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247/12
Königsberg den
31 Mä
y
rz 64.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Ich habe mir schon deshalb selbst Vorwürfe gemacht, daß ich mit letzter
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Post nicht geschrieben: es sollte aber nicht seyn, und ich bin jetzt im stande mehr
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Verleger
Johann Jakob Kanter
zu schreiben. Ihre Eingabe höheres Orts ist durch meinen Verleger den
Tag
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nach Empfang
gleich
bestellt worden
. Er war nicht willens dazu (denn ich
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habe in allem mit ihm darüber
conferi
rt), aber weil es ihr eigner Trieb
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gewesen und durch Ueberlegen man nicht weiter gekommen wäre: so hab es für
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meine Pflicht gehalten ihren Willen so bald als mögl. zu erfüllen. Es fehlte
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mir nicht an Einwendungen; aber ich habe selbige auch beantworten können,
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und ich wünsche und hoffe, daß alles zu Ihrem Besten ausschlagen wird. Ihr
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Einfall zu einer Geldbuße hat mir das sicherste und geschwindeste Mittel
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geschienen. Ich billige die
s
sen Entschluß
in concreto
oder in Betracht der mir
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bekannten Umstände und Ihrer gegenwärtigen und vorigen Verfaßung, habe
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also nach meinem
Gewißen
gehandelt. Laßen Sie sich denselben also nicht
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Schwager M. S.
Martin Friedrich Siebert
gereuen. Ihr Schwager
M. S.
war eben bey uns, daß ich ihm Ihren Brief
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Steinkopf
George Steinkopf
einhändigen konnte. Weil
Steinkopf
nicht eines Sinnes mit ihm gewesen, hat
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er ohne ihn Antwort an Geh. R.
Krusemark
nicht geschrieben; sondern erst
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ihren Brief abwarten wollen. Gestern schickte er mir das versprochene
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Empfehlschreiben und ich habe es gleich bestellt. In Ansehung des mir
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anvertrauten Briefes bin noch denselben Tag zur
Mama
hingelaufen, mit der Bitte
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Ihren Brief an
Pr. D.
zu versiegeln und bestellen zu laßen. Sie ließ sich diese
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Abrede gefallen, hat aber nur das erste gethan und mir denselben versiegelt
S. 248
wieder zugeschickt, um den
M. S.
diese
Commission
der Bestellung und
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Einhändigung an den
Pr. D.
aufzutragen. Weil sich dieser am Besten dazu schickt
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und ich nicht zweifele, daß er es gern übernehmen wird: so habe
auf
keine
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andere Wege gedacht, sondern erwarte ihn morgen oder übermorgen. Ich
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habe nichts an Ihren Berlinschen Brief gedacht, weil ich nicht wuste in wie
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weit dies eben nöthig und schicklich wäre, da ich den
M. S.
nicht genug kenne,
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um Ihre und meine Gesinnungen ihm völlig anzuvertrauen. Er weiß also
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Min. v. Br.
Fabian Abraham v. Braxein
nichts davon. Mein Verleger hat mit dem
Min. v. Br.
gesprochen, der Ihnen
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nicht zuwieder zu seyn scheint, aber vermuthet, daß Sie darum anhalten sollen.
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Wenn Sie selbst an ihn schrieben, könnte meines Erachtens nicht undienlich
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seyn; aber kurz und gut. Der Brief an
D.
kam mir ein wenig zu weitläuftig
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vor. Bey diesen 2 Männern, die eben nicht stimmig zu seyn scheinen, halt ich es
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nicht uneben sich zu melden; aber mit
Discretion.
Der eine ist als ein
Mecaen,
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der andere als ein
Patron
anzusehen. Es gehört eine eigene Beredsamkeit dazu
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bey einigen das Vermögen zu schaden zu versteinern, und bey andern
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hingegen den Willen zu helfen zu erwecken. Gesetzt daß Sie auch erst eine Antwort
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oder Erklärung des einen abwarteten, ehe
Sie
an den 2ten schrieben. Legen Sie
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den letzten an HE.
