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376/23
Mitau den
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Zärtlich geliebtester Freund,
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Sie erhalten Ihre Handschriften wieder zurück mit dem verbindlichsten
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Dank. Ich habe das erste Fragment 2mal gelesen, und würde kaum mehr was
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dabey thun können, als was geschehen, wenn ich es auch noch 8 Tage
behielte.
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So viel mir mein stumpfes Gedächtnis sagt, haben Sie Ihre Arbeit
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gewaltig umgeschmoltzen, und wo ich nicht irre Ihren Plan dadurch erweitert, daß
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Sie mehr
Auszüge vom Text der Litteratur Briefe
liefern, als damals
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Ihre Absicht schien gewesen zu seyn.
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Ich weiß nicht durch welchen Irrthum ich mit dem
vorläufigen
Discours
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angefangen und dabey den Griffel etwas muthiger gebraucht habe.
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Ueber ein gut Theil der neuesten Litteratur kann ich kein
iudex competens
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seyn und was die Prosodie betrifft, bin ich in gleicher Verdammung. Die
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übrigen Articel der Sprache find ich nach Wunsch
detailli
rt, einige Puncte
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in ein eben so gutes philosophisches als ästhetisches Licht gesetzt.
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Es sind noch einige übelgegattete und zusammengewachsene Wörter übrig
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geblieben z. E. Naturgenie p. Auch ist der Styl an einigen Stellen zu
petilla
nt,
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und die periodische Form durch Fragen, Ausruffungen,
Interjectio
nen gar
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zu zerrißen.
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Ich habe Ihnen liebster Freund, schon mehr gesagt, als ich verstehe und
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berechtigt bin. Die Durchlesung Ihrer Handschrift hat mir heute
wenigstens
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eine angenehme Stunde
gemacht
,
in der ich alte verbleichte Begriffe wieder
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in mir aufleben fühlte. Es ist aber bald übergegangen.
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Um dieser Ursache willen schicken Sie mir doch die Folge Ihrer
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Handschrift
zu –
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Selbst den Versuch des Winkelmanns habe mit wenig Genüge lesen
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können. Schicken Sie mir doch den
Shaftesbury
nebst allen Uebersetzungen die
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Sie davon auftreiben können. 1.)
Soliloquium
2.) die Moralisten 3.) der
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Versuch der Moral sind gewiß heraus, weil ich alle 3 selbst gelesen habe.
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Vergeßen Sie auch nicht mein
Quart
buch.
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Grüßen Sie HE Hartknoch von uns. Verdenken Sie es mir nicht, wenn
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ich nicht schreiben kann. Ich ersterbe Ihr
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Hamann.
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Um Pygmalion u Elise
bitte. Zugl.
HE Patzens freundschaftl. Umarmungen.
Provenienz
Staatsbibliothek zu Berlin, Ms. Germ. quart. 1304, 42.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 359 f.
Johann Gottfried von Herder’s Lebensbild. Sein chronologisch geordneter Briefwechsel, […]. Hg. von seinem Sohne Dr. Emil Gottfried von Herder. Ersten Bandes zweite Abtheilung. Erlangen 1846, 166–168.
ZH II 376 f., Nr. 330.
Textkritische Anmerkungen
Der Brieftext wurde anhand der überlieferten Quellen (vgl. Provenienz) kritisch
geprüft. Notwendige Korrekturen gegenüber dem in ZH gedruckten Text wurden vorgenommen und sind
vollständig annotiert. Die in den beiden Auflagen von ZH angehängten Korrekturvorschläge werden
vollständig aufgelistet, werden aber nur dann im Text realisiert, sofern diese anhand überlieferter
Quellen verifiziert werden konnten.
376/27 |
behielte. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: behalte. |
376/32 |
Discours |
Geändert nach der Handschrift; ZH: Discours |
377/6 |
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Geändert nach der Handschrift; es folgen vier gestrichene, nicht entzifferte Zeilen. |
377/9 |
gemacht , ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: gemacht, |
377/12 |
zu – ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: zu. |
377/21 |
bitte. Zugl. ]
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Geändert nach der Handschrift; ZH: bitte zugl. |