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40/17
Mitau
heute Jelgava, Lettland [56° 39′ N, 23° 43′ O] (40 km südwestlich von Riga)
Mitau den
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Sept.
1760.
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Herzlich geliebtester Vater,
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Gott gebe, daß Sie sich wohl befinden mögen, wie ich. Schreibe Ihrem
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Verlangen gemäß wieder an Sie, weil ich Anlaß dazu zu haben glaube. Von Riga
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habe noch nichts erhalten, warte morgen oder übermorgen. Montags frühe
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wills Gott! werde aus meinem jetzigen Qvartier ausziehen, und bin
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HE. HofDoctor
Johann Ehregott Friedrich Lindner
entschloßen das Wirthshaus zu wählen, wo unsere Fuhrleute einkehren. HE.
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Hof
Doctor
muß seine 3 Zimmer räumen, da sie zu einem Ball, der von einer
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Starostin
vmtl. die Frau des herzoglichen Verwalters von Kurland bzw. Stellvertreters in Mitau; vgl.
HKB 191 ( II 39/22 ) hiesigen Starostin dem Hofe gegeben werden soll, gebraucht werden; dies
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Haus das größte und beste dazu in Mitau ist, diese Bedingung eingeräumt
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werden müßen vom Miethsmann. Mein künftiger Aufenthalt wird daher
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kostbarer und desto kürzer seyn. Hatte noch gern Antwort von Ihnen und
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HE. ArchiDiaconus
Johann Christian Buchholtz
auf mein letztes
Wahrscheinlich
HKB 188 ( II 35/31 ), indem der verschollene Brief vom 11. September wohl nur die Nachricht enthielt, er komme bald.
HE.
ArchiDiaconus
auf mein letztes abgewartet – vielleicht ist es aber nicht
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nöthig. Werd ich aus
Riga
befriedigt, so gehe mit Gottes Hülfe mit ersten
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Fuhrmann zurück. Jahreszeit und Wunsch treiben mich ohnedem. Es ist hier
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alles so kostbar wie in Engl. Z. E. der Barbierer fordert für einen Bart
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1 Tympf und läßt einen Sechser liegen
Ein Tympf ist ein Achtzehngröscher, der im Laufe der Zeit immer wieder verschlechtert wurde; ein Sechs-Groschen-Stück entsprach 1/60 Taler.
Capitain
Friedrich Lambert Gerhard v. Oven
1 Tympf und läßt einen Sechser liegen, wie es dem
Capitain
meinem
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fl.
Gulden, Goldmünze, hier aber vmtl. 1 polnischer Gulden, eine Silbermünze, entsprach ca. 30 Groschen.
Reisegefährten hier gegangen; ein halb Buch Postpapier 1 fl. oder 2 Tympf pp.
S. 41
Habergrütze
Hafergrütze
Die meisten Mahlzeiten habe mich hier mit Habergrütze begnügt; werde
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unterdeßen meinem Leibe nichts entziehen. Wenn ich nicht ausgehe, ist Butterbrodt
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mein schmackhaft Abend
brodt
mahl, wofür ich Gott danke.
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Meine Gesundheit ist völlig wiederhergestellt und ich habe mich morgen bey
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HE Rathsverwandten Hipperich
Johann Hipperich
HE Rathsverwandten
Hipperich
zu Gast gebeten, der mein alter guter
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Freund ist und wo ich für einige
Medicament
en, die ich hier nehmen müßen
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eine kleine Rechnung habe. Meine
Diät
ist nicht mehr nöthig, schickt sich auch
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nicht in einem öffentl. Hause. Ich werde mich unterdeßen so gut einrichten als
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ich kann. – Erhalte eben jetzt eine höfliche schriftliche Einladung morgen
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Mittag; habe HE Hof
Doctor
um gütige Besorgung eines Einschlußes für
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diesen Brief gebeten.
Gegenwärtigen Brief
bitte nicht mehr zu beantworten,
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oder im widrigen Fall die Antwort an meinen Bruder nach Riga zu
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addressi
ren. Gott seegne, stärke und erhalte und gebe mir Gnade Sie bald
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wiederzusehen. Grüßen Sie alle gute Freunde und Hausgenoßen. Ich ersterbe nach
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kindlichem Handkuß Ihr gehorsamster Sohn.
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Johann George.
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Vielleicht verdinge mir bey HE.
Hipperich
einen Tisch die kurze Zeit meines
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Aufenthalts, wo ich gesunder und wohlfeiler als im Wirthshause auch
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ungebundener und angenehmer speisen kann. Ich bin ohnedem bisher von ihm
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mit Habergrütze nach Herzenslust gepflegt worden. Leben Sie wohl. Gott
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mit Uns.
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Adresse mit rotem Lackrest:
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à Monsieur / Monsieur Hamann / Chirurgien bien renommé / à
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Coenigsberg.
/ Altstadt in der / heil. Geistgaße. /
per Couvert.
Provenienz
Druck ZH nach den unpublizierten Druckbogen von 1940. Original verschollen. Letzter bekannter Aufbewahrungsort: Staats- und Universitätsbibliothek Königsberg, Msc. 2552 [Roths Hamanniana], I 1 (75).
Bisherige Drucke
ZH II 40 f., Nr. 192.