Kanter
ein, aber mit der Bitte die Sache für sich zu
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behalten und das Schreiben nicht im Laden zur Schau liegen zu laßen. Er wird
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die Bestellung gern auf sich nehmen v hat auch die meiste Gelegenheit dazu.
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Seine Abreise wird bald auf die Meße vor sich gehen und die Geschäfte zu
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HE Hartknoch
Johann Friedrich Hartknoch
selbiger sich häufen. HE Hartknoch wird täglich erwartet. Von der andern
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türkschen Grammatik
Lindners Rezension von
Grammaire tvrqve, ou methode covrte & facile pour apprendre la langve tvrqve
(Konstantinopel 1730) erschien in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 29. St. vom 11.5.1764; vgl.
HKB 265 ( II 254/28 ) Arnoldt
Daniel Heinrich Arnoldt
; Hamanns Rezension von
Arnoldt,
Vernunft- und schriftmäßige Gedanken von den Lebenspflichten der Christen
, in:
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 17. St. vom 30.3.1764 (N IV,281–183).
Hälfte zur türkschen Grammatik weiß noch nichts. Arnoldt ist gestern
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Insp. Domsien
Christoph Samuel Domsien (1730–1789), Inspector am Collegium Fridericianum
durchgegangen, wieder alles Vermuthen. Er soll zu
Insp. Domsien
gesagt haben:
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Wenn er das
Ding
gelesen hätte, würde er kaum den Druck erlaubt haben.
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D. Bock
Johann Georg Bock
NB. D. Bock
hat es ihm zugeschickt. Sie werden sich wundern, über mein
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Glück die Freyheit der Preße hier zu erweitern. Ich zittere bey alledem für die
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Folgen – – Schreiben Sie mir Ihr Gutachten über das 17. Stück. Den
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Scholiasten werde wenig brauchen können,
unterdeßen
gleichwol fällt es mir
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unendl. schwer diese Beobachtungen gründlich zu beurtheilen. Unterdeßen
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danke ich für Dero freundschaftl. Beytrag auch ohne Eigennutz.
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Moldenhawers 2ten Theil habe gelesen mit viel Zufriedenheit. Ich werde
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keine Stelle daraus anführen, mein altes Urtheil wiederholen und mehr zum
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künftigen Theil versparen. Im nächsten Stück kommen lauter fremde
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Recension des Baumgartens ist von Brockowski
wohl die Rezension von
Baumgarten,
Erklärung des Briefes Pauli an die Hebräer
in
Königsbergsche Gelehrte und Politische Zeitungen
, 18. St. vom 2.4.1764; „Brockowski“ vmtl. Verschreibung für
Ludwig Ernst v. Borowski
, vgl.
HKB 257 ( II 235/24 ) Arbeiten. Die
Recension
des
Baumgartens ist von
Brockowski.
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Mama hat mir Einlage geschickt, die Sie so gut seyn werden bestens zu
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junge Frau
Henriette Marie Amalie Lindner, geb. Wirth
bestellen. Die junge Frau soll sich zum Schatten grämen, und muß unter der
S. 249
Hand schreiben, ist gegenwärtig hier in der Stadt mit der Mutter.
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Niemand …
Jer 9,3
„Niemand traue seinem
Freund
, noch seinem
Bruder
, noch seinem
Weibe
, die
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ihm in Arm liegt.“ Dieser Zug characterisiert vor allen Zeiten unsere Alten.
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Sapienti sat
lat. sprichw.: für den Verständigen genug
Klugheit der Schlangen …
Mt 10,16
Sapienti sat.
