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Königsberg, d. 22sten September 1771.
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Höchstzuehrender Herr und Freund,
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Mit dem Ende des April’s habe die Abbtsche Correspondenz erhalten, die mir
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einen vergnügten Abend gemacht oder vielmehr eine halbe Nacht gekostet.
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Wundern Sie sich nicht, daß ich Ihnen noch nicht für ein mir so interessantes
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Andenken gedankt habe; da ich Ihnen unendlich mehr für die Achtsamkeit schuldig
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bin, mit der Sie sich bei der von mir ertheilten Vollmacht eingeschränkt haben.
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Ueberbringer dieses, mein Gevatter seit heute, der mir vieljährige Proben
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einer gründlichen und lebhaften Freundschaft gegeben, wird Ihnen meine
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Zerstreuung, in der ich den ganzen Sommer durch zugebracht, beschreiben.
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Ihm allein hab ich es zu danken, daß eine elende Hütte, die ich mir voriges
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Jahr aus Verdruß auf den Hals gekauft, in eine bequeme und angenehme
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Wohnung verwandelt worden, in der ich mir nur noch einen glücklichen
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Feyerabend meines Lebens und die letzte Oelung der Muse zu einem
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Schwanengesang wünsche. Ich habe noch eine kleine Uebersetzung liegen, die Hervey
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und Bollingbroke betrifft, und mit der ich gern als Uebersetzer in jedem
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Verstande Abschied nehmen möchte. Dies Feld soll der Rücken meiner Mutter
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seyn. Was macht unser alter Moses Mendelssohn? Ist er wieder hergestellt?
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Herr Gumperts sagte mir ja und brachte mir einen Gruß mit, wenn beides
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zuverlässig ist. Was sagt er zu Michaelis mosaischem Rechte? Ich der ich blos
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zu meiner Gemeinde lesen kann, wünschte wenigstens zum besten der Messen
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zwölf solche Schriftsteller. Ich thue diesen Wunsch als ein wahrer Parasit. –
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Dies ist der große Erasmus unsers Jahrhunderts. – Herr
Momus Herz
scheint
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mich ganz vergessen zu haben. Weil er mir keins von seinen Betrachtungen
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geschickt hat: so hab ich eins stehlen müssen. Die Schuld sei auf seinen Kopf.
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Ungeachtet ich ihn im Geist unbekümmert über Lob und Tadel seinen Weg
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dahinwandeln sehe, kann ich mich nicht enthalten, über seine erworbene
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Fertigkeit in der Schreibart mich zu freuen und zu wundern. Es kommt freilich
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alles darauf an, in demjenigen reifer zu werden, was nach Garat
et
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principium et finis
ist.
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Lebt unser Herder noch? Wird seine Preisschrift nicht diesen Michaelis
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herausgekommen seyn? Ich empfehle mich Ihrem geneigten Andenken und
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unsern gemeinschaftlichen Freunden.
Vale.
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J. G. Hamann.
Provenienz
Druck ZH nach [Wilhelm Dorow]: Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der Welt und Litteratur. Berlin 1838, 121–122. Original verschollen. Letzter Aufbewahrungsort unbekannt.
Bisherige Drucke
[Wilhelm Dorow]: Denkschriften und Briefe zur Charakteristik der Welt und Litteratur. Berlin 1838, 121 f.
Karl Hermann Gildemeister (Hg.): Johann Georg Hamann’s, des Magus im Norden, Leben und Schriften. 6 Bde. Gotha 1857–1868, II 52 f.
ZH III 5 f., Nr. 373.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
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Momus Herz ]
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Geändert nach dem Druck bei Dorow, der die einzige Quelle von ZH ist; ZH: Marcus Herz . – ZH ändert vmtl. aufgrund der Ähnlichkeit der Buchstabenkombinationen „arc“ und „om“ in der Handschrift. Momos, die antike Personifikation des Tadels und der Schmähsucht, war Hamann, der gern mit den Namen von Bekannten spielte, jedoch eine durchaus geläufige Vorstellung. |
6/24 –25
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et principium […] finis] |
Im Druck von Dorow gibt es keinen Schriftwechsel. |