307
343/2
Mitau den
15 Aug. 65.

3
Herzlich Geliebter Vater,

4
h.
huius, d.i. diesen [Monats]
Meine Sachen sind den 11
ten
h.
als vorigen Sonntag wohl behalten hier

5
angekommen und ich statte Ihnen für alles meinen Herzlichsten und kindlichsten

6
Dank ab. Wir haben hier währender Zeit 2 Leichen im Hause gehabt. Den

7
Christoph Antonchen
vgl. Brief 303
24
Jul.
Abends starb
Christoph
Antonchen von 4½ Jahr alt und den 27
ten

8
Justus Wilhelmchen
vgl. Brief 303
Justus
Wilhelmchen in einem Alter von noch nicht 3 Jahren, die den 28. als

9
Trin.
Trinitatis
am 8
ten
Sonnt. nach
Trin.
des Abends zur Ruhe gebracht wurden, wobey ich

10
auch Handreichung gethan. Am 1
ten
h.
besuchte mich HE Herder,
logi
rte in

11
meiner angenehmen Herberge und reisete den 4
ten
wieder nach Riga. Den Tag

12
Frau Hofräthin
Sophia Giesberta Tottien
HE Praepositus Schüttler
Johann Friedrich Schüttler, Probst in Goldingen, Schwiegervater von Johann Christoph Ruprecht und Christoph Anton Tottien
drauf reisete die Frau Hofräthin nach ihrem Vater, dem HE
Praepositus

13
Goldingen
Kuldiga
Schüttler
zu Goldingen in Gesellschaft ihrer Schwester und Schwagers, des

14
HE Past. Ruprecht
Johann Christoph Ruprecht
HE
Past. Ruprecht
. Wir erwarten selbige alle Tage, und der alte
Praepositus

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wird herkommen um die Ärtzte wegen seiner gefährl Krankheit zu curiren,

16
die von einigen für eine Brustwaßersucht, von andern für eine Verstopfung

17
der Leber ausgegeben wird. Aus diesem Tageregister werden Sie die Ursache

18
Rumthal zum Herzog
nicht ermittelt
meines Stillschweigens leicht absehen können. HE Hofr. ist heute frühe nach

19
Rumthal zum Herzog gefahren, der ihn wieder nach Warschau schicken wird.

20
Sie werden uns vielleicht eher als Sie es vermuthen in Kgsberg zu sehen

21
bekommen, weil wir alles mögl. thun werden unsere Hin- oder Rückreise

22
darnach einzurichten. Wundern Sie sich daher nicht, wenn meine Nachrichten

23
seltner seyn werden, weil ich mit kleinen Übersetzungen Abschriften und

24
allerhand Nebendingen beschäftigt bin, die mir wenig Zeit übrig laßen. Die

25
polnischen Relations Gerichte
dem König Rechenschaft schuldiges Gericht
polnischen
Relations
Gerichte fallen in den Octobr, wozu die Gegenwart eines

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fürstl. Bevollmächtigten nöthig ist. Es bleibt uns also eben nicht viel Zeit

27
zum
Termin
übrig. So kurz unser Aufenthalt in Kgsb. seyn dürfte, desto

28
angenehmer wollen wir ihn zu machen suchen. Vielleicht möchte ich des Bruders

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Peltz zu dieser Fahrt nöthig haben. Sorgen Sie daher, lieber Vater auf allen

30
Fall, entweder daß ich ihn abborgen oder abkaufen kann. Gott erhalte Sie

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Geliebtester Vater bis auf den glücklichen Tag, da ich die Freude haben werde

32
Sie zu umarmen, gesund. Ich küße Ihnen mit kindlichster Ehrfurcht die

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Hände, und ersterbe Ihr gehorsamst ergebenster Sohn.

34
Johann Georg.


35
Grüßen Sie Vetter und Vetterinnen und alle gute Freunde aufs zärtlichste

36
HE. Prof. Lindner
Johann Gotthelf Lindner
von mir. Das übrige auf diesem Bogen ist für meinen Freund, den HE.

37
Prof. Lindner.

S. 344
Grüßen Sie doch HE Kanter viel tausendmal. Ich habe nicht Abschied

2
genommen in der Erwartung uns einander bald wieder zu sehen.


