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Königsberg den
1
ten
April 65.
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Herzlich geliebtester Freund,
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Sie erhalten hiemit die versprochene Sammlung meiner Jugendstreiche in
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Sokr. Denkw.
Hamann,
Sokratische Denkwürdigkeiten
der Autorschaft, bis auf die Sokr. Denkw. welche ich nicht mehr im stande bin
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Ihnen zu verschaffen. Es ist mir nicht möglich gewesen den Eckel zu
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überwinden, mich als
Corrector
oder
Commentator
gegenwärtig selbst ganz
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durchzulesen; unterdeßen überlaß ich es Ihrer Freundschaft, Text und zufällige
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Randgloßen zu übersehen. Zu meiner Rechtfertigung beruffe mich noch auf
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die sokratische Drey
falt
einigkeit, welche Aristophanes meinem Original
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aufgebürdet:
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το ΞΑΟΣ …
dt. Und ist es nun so, glaubst endlich du auch keinen anderen Gott, als wir glauben, / Den leeren Raum um uns und die Wolken und zum Reden die Zunge, die dreie?,
Aristoph.
Nub.
, 421f.
το ΧΑΟΣ τουτι και τας ΝΕΦΕΛΑΣ και την ΓΛΩΤΤΑΝ, τρια ταυτι.
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Ob jemals meine
Palinodie
den blauen Heft bis zur Größe des halb
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englischen Bändchens
suppli
ren wird; daran zweifele
jetzt sehr
gänzlich, denn
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die Zeiten haben sich bey mir sehr geändert. Sonst hieß es:
nulla dies sine
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manum de tabula!
dt. „Hand vom Bild!“ (im Sinne von: nicht weiter anrühren, nach
Plin.
nat.
, XXXV,36,80)
linea;
jetzt aber:
manum de tabula!
Mein Ueberdruß ist aufs höchste gestiegen
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und benimmt mir alle Fähigkeit und Lust zu denken und zu leben. Mit desto
S. 323
Lindner
Johann Gotthelf Lindner
größerer Sehnsucht erwarte gegen den May meinen alten Freund Lindner,
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deßen Umgang meine Frühlingscur seyn wird. Erfreuen Sie mich mit guten
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Nachrichten von Ihrer lieben Familie. Auch erwarte ich von Ihnen lieber
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Nicolai
Friedrich Nicolai
Moses ein klein Päckchen
von Ihnen
, daß unser
HE
Nicolai so gut seyn
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Buchführer
Johann Jakob Kanter
wird an einen der Hiesigen Buchführer zu besorgen. Unterlaßen Sie auch
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HE. Prof. Rammler
Karl Wilhelm Ramler
nicht, liebster Freund, den HE.
Prof.
Rammler zuweilen an den
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Namensvetter seines HausWirths
nicht ermittelt
Namensvetter seines HausWirths zu erinnern. Ich
empfehle mich
v laßen Sie
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Ihrem treuen Andenken
und werde niemals aufhören zu seyn
empfohlen
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seyn Ihren aufrichtig ergebensten
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Hamann.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], II 62.
ZH zufolge sei die Handschrift im April 1940 bei der Firma J. A. Stargardt aufgetaucht und von der Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg erworben (Signatur: 3067). Keine sachlichen Abweichungen.
Bisherige Drucke
Friedrich Roth (Hg.): Hamann’s Schriften. 8 Bde. Berlin, Leipzig 1821–1843, III 330.
ZH II 322 f., Nr. 297.