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Grünhof den
21. Jenner 756.
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Herzlich Geliebteste Eltern,
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Gott gebe daß Sie sich gesund befinden. Ich habe mit 2 Posttagen nach
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einander Briefe von Ihnen erhalten, davon nur der erste ziemlich lang
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ausgeblieben. Die Ursache meiner Ungedult lag theils in der Furcht, daß meine
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Bitte in Ansehung des Börnsteins übel aufgenommen werden möchte, theils
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in einem lächerlichen Gerüchte, das man in Königsb. auch eine Art von
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Erdbeben verspürt. So zuverläßig man durch Briefe von dem letzteren versicherte;
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so zuverläßig schien es mir als ich es hörte, nur nachgeahmte Lügen zu seyn.
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Unterdeßen bey dem Schauder, den die ganze Erde empfunden und gehört ist
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die Einbildungskraft von traurigen Eindrücken
solcher Art
eingenommen.
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Wenn wir vor dieser Art Göttlicher Gerichte sicherer als andere Menschen seyn
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können; so sind wir doch alle der Göttl. Ruthe gleich nahe. Ich danke auf das
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kindlichste für die überschickten Börnsteinstücke; sie sind noch zu rechter Zeit
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angekommen, und ungeachtet der HE. Graf schon abgereiset, so giengen seine
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Sachen erst den folgenden Tag des Empfangs ab. Ich ließ im Namen der
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jüngsten
Joseph Johann Baron v. Witten
Gnädigen Fräulein von dem jüngsten einen Brief schreiben im franzoischen
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v man hat meine Aufmerksam
keit
sehr gütig aufgenommen. Gestern erhielt
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durch Einschluß den zweeten Brief meines lieben Vaters, in dem ich mit der
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Erwartung neuer Sachen erfreut werde. Gott bezahle Ihnen Liebste Eltern
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die Freude, welche Sie mir zu machen suchen, durch zehnfältige andere. Ich
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bin diese Woche den Fuhrmann gewärtig. In Ansehung mehrerer
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Börnsteinstücke geben Sie sich keine Mühe. Diese Gelegenheit ist allein beqvem dazu
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selbige zu übermachen. Die Anzahl ist hinlänglich v ich bin mit den Stücken
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auch sehr zufrieden gewesen. Mit meiner Gesundheit ist es Gott Lob sehr
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leidlich; wiewohl der heutige Tag mir durch Blähungen viel zu schaffen gemacht.
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Ich bin durch ein windbrechendes Pulver zu Hülfe gekommen, das man hier
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im Hause hat v mir von der Hand eines Geistl. überbracht wurde. Noch bin
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nicht aus dem Hause gewesen. Theils meine Unpäßlichkeit, theils die elende
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Witterung, theils meine Arbeiten halten mich gefeßelt. Gott gebe Kräfte, der
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Wille fleißig zu seyn ist gut genung. Ich habe heute an meine Freunde in Riga
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geschrieben, die mich nicht vergeßen, deren redliche v gefällige Gesinnungen
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gegen mich ich nicht genung erkennen kann. Das sind Berens v Lindner. Es
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die Mutter von
Johann Christoph Gericke
ist mir schon entfallen ob ich Ihnen den Tod der Frau P. Gericke gemeldt.
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Rappolts
Karl Heinrich Rappolt
Ihr Mann, ein Ebenbild meines seel. Rappolts, dem äußerl. sowohl als in
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vielen Stücken dem innerl. nach, hat mir die unvermuthete Ehre angethan
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mir Ihren Tod zu
notifici
ren. Ich habe die Frau kindlich verehrt. Eine
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ehrwürdige Alte von einem sehr zufriednem Herzen; in dem die muntere
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Gleichgiltigkeit der Jugend mit der Standhaftigkeit einer geprüften Christin
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vereinigt war, die ihr ganzes Haus durch den
zärtlichen
rührenden Abschied
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den sie von jedem genommen erbaut und sich ihrem Andenken empfohlen hat.
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Dies Haus ist das zwote beste gewesen das ich in Riga gehabt. Ich bin selten
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da zum Eßen gewesen, daß man sich meiner lieben Eltern nicht auf einer sehr
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zärtlichen Art jederzeit daselbst erinnert hätte, sich nach Ihnen erkundigt,
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Gutes gewünscht v einmal darauf getrunken. Im Vorbeygehen zu sagen,
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HE. Gothan hat sich aller der Verbindungen durch seine Denkungsart v
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Aufführung gegen mich unwürdig gemacht, die ich ehmals mit ihm gehabt habe.
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Von meinen Freunden auf Dinge zu kommen, die mir auch nahe sind, melde
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meiner lieben Mutter, daß aus dem schönen Stück Leinwand welches ich von
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Gräfin
Apollonia Baronin v. Witten
der Fr. Gräfin bekommen, 8 Hemde gemacht werden können, mit denen ich
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mich nicht schämen dürfen werde mich Ihr künfftig zu zeigen. Es ist ein Maler
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Schön
nicht ermittelt
Schön hier gewesen, von dem ich durchaus auf Bitten Ihro Excell.
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beyderseits abgemalt werden sollte. Zum Glück ist nichts daraus geworden, weil der
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ehrliche Mann nicht länger Zeit hatte sich in Grünhof aufzuhalten. Wenn es
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zum Sitzen künfftig kommen sollte: so will ich mein Gemälde beschreiben.
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ältester
Peter Christoph Baron v. Witten
Mein ältester Baron befindt sich unpäßlich schon länger als 8 Tage v kann
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nichts im Leibe behalten sondern wirft alles aus. Es müßen Würmer schuld
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daran seyn. Ein bloß verdorbener Magen würde so lange nicht anhalten. Ein
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Arzt hat es hier schwer. Gesunde und starke Leute sind mehrentheils
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Verschwender ihrer guten Natur; die Unmäßigkeit ist eine Folge oder zufällige
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Eigenschaft derselben; sie scheint bey einigen Menschen mit zu ihrer
Complexion
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zu gehören. Man hat das lächerliche Vorurtheil, daß die
Diät
den Körper
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schwäche und daß Kinder dadurch hart werden, wenn sie ohne Maaß und
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Unterscheid eßen und trinken. Ja unsere eigene Erfahrung, unsere
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Kindheit – – – Eure Erfahrung ohne Verunfft ist ein Auge an dem der
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Sehnerve verletzt ist. Wist ihr von eurer Jugend nichts mehr als wie ihr geeßen
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und getrunken habt? so verlangt nicht von euren Kindern, daß sie mehr
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behalten sollen. Gönnt ihr ihnen eben die Thränen, die ihr jetzt vergüßet. Hier
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haben Sie ein Stück von einem Selbstgespräch, zu dem mich mein Amt
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bisweilen veranlast. Wie viel Erkenntlichkeit bin ich der Vorsehung schuldig die
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meine Erziehung beßeren Eltern anvertraut hat, als die ich bisher kennen
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lernen. Gott gebe diesen mehr Liebe v vergelt derer ihre, die ich niemals
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aufhören werde mit kindlichem Herzen zu verehren v denen ich jetzt die Hände
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küße als Ihr zeitlebens dankbarer v gehorsamster Sohn.
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Joh. Georg H.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (34).
Bisherige Drucke
ZH I 137–139, Nr. 56.