Laßt uns also um die Klugheit der Schlangen bitten ohne die
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klein Gedicht
Moses Mendelssohn
anlässlich der Rückkehr von
Friedrich II.
am 30. März 1763 nach Berlin nach dem Frieden von Hubertusburg
Einfalt der Tauben zu verscherzen. Ich habe ein klein Gedicht gestern gelesen,
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das dem Moses zugeschrieben wird und dem Allergnädigsten Könige bey
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seinem glorreichen Einzuge von den Vorstehern der Berlinschen Judenschaft
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überreicht worden. Hier ist es:
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Der Friede Gottes sey mit Dir, o Held!
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Der Du zu lang des Krieges Ungemach
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Für uns ertragen. Wachen, Sorgen, Denken,
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Gefahren, Wunden und den Tod nicht scheutest
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Den Tod für die Gerechtigkeit.
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Dein Biedergeist erwog der Menschen Wohl
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Des Ewgen Rathschluß und des Weisen Pflicht!
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Da warfst Du zwischen uns und das Verderben
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Die Heldenbrust, entflammt von Vaterliebe.
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Wie schlug des Patrioten Herz!
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So oft die Blutbegier Dir nachgestrebt (– beßer:
nachgestellt
.)
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Es riefen Männer, Greise, Kinder in
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Vereintem Chor Hosanna! Hilf Erretter! –
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O daß Dein Volk nur Thränen hat für Waffen,
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Gebet und Psalm für Helm und Schild!
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O könnte Israel mit seinem Blut
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Versöhnen den Verderber! Jeden Streich
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Auffangen in der Brust, der Ihn, den Vater
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Des Vaterlandes sucht! – Getrost! auch Trähnen
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Der Frommen sind nicht ohne Kraft.
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Die Vorsicht winkt. Es lagert unsichtbar
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Ein Chor der Engel sich um Ihn. Ihr Schild
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Vereitelt Tücken, die im finstern schleichen.
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Die Mordsucht starrt mit aufgehobnem Arme,
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Erkennt die Göttliche Gewalt.
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Auch itzt, da Deiner Kinder Freudenruff
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Von Pfort zu Pforte Dich begleitet, schallt
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Von Lobgesang des Tempels Zinne wieder.
S. 250
Die Töchter schmücken sich mit Thränen (warum nicht
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lieber: Palmen oder Zweigen)
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Und danken dem der Dich erhält.
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Triumph! Triumph! von Gott beschützter Held
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Geneuß nunmehr der Ruhe Süßigkeit
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Die Du der Welt mit edelm Schweiß errungen!
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Die Du verschwurst, so lang die Menschheit seufzte.
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Sie seufzt nicht mehr. Halleluja!
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Warten Sie liebster Freund! Sie werden den LitteraturTheil zeitig genug
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erhalten. Es fehlt hier an Exempl. und ich vermuthe, daß in der Nachbarschaft
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Ihnen schon eins besorgt seyn wird. Selbst mich darnach zu erkundigen geht
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Mitau
heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
nicht an. Bestellen Sie in Mitau, sobald eins ankommt. Ich werd nächstens
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einen Auszug wenigstens mittheilen; weil es jetzt zu spät ist. Leben Sie wohl.
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Unsere Wünsche mögen nach Gottes Willen bald erfüllt werden. Mein alter
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Vater empfiehlt sich Ihnen. Ich umarme Sie in Gedanken und bald Mund auf
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Mund.
Vale
–
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H.
S. 500
Handschriftliche Anmerkung von Johann Gotthelf Lindner
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am Rand zu HKB 262 (II 250/16):
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Les sylphes.
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Kanter
20
an
Krick. und
Rumowski.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (105).
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 220 f.
ZH II 247–250, Nr. 262.
Zusätze fremder Hand
500/18 –20
|
Johann Gotthelf Lindner |
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
248/3 |
auf ]
|
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: auf |
248/25 |
Ding |
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: Ding |
500/16 –20
|
Handschriftliche […] Rumowski.] |
In ZH im Apparat. |
500/20 |
an ]
|
Geändert nach Druckbogen 1940; ZH: an. |