308
S. 345
Mitau den
16 Aug. 65.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Sie erwarten von mir einen langen Brief, der schwer von Danksagungen
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seyn soll. Ich melde Ihnen aber weiter nichts, als daß wir höchstens in
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14 Tagen nach Warschau so Gott will gehen werden. Haben Sie etwas nach
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Kgsb und Morungen
Königsberg und Morąg
Kgsb und Morungen zu bestellen: so schicken Sie es bey Zeiten ein. Gestern
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HE. Lindner
Gottlob Immanuel Lindner
habe das unvermuthete Vergnügen gehabt den HE. Lindner aus
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Braunschweig zu umarmen und ihm den ganzen Nachmittag geholfen seine
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kostbare engl. franz. und welsche Bibliothek auszupacken. Freuen Sie sich liebster
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Freund, über die Vortheile meiner Lage und die Früchte meiner künftigen
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Muße. Hier haben Sie den Schlaf aus den
vermischten Poesieen Frkf.
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und Leipz
. 756.
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Komm, säusle mich ein
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Du sanfte Luft!
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Hier lieg ich bey Rosen
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Auf krausem Moos.
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Breitblättriger Baum
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Beschatte mich!
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Ihr schlanken
Jasminen
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Haucht süßen Duft.
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Sanft murmelt der Bach
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Vor mir vorbey
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In sanfter Ermattung
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Schlummr ich schon halb.
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Ode auf ein Geschütz, wodurch, am Tage der Belagerung Berlins, eine
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Kugel, bis mitten in die Stadt getrieben wurde. Berl. den 3
Octobr.
760.
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O du, dem glühend Eisen, donnernd Feuer
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Aus offnem Aetnaschlunde flammt
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Die frommen Dichter zu zerschmettern, Ungeheuer
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Das aus der Hölle stammt!
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Wer zur Verheerung blühender Geschlechter
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Dich an das Sonnenlicht gebracht
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Hat ohne Reue seine Mutter, seine Töchter
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Frohlockend umgebracht.
S. 346
Ganz nahe war ich schon dem Styx, gantz nahe
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Dem giftgeschwollnen Cerberus
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Ich hörte schon das Rad Ixions raßeln, sahe
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Die Brut des Danaus,
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Verdammt zum Spott, bey bodenlosen Fäßern; –
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Und Minos Antlitz, und das Feld
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Elysiens. Den großen Ahnherrn eines größern
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Urenkels, und sein Zelt
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Voll tapfrer Brennen sah ich! Ihre Lieder
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Ihr Fest bey jedem Nectarmahl
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Ist Er, der wider sechs Monarchen ficht und wider
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Satrapen
Statthalter
Satrapen ohne Zahl.
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Schon säng ich Seine jüngste That: wie brausend
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Ein Meer von Feinden ihn umfieng,
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Er aber seinen Weg hindurch auf zehentausend
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Zertretnen Schedeln gieng.
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Alcäus würde jetzt mein Lied beneiden;
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Schon säh ich Cäsarn lauschend nahn,
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Mit ihm den weisen Antonin, und den von beyden
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Gefeyrten Julian. – – –
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Allein Mercur stand neben mir, und wandte
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Durch seinen wunderbaren Stab
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Den Ball, der mich ins Reich der Nacht zu schleudern brannte
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Von meinen Schläfen
ab
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Denn ich soll noch die Laute stärker schlagen
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Wenn Er durch Weihrauchwolken zeugt
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Die Kriegesfurie gefeßelt an dem Wagen
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Des Ueberwinders keucht;
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Wann Er auf einem Throne von Trophäen
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Rund um sich her der Künste Kranz,
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Und wir im Musentempel Seine Siege sehen
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Versteckt in Spiel und Tanz;
S. 347
Wann Er, ein Gott Osir! durch unsre Fluren
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Im seeligsten Triumphe fährt,
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Indeß der Ueberfluß auf jede Seiner Spuren
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Scilicet
dt. Man denke nur
Ein ganzes Füllhorn leert.
Scilicet.
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Sie erhalten vielleicht noch vor meiner Abreise einen beträchtl. Beytrag zu
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Samml.
Herder sammelt für eine Geschichte der Ode.
Ihrer Samml. Rammlerscher Oden.
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Liedchen
vgl. Brief 306
Für Ihr dialogisches Liedchen danke. Ein
Zaun von Reben
, und
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Wiederhall
scheint nicht dem Inhalt gemäß zu seyn, um die Verwandl. des
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Vergnügens in Nutzen zu erklären. Ein Ährenmeer und Körnerheer sind freylich
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Concrescentz
Verdichtung
Nothreime, aber diese
Concresc
entz kommt mir analogischer, und ein Heer
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als ein lebendiges Geschöpf ist dem Meere als einem leblosen auch auf den
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Begriff der Menge vorzuziehen. Das
Rosen
s
öl
hat für die Sitten unsrer Zeiten
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Damons und Phillißen
Phyllis, eine Gestalt der griechischen Mythologie, begeht aus Trauer über die Abwesenheit des Geliebten Demophon (Damon) Selbstmord und wird in einen Mandelbaum verwandelt, dessen Blätter austreiben, als Demophon ihn umarmt. Nach
Ov.
epist.
, 2. Brief. Topisch in vielen bukolischen Gedichten.
und die heutigen Damons und Phillißen weniger Bedeutung als damals, da
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Waschen
Baden und Salben mehr Mode war. Spät und frühe scheint
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mir nicht sogut als das ausgestrichene
Jetzt
und draufzufolgende sonst.
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Weil beym spätseyn sich der Schatten von selbst findt und die Kühlung nicht
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Kantern
Johann Jakob Kanter
mehr so nöthig ist. Den Abschiedskuß bin Kantern schuldig geblieben und
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Fr. Hofr.
Sophia Giesberta Tottien
s. w. Wir vermuthen heute die Zurückkunfft der Fr. Hofr.
mit
Ihrem
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Schüttler
Johann Friedrich Schüttler, Probst in Goldingen
kranken Vater dem HE
Praepositus Schüttler.
– In gröster Eil mit
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Unterdrückung alles deßen was sich am Rande versteht, bin und bleibe der Ihrige
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Hamann.
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Adresse:
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An meinen / Freund Herder / in /
Riga
.
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Vermerk von Hartknoch:
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nebst 1 Buch
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 17–18.
Bisherige Drucke
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 93–97.
ZH II 345–347, Nr. 308.
Zusätze fremder Hand
347/25 |
Johann Friedrich Hartknoch |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
345/19 |
Jasminen ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Jasmine |
346/24 |
ab ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: ab. |
347/12 |
Rosen s öl ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: Rosenöl |
347/18 |
mit |
Textverlust durch schadhaften Rand des Blattes. |