erbaut.

10
So lange man bey den bloßen
Symptom
en des verdorbenen Geschmacks

11
stehen bleibt; wird das Verdienst der Kunstrichter immer zunehmen, aber der

12
Endzweck weder auf das allgemeine Beste noch
einzelnen
kaum erreicht werden.

13
Unter dem einzelnen verstehe ich
einen
den entscheidenden Vorzug einer

14
geläuterten Urtheilskraft
. Zeit und Gedult werden diese Anmerkung theils

15
auslegen theils bewähren.

16
Von Pfingsten habe beynahe
feri
irt; oder vielmehr einheimische

17
Angelegenheiten haben die tägliche Pflege des Lebens vervielfältigt. Ich lebe jetzt Gott

18
Lob! ein wenig ruhiger. Das überstandene Jahr giebt mir Muth ein neues

19
Homers Zeugniß
Hom.
Il.
17,514: „Aber solches ruht ja im Schoß der seligen Götter!“
wieder anzufangen. Liegt nicht das Loos unsers Schicksals, nach Homers

20
Zeugniß, auf den Knieen oder im Schooße des Vaters der Götter und

21
Sterblichen?

22
Ew. HochEdelgebornen vergeben, daß ich Sie mit bestmöglicher Besorgung

23
dieser Einlage beschweren darf. HE.
Pr. Zachariae
hat mich durch einen Zufall

24
Allmosenirer
Verwalter der milden Gaben
zu einen seiner Allmosenirer erwählt; ich will mein Bestes thun, mich seines

25
Vertrauens zu einem Unbekannten nicht unwürdig zu machen. Gedruckte

26
dasigen guten Freund
nicht ermittelt
Einlage
interessi
rt einen dasigen guten Freund. Zu allen Gegendiensten bin

27
verpflichtet und willig.

28
Nach Anwünschung eines glücklichen und
geseegneten
Neujahrs, wie auch

29
herzlicher Begrüßung meines Freundes Moses, den ich durch ein

30
Misverständnis
nicht ermittelt
Misverständnis mich gefreut habe hier persönlich näher kennen zu lernen, empfehle

31
mich Ihrer ferneren Wohlwollen, und bin mit aufrichtiger Hochachtung

32
Ew. HochEdelgebornen

33
ergebenster Diener.
Hamann.


34
Adresse:

35
à Monsieur / Monsieur Nicolai / Negociant Libraire / à
Berlin
.


36
Erhalten-Vermerk von Nicolai auf dem Adressblatt:

37
1763. Jan. / Königsb.
Hamann.

Provenienz

Staatsbibliothek zu Berlin, Nachlass Friedrich Nicolai/I/30/Mappe 11, 4–5.

Bisherige Drucke

Otto Hoffmann: Hamann-Briefe aus Nicolais Nachlass. In: Vierteljahrschrift für Litteraturgeschichte I (1888), 120 f.

ZH II 181 f., Nr. 239.

Zusätze fremder Hand

182/37
Friedrich Nicolai

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
181/2
Herr, /
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Herr

Geändert nach der Handschrift: Absatzwechsel.
181/8
mögl.
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
mögliche
181/10
laßen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
laßen.
181/17
meinem
dem
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
dem
meinem
181/21
Buchs
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Buches
181/24
aus
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
aus
181/32
gehalten
gescholten
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
gescholten
182/4
Moses
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
Moses
182/12
einzelnen
]
Geändert nach der Handschrift; ZH:
einzeln
182/28
geseegneten
]
Geändert nach Handschrift; ZH:
gesegneten

Korrekturvorschlag ZH 2. Aufl. (1988): geseegneten
182/37
1763. […] Hamann.]
Hinzugefügt nach der Handschrift.