3
HöchstzuEhrender Herr
Professor,

4
Herzlich Geliebtester Freund,

5
Streitschriften
nicht ermittelt
Ihre Streitschriften habe richtig erhalten und bis auf die 2
Exempl.

6
anderer Größe vertheilt, wofür in meinem und meiner Freunde Namen den

7
feyerlichsten Dank abstatte. Aber noch angenehmer ist es mir heute gewesen

8
Ihren HE Bruder unsern
gewesenen
Braunschweiger zu umarmen
, der

9
Platone
Platone in Lettland (56°32′22″N 23°41′46″E)
gestern Abend spät von Platone hier angekommen. Sie werden an dieser

10
frohen Nachricht Ihre GeEhrte
Mama
gleichfalls Antheil nehmen laßen und

11
Ihren
Correspond
enten bestens zu gl. Zeit empfehlen.

12
HE. Str. Thamm
Christ. Bernhard Thamm, Sekretär in Königsberg
Besorgen Sie doch sobald Sie nur können die Sache mit den HE. Str.

13
Thamm.
Den Preiß der übrigen Bücher läßt man sich gefallen; dingen Sie

14
aber an dem Böhmischen Gesangbuch so viel Sie können, an Fischer etwas,

15
Erasmischen Colloquiis
Erasmus,
Colloquia familiaria
wie auch wo mögl. an den
Erasm
ischen
Colloquiis,
die für mich seyn sollen,

16
und den
Mem. de Cathar.,
die man auf Gerathe wohl kauft ab. Das böhmische

17
Meuble
Möbelstück
Gesangbuch ist eine blos unnütze und eitle
Meuble,
die man mit der Hälfte

18
gnug und überflüßig bezahlt, weil ich sie blos zufällig mit der lettischen

19
Sprache zu vergl. brauchen möchte, und weder mehr Liebhaber dazu noch mehr

20
Nutzen davon absehen kann.

21
Um Ihren Buchholtz zu sehen möchten wir vielleicht ehstens selbst nach

22
Kgsb. kommen und auf ein paar Stunden ansprechen. Es würde mir lieb

23
HE Reichard
Johann Reichardt
seyn, wenn meine Laute
repari
rt und von HE
Reichard
in guten Stand

24
gesetzt werden könnte. Ueberlegen Sie mit meinem Vater damit, weil ich

25
sie gern mitnehmen möchte, und vielleicht nicht so viel Zeit hätte es bey

26
meiner Gegenwart selbst zu besorgen und abzuwarten. Die Frau
Doct.

27
läßt mich zu Mittag einladen und Ihres Manns Stelle zu vertreten, der nach

28
Doblehn
Dubliny
Doblehn
gefahren, da wollen wir Ihre Gesundheit trinken.


29
Vivat
Hoch!


30
Adresse mit rotem verwischtem Lacksiegel:

31
à Monsieur / Monsieur Hamann / Chirurgien bien renommé / à

32
Königsberg
/ en Prusse.


33
Von Johann Christoph Hamann (Vater) vermerkt:

34
den 19
Aug.
65.
den 21 Antwort.



S. 504
Handschriftliche Anmerkung von Gottlob Immanuel Lindner (dem Bruder Johann Gotthelfs) zu HKB 307 (II 344/2):

28
Statt einer persönlichen Umarmung nichts als einen papiernen

29
Kuß. So hats mein Schicksal gewollt. Die Ursachen, warum ich

30
meinen Weg nicht über Königsberg nehmen können im nächsten

31
Schreiben ausführlicher. Ich bin gottlob gesund in meinem

32
municipio
angelangt. Noch diesen Herbst fliege ich mit unsern

33
Zugvögeln davon, oder wenigstens gewiß künftig Frühjahr. Nimm

34
kindlich Handkuß an meine liebe, liebe Mutter und die besten Grüße an

35
alle meine dortigen Freunde. Gott erhalte dich gesund. Ich ersterbe

36
Dein treuer Bruder
Lindner.

Der Brief ist ein Begleitschreiben zu einem Entwurfsmanuskript von „Le Kermes du Nord“.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (83).

Bisherige Drucke

ZH II 343 f., Nr. 307.

Zusätze fremder Hand

344/34
Johann Christoph Hamann (Vater)
504/28
–36
Johann Gotthelf Lindner

Textkritische Anmerkungen

Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter Quellen verifiziert werden konnten.
504/27
–36
Handschriftliche […] Lindner.]
In ZH im Apparat.