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Geliebtester Freund,
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Hofe
Berenshoff, Landsitz der Familie Berens
Paquet
Ich komme eben von unserm Hofe ein und erhalte das
Paquet
von Briefen
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worauf ich gewartet. Es ist vorige Post liegen geblieben, weil
s
Sie keine
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addresse
darauf gemacht. Inskünfftige werden Sie mich
homme de lettres
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B.
Carl Berens
nennen und abzugeben bey HErrn Carl B. Ich bin voller Unruhe – – und
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etwas
hypochondri
sch. Sie werden mir daher mein Geschmier
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entschuldigen; weil ich überdies wieder auszugehen gedenke. Unordnung in meiner
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Lebensart und diese ewige Peiniger – – Menschenfurcht und Menschengefälligkeit.
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Artzt hilff Dir Selber
Lk 4,23
Artzt hilff Dir Selber werden Sie sagen. Ich kenne meine Krankheit und
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meinen Artzt; und will zu seinen
Recepten
wieder Zuflucht nehmen.
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Studieren Sie noch so grimmig? Liebster Freund. Schonen Sie Ihren Leib und
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sichten Sie meine Schwärmerey. Gehen Sie um Gottes Willen zu Ihrem
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Beruf zurück, und werden Sie selbigem nicht untreu. Ich kann jetzt anders
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Hirtenbriefe
u.a. an die von G. I. Lindner betreuten Wittenschen Söhne
nichts als Hirtenbriefe schreiben. Falls Sie das
Paquet
gelesen haben, was
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Sie aus Uebereilung erbrochen, werden Sie Ihre Lust gehabt haben mich so
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von einem Freunde gehetzt zu sehen. Ich wünschte wenn Sie es gethan
S. 246
hätten. Ich bin selbst einmahl in eben den unschuldigen Fehler gefallen, daß ich
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die Möglichkeit deßelben weiß. Sie würden keine Geheimniße darinnen
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angetroffen haben, die ich Ihnen nicht Selbst laut vorlesen wollte.
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Barons
v. Witten
; für die Zeit Sept. bis Nov. 1758 sind 11 Briefe an Peter Christoph und Joseph Johann v. Witten überliefert.
Laßen Sie sich den Briefwechsel mit den jungen Barons keine Qvaal noch
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Arbeit seyn. Sie mögen schreiben was Sie wollen, so ist es gut für mich, und
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ich will Sie bald gewöhnen mit meinen Briefen gleichfalls fürlieb zu nehmen,
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wenn und wie sie kommen. Die Fr Gräfin v der Herr
General
werden keine
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Schreiben von mir erwarten – – falls – – werden Sie mich im Vorbeygehen
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zu entschuldigen wißen. Ich müste nichts als
Complimente
schreiben – –
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Schaarwerk
Frohndienst
und die kann ich nicht, habe auch nicht nöthig solch Schaarwerk zu thun. Den
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jungen Herrn werden Sie ein wenig die Uebersetzung und die Worte meines
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Briefes ein wenig in den Mund zu drehen und zu erheben suchen. Es fällt
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einigen Leuten so schwer Empfindungen zu verstehen als andern Worte ohne
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Bruder
Johann Gotthelf Lindner
Sinn zusammen zu schreiben. Ich werde jetzt zu Herrn Bruder gehen um zu
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hören ob was von meinem Bruder angekommen. Ich habe nichts vor mich
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gefunden, so gewiß ich mir auch darauf staat machte.
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Weil Sie und B. Freunde sind, so werde ich mir denselben immer als Ihren
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Schatten vorstellen und daher meine Briefe an ihn in Ihren einrücken. Sein
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Geld habe eben abgezahlt und soll heute oder mit ersten gewiß bestellt
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Dumpin
nicht ermittelt
werden an die
Dumpin.
Bitten Sie ihn, daß er jetzt mehr Ursache als jemals hat
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dem Rath, den ich ihm gegeben, buchstäblich zu folgen. Um ihn daran zu
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erinnern, will ich ihn wiederholen – – Gott zu vertrauen, mit dem
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Gegenwärtigen zufrieden und dankbar dafür zu seyn, ohne Murren alles zu ertragen
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und nicht ein Haar breit von den Pflichten der Treue und der Stimme seines
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Gewißens und Herzens abzuweichen. Falls eine Veränderung in seinen
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Umständen geschehen sollte, für nichts zu sorgen. Falls ihn Gott austreiben will,
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ist Stelle und Brodt für ihn fertig. Das zehnte Geboth muß uns ehrwürdiger
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Jonathans Seele
1 Sam 20,3
als Jonathans Seele seyn. Der Apfel, die reife Frucht, die abfällt, soll uns
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hier recht gut schmecken. Das Reiß muß erst dort abgehauen werden, ehe wir
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uns unterstehen müßen aufzunehmen, uns es zuzueignen und in uns. Garten
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einzupropfen. Der Stein muß erst von jenen Bauleuten verworfen werden,
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ehe er als ein Eckstein in unserm Gebäude gebraucht werden kann. Ich würde
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das Herz nicht haben so viel zu sagen, wenn ich nicht wüste, daß diese
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Offenherzigkeit ihn jetzt ungedultiger machen wird seine Feßeln mit Gewalt zu
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zerbrechen oder durch Künste abzufeilen. Falls er dies misbrauchen will,
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muß er wißen, daß er sich gewärtig halte mich als einen Lügner zu finden.
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Sapienti sat
lat. sprichw. für: für den Verständigen genug
Sapienti sat.
S. 247
Ich möchte ihn sehr gern mit einer
Commission
beschweren, die niemand so
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Wirth
Carl Berens
gut als er für mich bestellen kann. Mein lieber Wirth ist ein großer Liebhaber
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von Wild, er wird so gut seyn, wenn er was gutes für mich aufkaufen kann
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und eine Gelegenheit dazu ist, mir solches zuschicken. Das Geld dafür soll
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gleich übermacht werden. Er wird wenigstens sich darüber erklären, ob er es
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kann und will thun ohne gar zu große Unbeqvemlichkeit. Melden Sie mir
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seine Herzens Meynung darüber.
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Pastorath … Alte und Neue
Samuel A. u. Johann Chr. Ruprecht
Grüßen Sie das Pastorath, das Alte und Neue, aufs ergebenste von mir
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mit einem wiederhohlten Dank für alle daselbst erzeigte und genoßene
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Höflichkeiten. Ich höre auf, weil ich weder Materie noch Zeit mehr übrig habe zu
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schreiben. Sie werden es eben so machen. Lieben Sie mich trotz aller meiner
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Fehler; desto mehr Verdienst und Dank für Ihre Freundschafft von
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demjenigen, der sich von Grund des Herzens nennt Ihren aufrichtigen und
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verpflichtesten Diener und Freund.
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Hamann.
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Adresse mit rotem Lacksiegelrest:
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à Monsieur / Monsieur Lindner / Gouverneur des Messieurs / les jeunes
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Barons de Witten / à / Grunhoff. / par faveur.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 4 (6).
Bisherige Drucke
Heinrich Weber: Neue Hamanniana. München 1905, 42 f.
ZH I 245–247, Nr. 112.