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Grünhof den
3 Februar 756.

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Herzlich Geliebtester Freund,

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Zu meinem großen Vergnügen soll heute eine Gelegenheit abgehen, bey der

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ich Ihnen ein paar Worte schreiben kann. Sind Sie und Ihr Haus gesund?

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Zwey Sonnen- und Winter Tage – – Werden wir uns nicht bald einander

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sehen. Ich lebe ziemlich vergnügt; aber noch nicht aus dem Hause gewesen.

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Ich merke Veränderungen an meinem Leibe, von denen ich abwarten muß,

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wozu sie ausschlagen werden; wie wohl sie mich nicht eben beunruhigen.

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Zwo dringende Bitten an Ihnen, von denen ich mich erst erleichtern muß.

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Mein Petron ist mir
defect,
liebster Freund. Der 2te Theil davon. Er muß

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bey Ihnen geblieben seyn. Ist er in des seel. Manns Bibliothec gerathen.

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Porsch hat ihn gehabt, mir aber meines Wißens wiedergegeben. Halten Sie

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doch deswegen eine kleine Haus
visitation
v erfreuen mich damit. Zum andern.

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Meine Eltern haben mir mit Fuhrmann Rehhahn einige Kleinigkeiten an

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Schulbüchern
e. g.
Hederichs
Lexicon cet.
geschickt, die mir unentbehrl. sind

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und auf die ich ängstlich warte. Sie sind an HE.
Doct. addressirt;
die

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Frachtkosten habe auch demselben schon zugeschickt. Er ist ich weiß nicht warum

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Mietau
heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
durch Mietau durchgegangen ohne es abzugeben. Wollen Sie so gut seyn v

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ihn deswegen beschicken, in Mitau wird er sein Geld finden v erhalten. Daß

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ich die Sachen nur gut verwahrt erhalte. Er kann sie Ueberbringer dieses, oder

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Sie, wenn Sie
ihnen
es auf sich nehmen wollen, sicher anvertrauen.

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Besorgen Sie mir doch den Empfang durch Thomas. Unser Haus hat tiefe

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Wilhelm Heinrich v. Lieven
Trauer an HE. Geheimde Rath Lieven einen Schwager bekommen. Eine

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Helene Gräfin Browne-Camus
Schwester, die Gener. Browne liegt ebenfalls gefährl., v eine andere des HE.

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Generals gleichfalls. Mein ältester liegt noch am Magen oder Würmer. So

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viel aus Grünhof. Melden Sie mir dafür mehr v beßere aus Ihren Gegenden.

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An HE. B. schreibe nicht, v mit Fleis. Ich wünschte mit gegenwärtiger von ihm

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die
lehrreiche Nachrichten für einen Reisenden
mitzubekommen.

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Vergeßen Sie ihn doch nicht herzl. zu grüßen v um dies Buch zu bitten. Ich schrieb

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Ihnen neul.
für
von einer Beylage an ihn, die er Ihnen mittheilen würde.

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Sie bestand in einer Ode
de main de maitre sur la mort,
die mir Petersen als

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eine große Seltenheit zugeschickt. Er möchte es übel genommen haben wenn

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ich ihm das Verdienst entzogen hätte Sie beyde damit aufzuwarten. Ich

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schickte ihm also selbige wieder zurück mit der Bitte, daß er sie Ihnen auch

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mit erster Post überschicken möchte. Urtheilen Sie nicht auch, daß es ein

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Betrug mit diesem Gedicht ist. Das Ende daran ist offenbar angeflickt v reimt

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sich so wenig dem Verstande nach als dem Sylbenmaas zu dem übrigen, daß

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ein halber Leser sich daran stoßen muß. Ein paar Stellen sind ganz

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unverständlich durch druckfehler z. E.
chemins
anstatt
humains.
Lesen Sie doch so

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bald Sie können den zweeten Theil des Hervey. Wenn Sie sich dazu

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entschließen; so werden Sie mir für die Empfehlung v Aufmunterung dazu

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danken. Er gehört gar nicht zum ersten Theil. Wenn Sie mir an Journalen

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oder andern Neuigkeiten was mittheilen können; so werden Sie mir dadurch

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einen großen Gefallen thun. Das Schooshündchen liegt bey meinem

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Nachbar; er hat ihn noch nicht lesen können. Sie sollen ihn bald wiederbekommen.

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Ich hoffe jetzt bald mit meiner Arbeit fertig zu seyn v will selbige nicht eher

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verlaßen, biß ich zu Ende bin. Es ist hohe Zeit einmal zu eilen. Ist es wahr

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daß HE B. v Gothan nach Mietau diese Woche kommen werden? Den ersteren

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grüßen Sie noch einmal von mir. Ich will ihm nicht gern einen leeren Brief

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Petron
wahrscheinlich
La Satyre de Petrone
(Köln 1694)
schicken, daher schieb es noch auf. Vergeßen Sie nicht meinen
Petron
noch

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mein
Paket
, noch
lehrreiche Nachrichten
. Werden Ihre Reden bald fertig

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Catalogus
nicht ermittelt
seyn. Erfreuen Sie mich damit gantz naß. Ist Schulzen oder Ihr
Catalogus

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schon gedruckt. Schicken Sie mir doch beyde. Ihre Excell. haben Lust zur

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allgemeinen Weltgeschichte. Ich möchte sie gern in dies Haus einführen. Ist

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wenigstens ein Werk, das der längsten langen Weile gewachsen ist. Haben Sie

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die Arzney bekommen von meinen Eltern? Hat mein Vater oder Bruder

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geschrieben? Mamma meinen Handkuß.

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Ich umarme Sie und ersterbe Ihr aufrichtiger v ergebenster Freund.


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Adresse mit Mundlack:

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à Monsieur / Monsieur Lindner / Maitre de la Philosophie / et des belles

6
lettres, Doyen de la Societé allemande de / l. et Recteur du College / de et /

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à /
Riga
. /
an der Domkirche.

Provenienz

Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 2 (16).

Bisherige Drucke

ZH I 139–141, Nr. 57.